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Neuer Tuberkulose-Report zeigt Lücken

Seit 1997 wirft der Global TB Report der WHO jährlich einen Blick auf die weltweiten Dynamiken bei Tuberkulose (TB). Für das zurück liegende Jahr sieht er einige positive Tendenzen. Doch den globalen Bemühungen fehlt es weiterhin an Nachdruck.

Mitte Oktober veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren jüngsten Bericht zum Stand der weltweiten Tuberkulosebekämpfung. Vieles in den präsentierten Zahlen liest sich positiv: 7 Millionen Menschen und damit so viele wie nie zuvor erhielten 2018 eine Behandlung gegen TB. Die Anzahl an gemeldeten Todesfällen ging zurück, ebenso die Rate neu gefundener Erkrankungen.[1]

Die Kehrseite ist allerdings: Arme PatientInnen werden durch Eigenleistungen oft ruiniert, resistente TB-Stränge sind weiter ein drängendes Problem und nur ein Drittel dieser neu gemeldeten Infektionen werden behandelt.

Finanzierung dringend gesucht

Eine Damoklesschwert stellen die ebenso chronischen wie massiven Finanzierungslücken im Kampf gegen TB dar. Obwohl eine der tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit, bleiben die für TB zur Verfügung gestellten Ressourcen deutlich hinter dem Bedarf zurück. Und neues Ungemach droht: Ein Bericht von Ärzte ohne Grenzen warnte jüngst abermals davor, dass gerade bei Maßnahmen gegen HIV/Aids und TB durch Umstrukturierungen der Förderlandschaft eine verstärkte finanzielle Belastung vieler betroffener Länder erfolgen wird, die diese nicht werden stemmen können.[2]

Selbst das im Oktober erzielte Rekordergebnis der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria (über 14 Mrd. US-Dollar für die kommenden drei Jahre) kann da berechtigte Sorgen nicht zerstreuen. Der Fonds ist mit Abstand der wichtigste Finanzierer von Programmen zur TB-Diagnostik und Behandlung. Allerdings mahnen kritische Stimmen an, dass das 2014 geänderte Vergabeverfahren des Fonds trotz Nachbesserungen für einige Länder erhebliche Einbußen bedeutet, besonders in Osteuropa.[3] Auch der Verteilungsschlüssel für die drei Krankheiten im Fonds ist umstritten und wird wohl ein kritisches Thema für den nächsten Finanzierungszyklus werden.[4]

Nicht gut, aber besser

Ein wenig besser sieht es mittlerweile in der Pipeline bei Forschung und Entwicklung aus. Es werden mehr Ressourcen investiert und die Pipeline ist heute umfangreicher bestückt als noch vor wenigen Jahren.[5]

Doch die einzigen drei wirklich neuen Präparate der letzten Dekaden stehen wegen hoher Preise und Zu­las­sungslücken immer noch nur einem Bruchteil der PatientInnen zur Ver­fügung. Bedaquilin und Delamanid haben in der EU nur eine Zulassung unter Auflagen,[6],[7] weil die Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit unzureichend sind, Pretomanid ist in Europa noch gar nicht zugelassen. Die Hersteller von Bedaquilin (Johnson & Johnson) und Delamanid (Otsuka) sehen sich daher schon lange massiver Kritik ausgesetzt. Preislich steht das mit öffentlichen Mitteln erforschte Pretomanid (TB Alliance) besser da, doch auch hier sind die Behandlungskosten für ärmere Länder eine signifikante Bürde.[8]

Hoffnung wird mittlerweile wieder in einen Impfstoff gesetzt. Jüngst wurden die endgültigen Daten zu einem Impfstoffkandidaten veröffentlicht. Die vom PDP AREAS und GSK geförderte Studie zeigte immerhin eine Halbierung des Auftretens neuer TB-Fälle. Das ist generell für einen Impfstoff keine gute Quote, aber besser als alles, was bisherige TB-Impfstoffkandidaten an Wirkung erzielten. Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Ergebnisse zu bestätigen.[9] Doch selbst bei positivem weiteren Verlauf, würde eine Marktreife erst in einigen Jahren realistisch sein.

Zehrende Zeiten

In den Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN (SDGs) findet sich die Selbstverpflichtung, bis 2030 das Ende von TB zu erreichen. Im Zuge ihres neuen Berichtes hebt die WHO dabei die Bedeutung von Universal Health Coverage (UHC) hervor. So einleuchtend der Zusammenhang ist, wird das UHC-Konzept allein keinen Durchbruch bringen können. Denn, so zeigt es auch der Global TB Report 2019, unverändert bilden soziale Determinanten den wohl wichtigsten Faktor in der Bekämpfung. Als die acht Staaten mit der höchsten TB-Bürde weist die WHO für 2018 Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Südafrika aus. Weiterhin sind global vor allem Länder niedrigen Einkommens sowie marginalisierte Bevölkerungsgruppen betroffen. Der Bekämpfung der Armut kommt also eine hohe Priorität zu.

Das erste WHO High-Level Meeting zu Tuberkulose weckte 2018 große Erwartungen. Doch trotz umfangreicher Bemühungen der Zivilgesellschaft fanden nur wenige Staatsoberhäupter überhaupt den Weg nach New York, auch die finale Deklaration ließ viele AktivistInnen ernüchtert zurück.[10] Ein Jahr später bleibt der Eindruck, dass die globalen Bemühungen gegen TB weiter auf einen Art Befreiungsschlag warten.  (MK)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 7-8/2019, S.1

[1] WHO (2019) Global TB Report 2019. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/329368/9789241565714-eng.pdf?ua=1 [Zugriff 04.11.2019]

[2] MSF (2019) Burden sharing or burden shifting? How the HIV/TB response is being derailed. www.msf.org/burden-sharing-or-burden-shifting [Zugriff 04.11.2019]

