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Forschung zu Fieber bei Kindern in Afrika ausgezeichnet

Der Memento Preis für vernachlässigte Krankheiten wurde am 20.2.2019 zum sechsten Mal vergeben. Die diesjährigen PreisträgerInnen sind Prof. Jürgen May (Wissenschaft) und Katharina Nickoleit (Journalismus).Memento preis 2019 JS07791

Der Memento Forschungspreis für vernachlässigte Krankheiten ging dieses Jahr an Prof. Dr. Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Die Jury würdigte damit das Engagement des Wissenschaftlers für die Forschung zu Fieberkrankheiten in Afrika. „Die Arbeiten von Professor Jürgen May leisten einen wichtigen Beitrag, Patienten eine effektivere Behandlung zu ermöglichen“, sagte Jurymitglied Prof. Dr. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizinischen Abteilung der Missioklinik Würzburg. „Oft wird mangels adäquater Tests irrtümlich von einer Malaria ausgegangen, und die Menschen werden falsch behandelt. Dank Jürgen May und seiner Arbeitsgruppe kann in Zukunft besser festgestellt werden, woran die Menschen tatsächlich erkrankt sind. Das Forscherteam identifizierte häufige Erreger bakterieller Infektionen und entwickelte Strategien zu ihrer besseren Diagnose und Therapie.“

Den Memento Preis in der Kategorie Journalismus erhielt die freie Journalistin Katharina Nickoleit. Mithilfe des Recherchestipendiums möchte sie einen Beitrag über die „Schnell einsetzbare Expertengruppe bei Gesundheitsgefährdungen“ (SEEG) realisieren. Die SEEG wurde von der Bundesregierung, dem Robert-Koch-Institut und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin gegründet und kommt dort zum Einsatz, wo eine Krankheit ausbricht, die sich zu einer Epidemie ausweiten könnte.

Das Memento-Bündnis

Ziel der Initiatoren des Preises – Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, BUKO Pharma-Kampagne und DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. – ist es, Aufmerksamkeit für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu schaffen, an denen zwar Millionen Menschen weltweit leiden, für die es aber oft keine adäquaten Impfstoffe, Diagnostika oder Medikamente gibt. Das Memento-Bündnis sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht, entsprechend ihrer neuen Führungsrolle in der Globalen Gesundheit mehr Geld für die Forschung im Bereich der vernachlässigten Krankheiten bereitzustellen.

Bild © Jörg Schaaber
Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S. 7


Jahresbericht 2018 der BUKO Pharma-Kampagne

Ob Diabetes, vernachlässigte Krankheiten oder Klimawandel – trotz massiver Engpässe im Budget hat die Pharma-Kampagne im vergangenen Jahr eine Vielzahl an Themen bearbeitet, globale Gesundheitsprobleme aus neuer Perspektive betrachtet und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. Ein Rückblick auf unsere Bildungs- und Advocacyarbeit im Jahr 2018.

Ein besonderer Fokus lag 2018 auf den Folgen des Klimawandels für die globale Gesundheit. Mit unserer Kampagne „Globale Gesundheit braucht Klimaschutz!“ haben wir die aktuelle Debatte um eine wirksame und nachhaltige Klimapolitik befeuert und dabei deutlich gemacht: Investitionen in den Klimaschutz sind immer auch ein Plus für die Gesundheit weltweit. Sie machen sich darum doppelt bezahlt.neue perspektiven JS06382 M

Wir haben eine Posterserie und Online-Informationen zum Thema erstellt, aber auch eine Unterrichtseinheit für Berufsschulen sowie einen Pharma-Brief Spezial – pünktlich zur Weltklimakonferenz in Polen. Nicht zuletzt brachte die diesjährige Theatertournee das Thema mit bissigem Humor auf die Straße: Bei 43 Auftritten in 13 Städten sahen sich etwa 2.600 ZuschauerInnen das Stück an, darunter über 800 Schülerinnen und Schüler an Berufsschulen. Die Vorstellungen wurden dort durch eine interaktive Einführung und moderierte Unterrichtsdiskussionen ergänzt. Ein 7-minütiger Film zur Theatertournee steht online. Er zeigt Ausschnitte aus dem Stück und fängt Stimmen von ZuschauerInnen und Mitwirkenden ein.

