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Palbociclib verlängert das Leben nicht

Palbociclib wurde im November 2016 gegen bestimmte Formen von Brustkrebs zugelassen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt keine der drei Studien zum Wirkstoff abgeschlossen war, schürte der Hersteller Pfizer große Hoffnungen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) urteilte dagegen letztes Jahr: „kein Zusatznutzen“ (wir berichteten [1] ). Jetzt wurden die Endergebnisse einer weiteren Studie [2]  bekannt. Auch sie konnte nicht zeigen, dass Frauen durch Palbociclib länger leben.

Noch im Februar 2018 kritisierte der Berufsverband der niedergelassenen gynäkologischen Onkologen (BNGO) die Entscheidung des G-BA, Palbociclib keinen Zusatznutzen zu bescheinigen. Das Präparat habe „eine ungefähre Verdopplung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung gezeigt.“ [3] Doch tatsächlich waren zur Ermittlung des „progressionsfreien Überlebens“ nur Röntgenbilder zum Tumorwachstum ausgewertet worden. Die Studien konnten keine Verbesserung bei den Krankheitssymptomen belegen.

Der Verband plädierte dafür, bei der Bewertung auch die Lebensqualität zu berücksichtigen. Das hatte der G-BA bei seiner Entscheidung 2017 durchaus getan: Ein Vorteil für Palbociclib ließ sich so nicht erkennen. Dafür ergab die Auswertung der unerwünschten Wirkungen einen deutlichen Nachteil für das neue Medikament.[4]

Am 25. Juni 2018 veröffentlichte der Hersteller von Palbociclib eine Pressemitteilung, die sich allerdings lediglich an Investoren richtete: „Pfizer verkündet Ergebnisse zum Gesamtüberleben bei der Phase 3 Studie PALOMA-3“. [5] Wie schon die Überschrift ahnen lässt, waren die Ergebnisse nicht wie erhofft ausgefallen. Etwas verschämt wird im Text mitgeteilt, dass kein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden konnte. Pfizer versucht das allerdings mit der Aussage schönzureden, dass es „einen positiven Trend“ gebe.

Shareholder value

Dass statt der medizinischen Fachwelt zuerst die Investoren informiert werden, hat einen schlichten Grund: Warnt eine Firma nicht rechtzeitig, dass ein Produkt die wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt, können Aktionäre in den USA auf Schadenersatz klagen. Über einen ähnlichen Fall bei einem anderen Wirkstoff, der inzwischen wieder vom Markt genommen wurde, hatten wir berichtet.[6]

Die Bewertung des G-BA von 2017 ist teilweise befristet, weil die endgültigen Ergebnisse von zwei Studien mit verschiedenen Patientinnengruppen ausstehen.[7] Die erste Frist endet am 1.10.2018 und bezieht sich auf die Studie Paloma 3, deren Ergebnisse nun bekanntgegeben wurden. Die Ergebnisse für die dritte und letzte Studie (Paloma 2) werden Ende 2018 erwartet. Deren vom G-BA ausgewertete Zwischenergebnisse ergaben keinen Überlebensvorteil.[4] Endgültige Daten muss der Hersteller bis zum 1.3.2019 vorlegen.

Anderthalb Jahre nach der Zulassung

hat also noch keine Studie nachgewie­sen, dass Frauen mit Brustkrebs dank Palbociclib länger leben. Die Nebenwirkungen sind erheblich. Das ist insofern besonders relevant, weil der neue Wirkstoff zusätzlich zur bisher üblichen

Therapie gegeben wird. Nachdem nun die Endergebnisse für zwei Studien vorliegen, erscheint die Nutzen-Schaden Bilanz für mindestens einen Teil der Patientinnen negativ.[8] Da stellt sich immer mehr die Frage, warum die europäische Arzneimittelbehörde EMA Palbociclib zu einem Zeitpunkt zugelassen hatte, zu dem es noch keinerlei Daten zum Überleben gab.

Verfrühte Zulassung

Basis der Zulassung war das progressionsfreie Überleben (PFS), also ein verlangsamtes Wachstum von Tumoren. Dies ist nur ein Surrogat (Ersatz), das Hinweise auf relevante Ergebnisse wie längeres Überleben oder Linderung der Krankheitssymptome erlauben soll. Das PFS ist insgesamt leichter und schneller zu erheben als das tatsächliche Überleben, das eine viel längere Beobachtungsdauer erfordert.

Das Surrogat progressionsfreies Überleben hat sich damit zum wiederholten Male als untauglicher Indikator für einen relevanten Nutzen herausgestellt. Das zeigte eine Übersichtarbeit aus den USA: Mehrere Jahre nach der Zulassung konnte nur für 14% der Krebsmedikamente, die auf Basis von Surrogaten zugelassen waren, ein Überlebensvorteil belegt werden. Bei der Hälfte der Medikamente stellte sich letztlich heraus, dass Patientinnen durch den neuen Wirkstoff nicht länger leben, bei den übrigen ist das nach wie vor unklar. [9],[10]

Shareholder first

Für Pfizer hatte die Information von Aktionären über die ungünstigen Ergebnisse offensichtlich Vorrang vor der Unterrichtung von Ärztinnen und Ärzten. Das ist ein Symptom dafür, dass Investoren mit einem besseren Schutz ihrer Interessen rechnen können als PatientInnen. Es wäre an der Zeit, dass die EMA ihre eigenen Zulassungsentscheidungen kritisch hinterfragt.  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 6/2018, S. 4
Bild © Jörg Schaaber

[1] Pharma-Brief (2017) Viel Lärm um nichts? Nr. 4, S. 4

[2] Pfizer hat insgesamt drei zulassungsrelevante Studien durchgeführt, Paloma 1, 2 und 3.

[3] Deutsches Ärzteblatt (2018) Berufsverband kritisiert G-BA-Bewertung neuer Krebstherapeutika. News 18. Feb. www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=89322&s=palbociclib

[4] G-BA (2017) Beschluss zu Palbociclib vom 18. Mai www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/269/#tab/beschluesse

[5] Pfizer (2018) Pfizer Announces Overall Survival Results from Phase 3 PALOMA-3 Trial of IBRANCE® (Palbociclib) in HR+, HER2- Metastatic Breast Cancer. Investor news press release 25 June

[6] Pharma-Brief (2017) … und wieder die Aktionäre zuerst. Nr. 3, S. 6

[7] Für eine weitere Patientinnengruppe legte der Hersteller keine Daten vor. Hier gilt der Beschluss des G-BA „kein Zusatznutzen“ unbefristet.

[8] Für eine Patientinnengruppe hatte Pfizer dem G-BA keine Daten vorgelegt, für eine weitere Gruppe sind die Ergebnisse der noch nicht abgeschlossenen Paloma 2 Studie relevant.

[9] Pharma-Brief (2017) Bescheidener Fortschritt Nr. 8-9, S. 1

[10] Kim C und Prasad V (2015) Cancer Drugs Approved on the Basis of a Surrogate End Point and Subsequent Overall Survival .JAMA Int Med; 175, p 1992