[3] OSF (2017) Lost in Transition: Three Case Studies of Global Fund Withdrawal in South Eastern Europe. www.opensocietyfoundations.org/publications/lost-transition [Zugriff 04.11.2019]

[4] DEVEX (2019) New tools, old problems: TB funding gap persists. https://www.devex.com/news/new-tools-old-problems-tb-funding-gap-persists-95854 [Zugriff 07.11.2019]

[5] Policy Cures Research (2018) G-Finder 2018. www.policycuresresearch.org/wp-content/uploads/Y11_G-FINDER_Full_report_Reaching_new_heights.pdf

[6] www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/sirturo

[7] www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/deltyba

[8] Reuters (2019) New tuberculosis treatment for developing countries to cost $1,040. www.reuters.com/article/tb-alliance-tuberculosis/corrected-new-tuberculosis-treatment-for-developing-countries-to-cost-1040-idUSL3N27A3R1  [Zugriff 04.11.2019]

[9] Tait DR et al. (2019) Final Analysis of a Trial of M72/AS01E Vaccine to Prevent Tuberculosis. NEJM. http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1909953

[10] Cousins S (2019) UN High-Level Meeting to end tuberculosis disappointing. Lancet; 392, p 1183 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(18)32458-9


Interview mit Judith Richter

Judith Richter arbeitet seit vielen Jahren zum Thema Interessenkonflikte mit Schwerpunkt auf internationale Organisationen. Wir haben sie befragt, wie sich die Situation in den letzten Jahrzehnten verändert hat, welche negativen Folgen das hat und was zu einer Verbesserung der Lage notwendig wäre.

Ich habe gehört, dass du in den letzten Jahren, versucht hast, das Konzept der Interessenkonflikte auf zahlreichen Konferenzen und in Schulungen zu erklären. Wie und wann begann dein Interesse an diesem Thema?

Als Person, die im Gesundheitsbereich arbeitet, bin ich schon lange an Interessenkonflikten interessiert gewesen, auch wenn ich damals diesen Begriff noch nicht benutzte. Als ich zum Beispiel in den siebziger Jahren Vizepräsidentin des Schweizerischen Pharmaziestudentenverbandes (ASEP) war, verfochten wir die Ansicht, dass Apotheker es ablehnen sollten, ihre Schaufenster von Pharmafirmen dekorieren zu lassen. Wir befürchteten, die KundInnen könnten Apotheken als Outlet von Pharmafirmen ansehen und nicht als Orte, die eine unabhängige Gesundheitsberatung anbieten.

In den 1990er Jahren bat mich IBFAN-Europe (International Baby Food Action Network)[1] zu seinen internen Diskussionen über  Interessenkonflikte beizutragen: Wie könnten IBFAN-Mitglieder zum Beispiel am besten thematisieren, dass die Hersteller von Muttermilchersatzprodukten sowohl Kinderarztverbände als auch deren Weiterbildungen sponserten? Wir diskutierten auch die möglichen  Interessenkonflikte durch finanzielle Verbindungen von StillberaterInnen mit Her­stellern von Milchpumpen.

Damals wurde ich auch von Health Action International Europe eingeladen, meine Bedenken bezüglich des Sponsorings durch Pharmaunternehmen und reiche Unternehmensphilanthropen wie Bill Gates darzulegen.[2]

Das Thema  Interessenkonflikte wurde also schon damals breit diskutiert?

In der Tat. Und etliche ForscherInnen im Bereich  Interessenkonflikte (Conflict of Interest, CoI) betonen, dass der Aufstieg des neoliberalen Wirtschaftsmodells die Anzahl bereits bestehender  Interessenkonflikte noch vergrößert und neue Typen geschaffen hat.

Meine Arbeit als Soziologin zu adäquatem und wirksamem Schutz öffentlicher Interessen – einschließlich der Regulierung von Interessenkonflikten – begann 2002. Damals hatte ich gerade eine längere Beratertätigkeit für UNICEF über die Möglichkeiten effektiver Regulierung der Marketingmethoden transnationaler Säuglings- und Kindernahrungskonzerne beendet.[3] Durch diese Arbeit wurde ich auf die immer engeren Verbindungen von UN-Organisationen mit transnationalen Firmen aufmerksam. Sie riskierten dadurch ihr eigentliches Mandat zu vernachlässigten, die Aktivitäten eben dieser Konzerne durch internationale Regulierungen zu kontrollieren.

Mein Anliegen – und auch zum Beispiel das der finnischen Forscherin Eeva Ollila[4] – war damals, auf die vielfältigen Risiken aufmerksam zu machen, die sogenannte Globale Öffentlich-Private Partnerschaften für Gesundheit (GHPPP) und Multi-Stake­holder Initiativen (MSIs) mit sich bringen: sie untergraben die Fähigkeit öffentlicher Institutionen, im öffentlichen Interesse zu handeln.

Die finnische Regierung bat mich, zu untersuchen, welche Möglichkeiten es gebe, dies abzuwenden. Ich fand heraus, dass die damalige Generaldirektorin der WHO, Dr. Brundtland, den WHO Mitgliedsstaaten versichert hatte, die WHO werde Richtlinien und Trainingskurse entwickeln, um  Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden. Als ich jedoch Mitarbeiter der WHO dazu interviewte, teilten sie mir mit, dass dieses Projekt gestoppt worden war. Ihnen wurde damals eingeimpft, sie sollten transnationale Firmen im Gesundheitsbereich lieber als ‘Partner’ ansehen und nicht als profitorientierte Akteure. Das Achten auf Interessenkonflikte wurde in diesem Modell als Hindernis gesehen, auf ‚flexiblere Art und Weise‘ zu arbeiten. Ein leitender juristischer Funktionär der WHO teilte mir mit, dass die existierenden CoI Definitionen als ‘zu einschränkend’ wahrgenommen würden. Mitarbeiter auf unterer Ebene befürchteten dagegen, dass sie nicht in der Lage sein würden, problematische Vorschläge von Großunternehmen und reichen Sponsoren abzuwehren.[5]

Das motivierte mich, existierende In­teressenkonflikts-Theorien und Richt­linien zu untersuchen. Ich hoffte, das könnte helfen, eventuelle Missverständnisse zu klären, die die WHO davon abhielten, ihre Beziehungen mit Firmen und Unternehmensphilanthropen angemessen zu regulieren.