Online Tool Diabetes

Zum Welt-Diabetes-Tag am 14. November ging außerdem unser neuer E-Learning-Kurs zu Diabetes online. Gerade Länder im globalen Süden sind von der chronischen Erkrankung besonders betroffen. Rund 80% der erwachsenen Menschen mit Diabetes leben in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen. Doch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird dieser Herausforderung bisher noch nicht gerecht. Unser Kurs zur globalen Diabetesproblematik soll hier Abhilfe schaffen, umfassend informieren, Handlungsoptionen aufzeigen und zu einer besseren Versorgung der PatientInnen in armen Ländern beitragen.

Sozial gerechte Patentverwertung

In unserem Projekt zur sozial gerechten Patentverwertung haben wir einen Leitfaden zur sozialverträglichen Patentverwertung erstellt und als Pharma-Brief Spezial gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt und der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe veröffentlicht. Das internationale Netzwerk Health Action International brachte die Broschüre zusätzlich in englischer Sprache heraus. Das Heft wurde auch an zahlreiche ExpertInnen für Technologietransfer verschickt und bei öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt.

Die Publikation soll alternativen Lizenzverträgen den Weg ebnen, damit innovative Produkte öffentlicher Forschung wie etwa Medikamente oder Impfungen in armen Ländern zu günstigen Preisen verfügbar werden.

Pressearbeit

Schließlich haben wir mit unserer intensiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Themen gesetzt und dabei immer wieder auch die deutsche Arzneimittel- und Gesundheitspolitik aus internationaler und globaler Perspektive bewertet. Die Pharma-Kampagne war bei 75 Veranstaltungen, Tagungen, Fachgesprächen und Konferenzen im In- und Ausland vertreten, häufig mit Vorträgen, dezidierten Stellungnahmen oder auf dem Podium. Das Spektrum reichte von Unterrichtsbesuchen und Uni-Seminaren bis hin zur Teilnahme an Veranstaltungen im Europäischen Parlament oder Konsultationsprozessen des Gesundheitsministeriums.

Inhaltliche Schwerpunkte waren z.B. der Handlungsbedarf bei Tuberkulose und Antibiotikaresistenzen, vernachlässigte Krankheiten, alternative Forschungsmodelle sowie die globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung und der geplante Global Health Hub Germany. Unsere dezidierte Kritik an dem fragwürdigen Diskussionsforum, das auf eine Initiative der Industrie-Lobby zurückgeht und in dem die Gates-Stiftung mitmischt, wurde breit kommuniziert und floss u.a. in ein Briefingpapier von Brot für die Welt ein.[1]

Wir publizierten acht Pharma-Briefe und beleuchteten in unserer Berichterstattung wunde Punkte der deutschen, europäischen sowie internationalen Gesundheits- und Arzneimittelpolitik. Unethische Arzneimittelstudien in Peru standen dabei ebenso im Fokus wie Interessenkonflikte bei der Weltgesundheitsorganisation, das neue EU-Forschungsprogramm oder die Nutzenbewertung von Arzneimitteln in der EU. Wir thematisierten offensichtliche Schwächen bei der Arzneimittelkontrolle bzw. -zulassung im Fall von krebserregenden Valsartan-Präparaten oder dem fragwürdigen Brustkrebspräparat Palbociclib.

Außerdem standen wir 30 JournalistInnen Rede und Antwort, führten Interviews und Hintergrund-Gespräche oder vermittelten Kontakte zu ExpertInnen im In- und Ausland. Insgesamt gingen 58 Medienberichte aus unserer Pressearbeit hervor. Themenschwerpunkte waren Klimawandel, Arzneimittelpreise, nicht-übertragbare Krankheiten, Antibiotikaresistenzen oder der Einfluss von Gates auf die WHO. Unter anderem berichteten der Spiegel, Frontal 21, Report Mainz, WDR, Hessischer Rundfunk und Deutschlandradio, aber auch das Bundesgesundheitsblatt sowie die Fachzeitschriften E&Z oder Dr. med. Mabuse.