Etwas später bat mich das Genfer Regionalbüro von IBFAN, zum Paragraph 35 der WHO/UNICEF Globalen Strategie zur Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern zu arbeiten.[6] Dieser Artikel besagt, dass „alle Partner zusammenarbeiten sollten“ – auch indem sie Allianzen und „Partnerschaften“ formen – „im Einklang mit akzeptierten Prinzipien zur Vermeidung von  Interessenkonflikten.“ Jedoch waren diese Prinzipien nirgendwo präzisiert. Ich untersuchte, wie man hier Abhilfe schaffen könnte und veröffentlichte “Conflicts of Interest and Policy Implementation – reflections from the fields of health and infant feeding“.[7]

Kannst du eine brauchbare Definition von Interessenkonflikten geben?

In oben genannter Publikation wies ich im Wesentlichen auf drei Definitionen hin: Eine wurde entwickelt für den öffentlichen Dienst in den Ländern der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung[8] (OECD) und zwei Definitionen stammen aus dem Bereich der Gesundheit.

Die erste Definition, wurde entwickelt von dem politischen Philosophen Professor Dennis F. Thompson.[9] Ich fand seine Definition von  Interessenkonflikten als Konflikten zwischen primären und sekundären Interessen nützlich, um zu erklären, warum man über Konflikte von „Interessen“ spricht. Diese Definition hat sich mit geringfügigen Änderungen seitdem weit verbreitet durch den Bericht des Kommitees des US Institute of Medicine (IoM) zu Interessenkonflikten in der medizinischen Forschung, Ausbildung und Praxis.[10] „Interessenkonflikte sind definiert als Gegebenheiten, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse beziehen, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beieinflusst wird“ [11]

Wie du weisst, haben kritische deutsche ÄrztInnen die Thompson-IoM Definition in ihrer Arbeit zur besseren Identifizierung von  Interessenkonflikten im medizinischen Bereich übernommen und viele nützliche Ratschläge weiterentwickelt. [11]

Die andere Definition, die ich damals fand, wurde von dem Rechtsprofessor Marc Rodwin formuliert. Sein Buch „Medicines, Money & Morals: Physicians‘ Conflicts of Interest“ [12] wurde 1993 veröffentlicht, im gleichen Jahr wie der vielzitierte Artikel von Thompson. Rodwin fasste seine Konzeption kürzlich nochmals wie folgt zusammen: „Ein  Interessenkonflikt existiert, wo ein Individuum eine Verpflichtung hat, einer Partei zu dienen oder eine Rolle zu spielen, und das Individuum andererseits: 1) Anreize oder 2) widersprüchliche Loyalitäten hat, die das Individuum ermutigen, in einer Art und Weise zu handeln, mit der es seine Verpflichtungen bricht.“ [13]

Wie mir Professor Rodwin erklärte, folge er damit der Begriffsauffassung, die im amerikanischen Recht seit dem 20. Jahrhundert üblich ist. Diese rechtliche Definition ist etwas komplexer, das stimmt. Das US Institute of Medicine hatte die Thompson-IoM Definition als die „zweckmäßigste“ hervorgehoben. Ich hatte nie die Gelegenheit zu fragen, warum die IoM Komission anscheinend die Konzeption von Professor Rodwin nicht in ihrer Arbeit berücksichtigt hat. Ich empfand Rodwins Zusammenfassungen der rechtlichen Definitionen als überaus hilfreich, um das Wesen von Interessenkonflikten besser zu verstehen und vor allem, Möglichkeiten ihrer effektiven Vermeidung und Regulierung aufzuzeigen.

Ich plädiere heute mehr als je dafür, die Regulierung von Interessenkoflikten auf eine solche traditionell-rechtliche Definition zu gründen. Der Hauptgrund ist, dass sie die Verpflichtungen/Pflichten als Schlüsselreferenz klar hervorhebt. In einem neueren Artikel drückte Professor Rodwin seine Beunruhigung darüber aus, dass die Thompson-IoM Definition Probleme schaffe, mit ihrer Beschreibung eines Interessenkonfliktes als einem Konflikt zwischen “primären“ und “sekundären“ Interessen und nicht als einem„Konflikt zwischen Verpflichtungen und Interessen“.[14] In der Tat, Verpflichtungen beziehen sich auf eine völlig andere Ebene als „sekundäre“ finanzielle Interessen.

Um Rodwin’s rechtliche Definition anwenden zu können, müssen wir die rechtlichen und grundlegenden ethischen Pflichten der Individuen präzisieren. So können wir am besten sehen, ob ein Einzelner finanzielle Verbindungen oder geteilte Loyalitäten hat, die mit diesen Pflichten in Konflikt stehen.[15]

Grundlegende ethische Prinzipien in Gesundheitsberufen sind z.B. das uralte Diktum: „Als erstes füge keinen Schaden zu“ und auch die Pflicht, verständliche Information und Rat zu geben, die voll und ganz im Interesse der Gesundheitssubjekte sind.

Mit diesem umfassenderen Konzept wäre das derzeitige Chaos in der globalen Gesundheitspolitik vielleicht vermieden worden. Zum Beispiel die Tatsache, dass es heute ein Hybrid zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, die sogenannte Scaling-Up Nutrition (SUN) „Multi-stakeholder Plattform“ oder „Bewegung“ gibt, die ursprünglich als PP PPP – principled, peoples public-private partnership – lanciert wurde.[16] Hier werden „gemeinsame“ Belange zum Referenzpunkt von  Interessenkonflikt-Regulierung erklärt und diese fragwürdige Interpretation in den Ländern verbreitet, die zu SUN-countries erklärt wurden.[17]

Es geht also um die Notwendigkeit, grundlegende rechtliche und ethische Pflichten für einzelne Angehörige der Gesundheitsberufe auszubuchstabieren? Wie würde das aussehen für Leute, die bei internationalen Organisationen arbeiten, bei der UN oder der WHO?

Ich habe bisher nur ein erstes Beispiel gegeben für weithin anerkannte und richtungsweisende ethische Prinzipien für Gesundheitspersonal. Für alle, die im internationalen Gesundheitsbereich tätig sind, gilt natürlich der Grundsatz, der als erster in der Verfassung der WHO verankert ist: es geht um den Schutz und die Förderung unser aller Menschenrecht auf Gesundheit.

Manche Personenkreise brauchen noch einen besonderen Schutz. Für diejenigen, die sich mit Kinderernährung befassen, im politischen Bereich, aber auch für KinderärztInnen und Stillberaterinnen, gelten daher zusätzliche Verpflichtungen, die sich aus den Verfassungen der UN und der WHO und aus Menschenrechtsdokumenten und relevanten Kodices und ergeben.

Die Kinderrechtskonvention der UN (CRC) fordert z.B. alle gesellschaftlichen Akteure dazu auf, immer „im besten Interesse des Kindes“ zu handeln. Sie schreibt auch „das Recht des Kindes auf einen bestmöglichen Gesundheitszustand“ fest oder die Verpflichtung „sicherzustellen, dass alle Bereiche der Gesellschaft, insbesondere Eltern […] informiert und unterstützt werden im Hinblick auf Grundwissen über Kindergesundheit und -ernährung, [und] die Vorteile des Stillens.“ (Art. 24.1 und 24.2e).[18]

Gibt es andere Gründe, eine rechtliche Definition zu bevorzugen?

Ein zweiter Grund ist, dass nicht nur Professor Rodwin, sondern inzwischen auch die Rechtsprofessorin Anne Peters empfiehlt, Loyalitäten in die Konzeptualisierung von CoI einzubeziehen. Das ist eine ihrer Schlussfolgerungen aus theoretischen Überlegungen zum Thema  Interessenkonflikte in „Global Governance“.[19] Die Thompson-IoM Definition kann dazu führen, Probleme zu übersehen, die durch geteilte oder sich widersprechende Loyalitäten entstehen.

Finanzielle  Interessenkonflikte sind relativ einfach zu verstehen. Sie werden durch alle möglichen Arten von Anreizen geschaffen. Die Forschung aus vielen Berufsfeldern hat gezeigt, dass finanzielle Anreize – oder Beziehungen – uns dazu verleiten können, wissentlich oder unbeabsichtigt auf eine Art zu handeln, die unsere Verpflichtungen verletzt gegenüber denjenigen, die von unserem Urteil abhängen.

Definitionen von Interessenkonflikten, die die Frage von Loyalitäten einschließen, sind etwas komplizierter. Aber sie beschreiben genauer, wie zum Beispiel Gesundheitsfachkräfte ihre Loyalität gegenüber der Person, der sie zu dienen haben, aufspalten, weil sie in potenziell sich widersprechenden Rollen stecken.

Ein viel zitiertes Beispiel ist der Rollenkonflikt von Ärzten, die als Forscher an einem neuen Arzneimittel arbeiten, während sie sich gleichzeitig um das kranke Forschungssubjekt kümmern. Auch im öffentlichen Gesundheitsbereich übernehmen Gesundheitsfachkräfte oder Behördenvertreter oft sich widersprechende Rollen. Seit das Partnerschaftsmodell sich im internationalen Gesundheitsbereich verbreitet hat, ist es nicht unüblich, dass ein und dieselbe Person Fundraising betreibt, und gleichzeitig Hauptakteur bei der Ausarbeitung von Richtlinien für die Beziehung zwischen öffentlichen Institutionen & privaten Geldgebern ist – und eventuell auch noch eingeladen wird, die politische Debatte zu beeinflussen. Ich frage mich oft, welche Folgen das bisher schon hatte.

Wenn Loyalitätsprobleme gezielter angesprochen würden, könnte man sagen, dass viele UN-Mitarbeiter in den vergangenen 20 Jahren in eine Position gespaltener Loyalität gedrängt wurden. Das Modell hinter den globalen PPPs oder „Multi-Stakeholder Partnerschaften“ (MSPs) oder „Plattformen“ fordert von ihnen, im Geist des Vertrauens“ ( „spirit of trust“ oder sogar nach einem für alle Akteure verbindlichen „principle of trust“) zu handeln und „Win-Win-Situationen“ im Interesse beider Seiten zu sichern.

Das Verständnis, dass es die Aufgabe von Amtsträgern, UN FunktionärInnen und GesundheitsexpertInnen ist, zu gewährleisten, dass der Umgang mit kommerziellen Akteuren ganz im Interesse derjenigen ist, denen gegenüber sie eine Treuepflicht haben, wurde allmählich untergraben. Auch der Grundsatz, einen gebührenden Abstand (arms-length) zwischen öffentlichen und kommerziellen Akteuren einzuhalten, ist im Zeitalter des „Verpartnerns“ verloren gegangen – ebenso die Einsicht, dass solche Interaktionen Wachsamkeit (vigilance) und nicht blindes Vertrauen erfordern.

Das hört sich alles ein bisschen kompliziert an. Gibt es eine einfachere Art, die Botschaft näher zu bringen?

Seit IBFAN mich zum ersten Mal bat, Interessenkonflikte in öffentlich-privaten „Partnerschaften“ und „Allianzen“ zu erklären, begann ich populäre Sprüche zu sammeln. Das IBFAN-Netzwerk hat Mitglieder in der ganzen Welt und so bekam ich Beispiele in vielen Sprachen, die alle zur Bebilderung der Problematik benutzt werden können: Zum Beispiel, “wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ oder “du beißt nicht die Hand, die dich füttert“.