Nicht zuletzt hat auch unsere Webseite im vergangenen Jahr ein neues Gesicht bekommen – besuchen Sie uns doch auf www.bukopharma.de und erfahren Sie mehr über unsere Kampagnen und Projekte!  (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S. 6
Bild © Jörg Schaaber

 

[1] Yee-Sol Chang und Karolin Seitz (2019) SDG 3 – Deutschlands Engagement für Globale Gesundheit. Briefing Paper Brot für die Welt/GFP vom Januar 2019 www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Sonstiges/Briefing_0119_SDG3_online.pdf  [Zugriff 6.2.19]


Wie man negative Studienergebnisse kleinredet

„ ‘Alternative Fakten‘ zur Erklärung enttäuschend negativer Studienergebnisse?“ titelte Arzneimittelbrief.[1] Basis des Artikels war eine kleine Studie, die in der Weihnachtsausgabe des BMJ erschienen war.[2] Mit einer guten Prise britischen Humors gewürzt, beleuchtete sie das professionelle Schönreden von wissenschaftlichen Niederlagen.

Schon die Einleitung des BMJ-Artikels hat es in sich: „Der Fortschritt in der medizinischen Wissenschaft wird getrübt durch häufiges auf der Stelle treten, weil die meisten wundervollen Ideen am Ende nicht funktionieren. Um den Eindruck einer Flut von Entdeckungen und Begeisterung aufrechtzuerhalten, heuern Pharma- und Medizinproduktehersteller selektiv ExpertInnen ihres Fachs an, bei denen sie sich in allen Situationen auf eine ermutigende Darstellung verlassen können. Intern nennen die Firmen sie ‚Key Opinion Leader‘. Wir haben festgestellt: Wenn Key Opinion Leader enttäuschende Studienergebnisse in Nachrichtenportalen oder auf Konferenzen kommentieren sollen, scheinen sie merkwürdig unfähig zu erkennen, dass die Behandlung nicht funktioniert.“ Sie (er)finden zahlreiche Gründe, warum das Medikament doch besser sein könnte, als es die Studie ergab.

Da die sechs AutorInnen den Eindruck hatten, dass sich die Ausreden für die schlechten Ergebnisse häufig wiederholten, gingen sie die Sache systematisch an. Sie werteten Kommentare zu neuen Studien aus, die 2013-2017 auf drei großen Kardiolo­g-Innenkongressen in den USA und Europa vorgestellt worden waren. Die ForscherInnen fanden in den vielgelesenen Nachrichtenportalen „Medscape“ und „MedPage Today“ Kommentare zu 127 für den Sponsor unvorteilhaft ausgegangenen Studien.[3] In den allermeisten Fällen wurden die enttäuschenden Ergebnisse in Frage gestellt: In 108 der Berichte fanden sich Rechtfertigungen, warum das negative Ergebnis nicht aussagekräftig sei.

Die beliebteste Ausrede war, dass angeblich zu wenig PatientInnen in die Studie eingeschlossen waren, um ein statistisch signifikantes Ergebnis zu erzielen. Nur in einem von 39 Fällen machte sich der Key Opinion Leader aber die Mühe, die notwendige Anzahl vorzurechnen.

Die Ausrede „es sind weitere Studien notwendig“ (jede fünfte Negativstudie wurde damit kleingeredet) kommentieren die AutorInnen so: „Das legt nahe, dass der Key Opinion Leader die Ergebnisse einfach nicht mochte und wünscht, dass die Würfel erneut geworfen werden.“

Auch beliebt war die Behauptung, dass die PatientInnen zu krank waren (7 mal), um von der Behandlung noch profitieren zu können. Allerdings wurde bei elf Studien das negative Ergebnis mit dem genauen Gegenteil erklärt, dass die Krankheit zu mild oder in einem zu frühen Stadium war. Mal waren die Patientinnen nach dem Urteil der Propagandisten zu jung, mal zu alt, die Compliance war zu gut oder zu schlecht.

Mit typisch englischem Humor verfassten die AutorInnen am Schluss ein Drehbuch für die Key Opinion Leader. Ihr Motto: „Mit Hilfe des Drehbuchs ist keine Intervention zu ineffektiv, als dass sich nicht eine Ausrede dafür finden ließe.“  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.5

[1] Der Arzneimittelbrief (2019) 53;  S. 16DB01

[2] Hartley A et al. (2018) Key opinion leaders‘ guide to spinning a disappointing clinical trial result. BMJ; 363, p k5207

[3] Für den primären Endpunkt der Studie konnte kein signifikanter Unterschied zur Vergleichsbehandlung festgestellt werden.


Warum vorschnelle Zulassungen ein Problem sind

Neue Arzneimittel kommen immer öfter auf dünner wissenschaftlicher Basis auf den Markt. Der Fall des Krebsmedikaments Olaratumab macht schlaglichtartig die Probleme deutlich. Nach Abschluss einer zweiten Studie verfügte die europäische Zulassungsbehörde EMA, dass keine weiteren Patient­Innen mit dem Medikament behandelt werden dürfen.[1]

Olaratumab wurde im November 2016 zugelassen und sollte gegen seltene bösartige Tumore helfen, sogenannte Weichteilsarkome. Die Pharmazeutische Zeitung bescheinigte der EMA ein „rekordverdächtiges Tempo“ und war voll des Lobes. Es wurde ein Experte zitiert, der die laut Studie um ein Jahr verlängerte Lebensdauer als „absolut sensationell“ bezeichnete.[2] Der Haken an der Sache: statt einer Phase III Studie, die üblicherweise für die Zulassung verlangt wird, hatte der Hersteller nur eine kleine Phase Ib/II Studie mit etwas über 100 Teilnehmern durchgeführt. Diese frühen Studien dienen eigentlich nur der Prüfung der Verträglichkeit und der Dosisfindung.

Ganz sicher war sich deshalb die europäische Arzneimittelbehörde EMA auch nicht und ließ Olaratumab nur unter der Bedingung zu, dass der Hersteller eine weitere größere Studie durchführt. Erste Ergebnisse der Phase III-Studie mit über 400 ProbandInnen sickerten jetzt durch: Es gibt keinerlei Überlebensvorteil durch das neue Medikament. Und auch die Vorteile bei der oft als Hilfskonstruktion eingeführten Messgröße „progressionsfreies Überleben“ – ein fragwürdiges Surrogat für patientenrelevante Vorteile – brachen in sich zusammen. In der Phase III-Studie fand sich kein Unterschied zur Vergleichstherapie.

Die Behörde verfügte, dass Olaratumab bis zur endgültigen Auswertung der Studie keinen neuen PatientInnen verordnet werden darf.[1] Die Jahrestherapiekosten betragen in Deutschland 186.448,86 €. Das Präparat muss zusammen mit der bislang üblichen Therapie Doxorubicin (Preis 3.200,56 € jährlich) gegeben werden.[3] Laut EMA wurden in Europa bislang tausend Erkrankte behandelt. Für die PatientInnen mehr Nebenwirkungen, für den Hersteller ein gutes Geschäft. Lilly erzielte mit dem Präparat bis Ende 2018 über eine halbe Milliarde US$ Umsatz.[4],[5]

Der Fall erinnert an das Brustkrebsmedikament Palbociclib, das auf Basis von noch laufenden Studien zugelassen worden war. Der Hersteller hatte auf Basis des längeren progressionsfreien Überlebens hohe Erwartungen geschürt. Die versprochene Lebensverlängerung wurde anschließend in zwei Studien nicht bestätigt.[6]

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.4

[1] EMA (2019) No new patients should start treatment with Lartruvo. Press release 23.1.