In Deutschland sagen wir auch:  „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ Gemeinhin ist es also bekannt, dass auch kleine Gaben ein Gefühl der Verpflichtung hinterlassen. Die Forschung hat in der Tat gezeigt, dass wir gewöhnlich das Ausmaß unterschätzen, in dem sogar geringfügige finanzielle Zuwendungen und Geschenke unsere Urteile im Interesse derjenigen verschieben, die sie machen. Firmen bauen auf das, was die Theorie des Interessenkonflikts den ‚blinden Fleck der Voreingenommenheit’ (bias blind spot) nennt.Gespaltener Kopf Lhotski M

Vor kurzem präsentierte ich auf einer IBFAN-GIFA Pressekonferenz einfache Bilder zu Interessenkonflikten in der Global Health Governance, die Interessierte im Internet ansehen können.[20] Ich ermutige die Leserinnen und Leser des Pharma-Briefes, sich auch den Beitrag von Professor David Klemperer auf dieser Pressekonferenz anzusehen. Er zitiert Schulungsmaterial von Pharmafirmen, das Pharmavertreter lehrt, bei Ärzten freundschaftliche Gefühle zu wecken, indem sie sie z.B. zum Essen einladen, dabei aber selbst nie zu vergessen, dass diese Beziehung rein kommerzieller Natur ist.

Schaut euch auch die Abbildung einer Person mit einem Spalt im Kopf an. Sie illustriert sehr gut die Tatsache, dass der Interessenkonflikt letztlich in unserem Kopf stattfindet. Das Bild macht deutlich, dass Leute von außen nicht sehen können, was in unseren Köpfen passiert, ob und in welchem Grad wir durch gewisse finanzielle Beziehungen oder gespaltene Loyalitäten beeinflusst werden.

Und das ist der Grund, warum gute Regelwerke zu Interessenkonflikten versuchen, Interessenkonflikte zu identifizieren und bestmöglich zu vermeiden, ehe Schäden verursacht werden.

Professorin Anne Peters betont, ein effektives Konzept darf die Definition nicht ausufern lassen. Ein  Interessenkonflikt sei letztlich ein Konflikt im Inneren von Menschen und Institutionen, die öffentliche Interessen vertreten und nicht zwischen ihnen und kommerziellen Akteuren. Sie weist darauf hin, dass manche Theoretiker Konflikte zwischen Akteuren als widersprüchliche, konfligierende Interessen bezeichnen. Im Englischen wäre das eine Unterscheidung zwischen Conflicts of Interest (CoIs) and Conflicting Interests.

Durch diese Unterscheidung würde wieder klar, dass wir eine Debatte über zwei verschiedene Dinge führen müssten: Auf der einen Seite über die vernachlässigten  Interessenkonflikte in der internationalen Arena; auf der anderen Seite darüber, dass es einen fundamentalen Unterschied gibt zwischen den Fiduciary duties – den Treuepflichen – von öffentlichen Institutionen und denen von Großunternehmen, die ihren Aktionären gegenüber die Verpflichtung haben, den Profit zu mehren. Beide Problematiken werden im neoliberalen Partnerschaftsmodell bewusst verdrängt und Kritiker mundtot gemacht.

Kannst du mir erklären, warum sich alle, die sich mit internationaler Gesundheitspolitik beschäftigen, Inte­ressenkonflikte in den Fokus nehmen sollten?

Weil die bestmögliche Vermeidung von CoIs ein Grundpfeiler professioneller Integrität ist. Ich möchte dazu ermutigen, sich Fragen anzuschauen, die in Diskussionen um Interessenkonflikte aufkamen. Zum Beispiel hat die Forschung gezeigt, dass Ärzte, die finanzielle Zuwendungen von Pharmafirmen erhalten, dazu tendieren, zwei Dinge zu tun: Vorzugsweise das Arzneimittel der sponsernden Firma zu verschreiben, selbst wenn es nicht das Beste für eine bestimmte Krankheit ist – und zu viel zu verschreiben. Das bedeutet, sie tendieren dazu, mehr Tabletten zu verordnen als die Leute brauchen.

Ein anderes wichtiges Beispiel ist die Debatte um Muttermilchersatzprodukte. Darauf kann man sich bis heute berufen. Die WHO konnte Anfang der 1980-er Jahre noch mit Hilfe von UNICEF einen internationen Kodex für Marketingmethoden verabschieden.

Danach haben diese Firmen mit Hilfe ihrer politischen PR-Experten eine Strategie ent­wickelt, die andere Firmen im Gesund­heitsbereich kopierten und immer weiterentwickelten, um die Ver­ab­schiedung weiterer spezifischer inter­nationaler Verhaltenskodizes zu ver­hindern. Einzige Ausnahme ist die Tabak-Konvention.

Interessant ist wie in der internationalen Säuglingsnahrungsdebatte weitere relevante Resolutionen der Weltgesundheitsversammlung gezielt  Interessenkonflikte ansprachen. Eine Zusammenfassung machte unlängst der UNICEF-Jurist David Clark. Diese Zusammenfassung könnte auch die Debatte von  Interessenkonflikten bezüglich anderer „commerciogenic diseases“ – von kommerziellen Praktiken erzeugten Krankheiten – beleben.[21]

Wie kann man am besten über Inte­ressenkonflikte sprechen?

Das ist nicht so einfach. Wenn ich das Thema anspreche, ist die Reaktion oft „jetzt kommt die schon wieder mit ihrer alten Leier.“

Es geht leider nicht nur um Reaktionen von PolitikerInnen, FunktionärInnen und WissenschaftlerInnen, die Gelder von der Industrie oder den großen Venture-Philanthropy Stiftun­gen von Gates und Ted Turner erhoffen. Viele GesundheitsaktivistInnen scheinen die Identifizierung und effektive Regulierung von  Interessenkonflikten für eine Detailarbeit zu halten, die ihre schon überstrapazierten Kräfte zu sehr in Anspruch nimmt.