[2] Mende (2016) Pharmazeutische Zeitung Nr. 47 www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-472016/rekordverdaechtiges-tempo

[3] G-BA (2017) Nutzenbewertung von Olaratumab. Beschluss vom 18.5. www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/268

[4] Lilly (2018) Q4_2017 workbook

[5] Lilly (2019) IR workbook Q4 2018

[6] Pharma-Brief (2018) Brustkrebs: Leere Versprechen. Nr. 6, S. 4


HIV/Aids bleibt eine komplexe Herausforderung

Im Kampf gegen HIV/Aids sind Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung immer noch hohe Hürden. Dies zeigte sich jüngst in Singapur, wo vertrauliche Behandlungsdaten von HIV-positiven PatientInnen an die Öffentlichkeit gelangten.

Datenlecks – seit Monaten beschäftigen sie die deutsche Öffentlichkeit, sei es zu Bundestagsmitgliedern (Bundestags-Leak), Bankengeschäften (Panama Papers) oder Spitzensport (Football Leaks). Wenig Beachtung fand hierzulande allerdings ein Vorfall, der massive Folgen für tausende Betroffene hat.BishanatNight Singapore 20091130 CC Eustaquio Santimano

Ende Januar gab das Gesundheitsministerium von Singapur bekannt, dass persönliche Daten von 5.400 Einheimischen und 8.800 AusländerInnen, die als HIV-positiv getestet wurden, geleakt wurden.[1] Der Datensatz umfasste neben der Diagnose Namen, Adressen, Telefon- und Passnummern sowie teils auch Informationen zu Kontaktpersonen.

Misstrauen und Kriminalisierung

Singapur ist ein konservativ geprägtes Land. Die meisten Menschen mit HIV teilen ihre Diagnose dort nur mit sehr Wenigen. So überrascht es nicht, dass die Menschen, die von dem Leak betroffen waren, in Medienberichten ihre Ängste schilderten, berufliche oder private Probleme zu erleiden.[2] Gleichzeitig fanden sich in der lokalen Presse auch Stimmen, die von starken Ressentiments gegenüber den PatientInnen zeugten.[3] In Singapur ist Sex zwischen Männern durch ein Gesetz aus Kolonialzeiten noch immer verboten. Schätzungsweise die Hälfte der jährlich neu Betroffenen hat sich auf diesem Weg angesteckt.[4] AktivistInnen verweisen darauf, dass dies auch eine direkte Folge der Kriminalisierung ist und versuchen, die alte Regelung vor Gericht zu kippen.

Noch bis 2015 verbot der reiche Stadtstaat HIV-positiven Ausländern komplett die Einreise. Mittlerweile sind Aufenthalte unter drei Monaten möglich. Mutmaßlicher Verursacher des Datenlecks war ein US-Amerikaner, der sich laut Aussage der Behörden illegal in Singapur aufhielt. Der Mann habe in Singapur arbeiten wollen, sei aber schon bei seiner Einreise HIV-positiv gewesen und falle daher per Gesetz unter ein Arbeitsverbot. Laut offiziellen Stellen begann er Blutproben zu fälschen, um einreisen und vor Ort bleiben zu können, ehe ihn die Behörden unter anderem wegen Betruges verurteilten und 2018 abschoben.[5] Über Motive für die Veröffentlichung wurden bislang keine Angaben gemacht. Sein singapurischer Partner, der Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums war und Zugang zu den Daten hatte, steht in den kommenden Monaten vor Gericht.

Kein Einzelfall

Singapur ist kein Einzelfall, wenn es um diskriminierende Einreisebestimmungen für Menschen mit HIV geht. Dies zeigen Nachforschungen der Global Database on HIV-Specific Travel and Residence Restrictions und von UNAIDS. Die für Aids zuständige UN-Organisation arbeitet momentan an einem neuen Bericht zu dieser Form der Diskriminierung von HIV-Positiven. Das letzte Datenblatt konstatierte: „Stand Juni 2015 hielten noch 36 Länder, Territorien und Gebiete Einschränkungen der Reisefreiheit aufrecht.“ [6]