Ich habe auch lange gedacht, es sei zwar wichtig, immer wieder auf krasse  Interessenkonflikte aufmerksam zu machen und das Bewusstsein für die allgemeine Problematik aufrechtzuerhalten, aber es sei am besten, die konkrete Ausformulierung von Regu­lierungs-Werken Spezialisten zu über­lassen. Inzwischen musste ich miterleben, wie die WHO bei der Ausar­bei­tung ihres Frameworks for Interaction with non-State Actors (FENSA) und bei dem Modellvorschlag, wie mit  Inte­ressenkonflikten in nationalen Ernährungsmitteldebatten (conflict of interest tool) umgegangen werden soll, das Interessenkonflikts-Konzept bewusst uminterpretiert hat und es, trotz aller Kritik, als Konflikt zwischen Akteuren definiert.[22] Ratschläge von Aktionsgruppen und ExpertInnen, die die Probleme der WHO Konzeption kritisierten, wurden dabei bewusst ignoriert.[23],[24]

Ich habe heute dazu noch die bange Frage: Gibt es eigentlich noch genügend Spezialisten zu  Interessenkonflikten, die den theoretischen und praktischen Nachholbedarf in der Behandlung der Fragen leisten können oder wollen? Wie weit beinträchtigt der Druck auf akademische Einrichtungen, Drittmittel einzuwerben, ihre Fähigkeit das neoliberale Modell und damit zusammenhängende Fragestellungen zu untersuchen und kritisieren?

Dennoch finde ich, dass es wichtig ist, nicht aufzugeben. Menschen die im Gesundheitsbereich arbeiten, ob als ÄrztInnen oder Gesundheitspersonal, ob als PolitikerInnen, Beamte oder AktivistInnen, sollten daran erinnert werden, dass die Regulierung von  Interessenkonflikten einen unerlässlichen Schutz darstellt, ausschließlich im besten Interesse von denen arbeiten zu können, die ihrem Urteil vertrauen können müssen: den Patientinnen und Patienten. Letztendlich sind alle Menschen auf ein funktionierendes, bezahlbares Gesundheitssystem angewiesen.

Wir können heute nicht auf die WHO hoffen, die Probleme anzugehen?

Ja, leider. Die WHO ist, nachdem sie das Thema lange vernachlässigt hat, zur aktiven Umdefininition von  Interes­senkonflikten übergegangen.

Es geht nun darum, zu verhindern, dass nationale und berufständische Regulierungen zu  Interessenkonflikten ebenfalls untergraben werden. Das ist besonders zu befürchten, wenn diese Akteure in Multi-Stakeholder Partnerschaften eingebunden werden.

Das muss nicht heißen, dass nun alle BürgerInnen ExpertInnen in Sachen  Interessenkonflikte werden müssen. Aber es gibt ein Werkzeug aus diesem Bereich, dass jedeR von uns verwenden kann. Es heißt „reasonable person test“ – ein Test durch eine vernünftige Person, nachdem sie alle relevanten Informationen erhalten hat. Als Grundlage könnten die obengenannten OECD Leitlinien über Interessenkonflikte im Öffentlichen Dienst8 dienen, die fordern, dass öffentliche Einrichtungen gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig sind (public scrutiny). Sonst gehe das Vertrauen in diese Institutionen verloren.

Dies ist eines der Schlüsselprinzipien im Umgang mit  Interessenkonflikten im öffentlichem Bereich. Und da sehe ich einen Ansatzpunkt, wie jeder von uns zur Vermeidung und besseren Regulierung von  Interessenkonflikten beitragen kann. Die Theorie des Interessenkonflikts besagt, dass jede Situation, die Gesundheitsfachleute oder die besorgte Öffentlichkeit als Interessenkonflikt wahrnehmen, untersucht werden muss und damit verbundene Fragen geklärt werden müssen.

Stellt z.B. eine Liste all der Situationen auf, die ihr als Interessenkonflikt wahrnehmt. Das kann helfen zu klären, welche Probleme  Interessenkonflikte im rechtlichen Sinne sind, und welche andere Fragen eventuell noch angesprochen werden müssen, auch wenn sie nicht unter CoIs im engeren Sinne fallen. Dieses anerkannte OECD Prinzip könnte der derzeitigen Tendenz entgegenwirken, Menschen und Gruppen, die  Interessenkonflikte oder konfligierende Interessen ansprechen, aktiv aus der Debatte auszuschließen oder ihnen die Gelder zu streichen.

Viele Angehörige der Gesund­heits­berufe und öffentlich Bedienstete weisen heute darauf hin, dass es für sie schwierig ist, Interessenkonflikte bei ihrer Tätigkeit zu vermeiden, weil ihre Ein­richtung in einer engen Beziehung zu kommerziellen Akteuren steht. Was könnte man dagegen machen?

Einige TheoretikerInnen behandeln dieses Problem unter der Bezeichnung „institutioneller Interessenkonflikt“,10 andere innerhalb des weiteren Rahmens „institutioneller Korruption“ (die sich von Korruption im engeren Sinne unterscheidet).[25],[26]

Es ist unfair und unrealistisch, zu erwarten, dass Individuen Interessenkonflikte komplett vermeiden können, so lange nichts gegen die Ursachen unternommen wird, die dafür sorgen, dass solche Konflikte exponenziell zunehmen. Es ist höchste Zeit, an die Politik heranzutreten, um zu einer wirksamen Regelung von Interessenkonflikten im Bereich der internationalen Gesundheitspolitik zu kommen..

Die wichtigste Ursache für die Zunahme von Interessenkonflikten in der inter­nationalen Gesundheitsarena ist die Hegemonie des Public-Private-Part­nerschafts-Modells. Es ist ein Teil der neoliberalen Umstrukturierung unserer Gedankenwelt und Institutionen, die seit Ende der 1980er Jahre weltweit stattgefunden hat. Eine breitere öffentliche Debatte über  Interessenkonflikte kann weitere Probleme in diesem Zusammenhang ansprechen. Sie könnte Forderungen nach lange vernachlässigten Instrumenten wie „cooling off periods“ für öffentlich Bedienstete, bevor sie in den Privatsektor wechseln und umgekehrt, dem Schutz von Whistle-blowers und dem Zugang zu wichtigen Informationen im Sinne des amerikanischen Freedom of Information Acts neuen Aufwind verleihen.

Eine solche Debatte würde auch die Absurdität und Gefahr der Idee enthüllen, Großfirmen zu „Richtern in eigener Sache“ zu machen, das heißt, sie z.B. als Partner in die Regulierung ihrer eigenen problematischen Geschäfts- und politischen Praktiken einzubinden – eine Praxis, die sicher entscheidend dazu beigetragen hat, eine wirksame internationale Regulierung der Vermarktung dickmachender Produkte seit 2004 zu verschleppen.

Das Interview führten Claudia Jenkes und Jörg Schaaber.

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 9/2019, S.2

Bild © Lida Lhotski

 

[1] www.ibfan.org

[2] Richter J (1999) Sponsorship as corporate engineering of consent strategy. In: The ties that bind? Weighing the risks and benefits of pharmaceutical industry sponsorship. Amsterdam: Health Action International (HAI Europe)

[3] Richter J (2001) Holding corporations accountable: Corporate conduct, international codes, and citizen action. London and New York: Zed Books. Für Briefing paper, basierend auf Buch www.thecornerhouse.org.uk/sites/thecornerhouse.org.uk/files/26codes.pdf

[4] Ollila E (2003). Global-health related public-private partnerships and the United Nations, Globalism and Social Policy Programme (GASPP), University of Sheffield., 8 pp. http://praha.vupsv.cz/fulltext/ul_303_2.pdf

[5] Richter J (2004) Public-private partnerships and international health policy making: How can public interests be safeguarded? Helsinki: Ministry for Foreign Affairs of Finland, Development Policy Information Unit www.webcitation.org/query.php?=http://global.finland.fi/julkai/pdf/public_private2004.pdf&refdoi=10.1186/1744-8603-1-6 Kurzfassung Public-private partnerships and Health for All How can WHO safeguard public interests? siehe www.aaci-india.org/Resources/Public-Private-Partnerships-and-Health-for-All.pdf

[6] WHO/UNICEF (2003) Global strategy for infant and young child feeding. Geneva, World Health Organization www.who.int/maternal_child_adolescent/documents/9241562218/en/ , publications

[7] Richter J (2005) Conflicts of interest and policy implementation: reflections from the fields of health and infant feeding. Geneva, IBFAN-GIFA, 2nd ed. www.aaci-india.org/Resources/Conflicts-of-Interest-and-Policy-Implementation-judith-ritcher.pdf

[8] OECD (2003) OECD Guidelines for Managing Conflict of Interest in the Public Service in OECD (2005) Managing Conflict of Interest in the Public Sector. Paris: OECD, p 95-110 www.oecd.org/gov/ethics/managing-conflict-of-interest-in-the-public-sector-9789264018242-en.htm

[9] Thompson, DF (1993) Understanding Financial Conflicts of Interest. N Engl J Med 329, p 573 http://med.stanford.edu/content/dam/sm/bioethics/resources-secure/Thompson2006NEJM.pdf

[10] Lo B and Field MJ (editors) (2009) Institute of Medicine (US) Committee on Conflict of Interest in Medical Research, Education and Practice. Conflict of interest in medical research, education and practice. Washington DC, National Academics Press. www.ncbi.nlm.nih.gov/books/N

[11] Lieb et al. (2018) Interessenkonflikte, Korruption und Compliance im Gesundheitswesen. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.

[12] Rodwin MA (1993) Medicines, Money & Morals: Physicians‘ Conflicts of Interest. Oxford: Oxford University Press

[13] Rodwin MA (2017) Attempts to redefine conflicts of interest. Legal Studies Research Paper Series. Research Paper, Suffolk University Law School. 7 December https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3084307

[14] Rodwin MA (2017) Attempts to redefine conflicts of interest. Legal Studies Research Paper Series. Research Paper, Suffolk University Law School. 7 December https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3084307

[15] Beispiel einer Checkliste für  Interessenkonflikte: Rodwin M (2019) Conflict of Interest in the Pharmaceutical Sector: A Guide to Public Management. Legal Studies Research Paper Series(Research Paper 19-3) https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3317603

[16] Lhotska L et al. (2012) Conflicts of Interest and Human Rights-Based Policy Making: the Case of Mater-nal, Infant, and Young Children’s Health and Nutrition, Right to Food and Nutrition Watch, Issue 7, p 31-36 www.righttofoodandnutrition.org/files/R_t_F_a_N_Watch_2012_eng.pdf Zusammenfassung unter www.fian.org/fileadmin/media/publications_2015/FIAN_Right_to_Food_Journal_Vol_7_No._1.pdf p 8

[17] Richter J (2015) Conflicts of interest and global health and nutrition governance - The illusion of robust principles. BMJ, RR, 12 February. www.bmj.com/content/349/bmj.g5457/rr

[18] UNICEF (1989/90) United Nations Convention for the Rights of the Child (CRC) www.unicef.org/child-rights-convention/convention-text

[19] Peters A (2012) Conflict of interest as a cross-cutting problem of governance & Conclusion. In: Peters & Handschin. Conflicts of interest in global, public and corporate governance. Cambridge & New York: Cambridge University Press: S. 3-38 & 357-421