Der beschriebene Fall wirft allerdings auch ein grelles Schlaglicht auf ein gravierendes Problem der HIV/Aids-Prävention. Die toxische Verbindung von Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung erschwert die weltweite Aids-Bekämpfung weiterhin massiv. Peter Wiessner, Mitautor der Global Database, stellt zu den Ereignissen in Singapur fest: „Die Basis von Diskriminierung bilden Irrglaube und Angst. Beim Thema HIV geht es dabei um Drogennutzung, Männern die Sex mit Männern haben und all jene Realitäten, die Länder nicht wahrhaben wollen. Xenophobie spielt ebenfalls eine Rolle.“ [7]

Gefährliche Trias

Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung sind trotz aller Erfolge im globalen Kampf gegen HIV/Aids ein hohes Hindernis. Augenfällig ist dies gerade in Regionen, wo die Zahl der Neuinfektionen steigt, beispielsweise in Teilen Osteuropas, Zentralasien und dem Mittleren Osten. Das durch UNAIDS herausgegebene Global Aids Update 2018 trug auch vor diesem Hintergrund den bezeichnenden Titel „Miles to go“. [8]

Diskriminierung beeinträchtigt zudem die Wirksamkeit von NRO-Arbeit im globalen Süden. Hierbei geht es nicht nur um Gesundheitsprojekte im engeren Sinne, sondern auch um Fragen rund um Menschenrechte und Soziales. HIV/Aids ist ein Querschnittsthema und muss als solches begriffen werden. Entsprechend sind Aspekte wie Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung bei der Arbeit zu Gesundheit als Menschenrecht, ebenso wie bei Maßnahmen zur Förderung von Mädchen und Frauen oder Programmen gegen andere Infektionskrankheiten zu berücksichtigen. Nur so lassen sich die noch existierenden sozialen Hindernisse bei der Bekämpfung der Seuche überwinden. (MK)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.3
Bild © Eustaquio Santimano

[1] Reuters (2019) U.S. citizen leaks data on 14,200 people in Singapore with HIV. www.reuters.com/article/us-singapore-health/u-s-citizen-leaks-data-on-14200-people-in-singapore-with-hiv-idUSKCN1PM17T [Zugriff 12.02.2019]

[2] Deutsche Welle (2019) Entsetzen in Singapur über geleakte HIV-Daten. www.dw.com/de/entsetzen-in-singapur-%C3%BCber-geleakte-hiv-daten/a-47280174  [Zugriff 13.02.2019]

[3] Medical Xpress (2019) Fury at HIV data leak in conservative Singapore. https://medicalxpress.com/news/2019-02-fury-hiv-leak-singapore.html  [Zugriff 12.02.2019]

[4] Ives M (2019) Data breaches dent Singapore´s image as a tech innovator. New York Times 29 Jan www.nytimes.com/2019/01/29/world/asia/singapore-data-breach-hiv.html  [Zugriff 12.02.2019]

[5] Washington Post (2019) An American hid his HIV status to survive in Singapore. Exposed, he allegedly punished thousands living with the virus. www.washingtonpost.com/nation/2019/02/01/an-american-hid-his-hiv-status-survive-singapore-exposed-he-punished-thousands-living-with-virus-authorities-say/?utm_term=.81f8301664a7  [Zugriff 12.02.2019]

[6] UNAIDS (2015) Lifting HIV-related restrictions on entry, stay and residence https://open.unaids.org/sites/default/files/documents/FINAL_TR_A3_press.pdf  [Zugriff 12.02.2019]

[7] South China Morning Post (2019) VISA restrictions for HIV-positive immigrants still in place in dozens of countries. www.scmp.com/lifestyle/travel-leisure/article/2185009/visa-restrictions-hiv-positive-immigrants-still-place [Zugriff 12.02.2019]

[8] UNAIDS (2018) Global AIDS Update 2018. Miles to go – Closing Gaps. Breaking Barriers. Righting Injustices. www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/miles-to-go_en.pdf [Zugriff 12.02.2019]


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