[20] IBFAN-GIFA (2018) Health governance in the public interest? WHO redefines conflicts of interest and risks undermining public health mandates. Press Conference, Geneva, Geneva Press Club/Club Suisse de la Presse. www.gifa.org/press-conference-health-governance-in-the-public-interest-who-redefines-conflicts-of-interest-and-risks-undermining-public-health-mandates (hier finden sich auch ausführlichere Powerpoint-Präsentationen)

[21] Clark D (2017) Avoiding Conflict of Interest in the in the field of Infant and Young Child Feeding: better late than never. World Nutrition; 8

[22] Richter J (2015) Time to debate WHO’s understanding of conflicts of interest. BMJ RR (22 October) www.bmj.com/content/348/bmj.g3351/rr

[23] Lhotska L and Gupta A (2016) Whose health? The crucial negotiations for the World Health Organization’s future. APPS Policy Forum. www.policyforum.net/whose-health

[24] Richter J (2017) Comments on Draft Approach for the prevention and management of conflicts of interest in the policy development and implementation of nutrition programmes at country level. www.who.int/nutrition/consultation-doi/judith_richter.pdf

[25] JLME Special Issue (2013) Institutional Corruption and the Pharmaceutical Industry. Journal of Law Medicine and Ethics (JLME) https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2298140

[26] Marks J (2019) The Perils of Partnership: Industry Influence, Institutional Integrity, and Public Health USA.Oxford: Oxford University Press

Weiteres relevantes Material

IBFAN-GIFA www.gifa.org/international/conflits-dinterets
Publikationen von Judith Richter: www.ibme.uzh.ch/en/Biomedical-Ethics/Team/Affiliates/judithrichter.html


German Health Alliance der Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft will die globale Gesundheit stärken, so die Eigenwerbung der neu gegründeten „German Health Alliance“.[1] NGOs und staatliche Träger der Entwicklungshilfe sind mit im Boot. Wem nützt dieses „Public Private Partnership“ (PPP)?

Eigentlich ist die vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) gegründete „German Health Alliance“ (GHA) nicht ganz frisch. Sie bündelt die Aktivitäten des BDI aus drei schon länger bestehenden Exportförder-Part­nerschaften, darunter dem German Healthcare Partnership (GHP).[2] Letzteres war wiederum Ideengeber für den „Global Health Hub Germany“,
der vergangenes Jahr formal vom Bundesgesundheitsministerium ins Leben gerufen wurde (wir berichteten [3],[4]).

Etwas verwirrt über die vielen „Partnerschaften“? Dahinter könnte Methode stecken: Es kann gar nicht genug Foren geben, in denen man seine Meinung zu Gehör bringt. Um dem Ganzen mehr Legitimität zu verleihen, holt man sich einige NGOs an Bord und verstrickt Bundestagsabgeordnete – ein paar WissenschaftlerInnen als Garnitur machen sich auch nicht schlecht.

Die Industrie versucht mit aller Macht, den Diskurs über globale Gesundheit in ihr genehme Bahnen zu lenken. Die „German Health Alliance“ wird am 26.11.2019 aus der Taufe gehoben. Thema der Veranstaltung: „Deutschlands Rolle und Verantwortung in Globaler Gesundheit“. Als Ziel wird ausdrücklich genannt, „die Zusammenarbeit zu stärken und gemeinsam neue Wege zu beschreiten.“[5]

Es geht nicht nur um Exportförderung der deutschen Pharma- und Medizintechnikindustrie, sondern auch um möglichst günstige Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft. Durch den UN-Beschluss, Gesundheitsversorgung für alle (UHC[6]) hoch auf die politische Agenda zu setzen, locken größere Märkte.

Angesichts der massiven Kritik an hohen Preisen für Medikamente weltweit gilt es, eine harte Regulierung der Geschäfte zu verhindern. Und was hilft da besser, als möglichst viele AkteurInnen an den Tisch zu holen, um sie für die eigenen Zwecke einzuspannen. Und selbst wenn das nicht gelingt, hält man die Leute so beschäftigt.

Die GHA rühmt sich auch der engen Kooperation mit dem World Health Summit.[7] Dieses industrielastige jährliche Treffen zu globaler Gesundheit wird von Prof. Detlev Ganten, Vorsitzender des Stiftungsrats der Charité, geleitet. Was liegt da näher, als dass die GHA ihm am 26.11. auch den „German Global Health Award“ verleiht? Überreicht wird der Preis von Gesundheitsminister Jens Spahn. Die Laudatio hält Prof. Karl Max Einhäupl, ehemaliger Vorstandsvorsitzender, Charité. Ganten ist übrigens auch im Advisory Board der GHA – so schließen sich die Kreise.  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 9/2019, S.1

[1] https://gha.health/ [Zugriff 19.11.2019]

[2] Die anderen sind German Healthcare Export Group (GHE) und die German-Sino Healthcare Group (GSHCG)

[3] Pharma-Brief (2018) Abgekartetes Spiel. Nr. 8/9, S. 1

[4] Pharma-Brief (2019) Gesundheitshub krankt. Nr. 4/5, S. 4

[5] GHA (2019) https://gha.health/wp-content/uploads/Programm_26112019_deutsch.pdf [Zugriff 19.11.2019]

[6] Universal Health Coverage

[7] https://ghp-initiative.de/about-us/ [Zugriff 20.11.2019]


Schwachstellen bei Arzneimittelversorgung

Längst nicht alles, was in Deutschland zu Lasten der Krankenkassen verordnet wird, ist auch sinnvoll. Und oft steht der Preis in keinem Verhältnis zum Nutzen. Das macht der Arzneiverordnungs-Report 2019 (AVR) deutlich.AVR 2019 bunt

41,2 Mrd. € gaben die gesetzlichen Krankenkassen 2018 für Arzneimittel aus,[1] das sind 3,2% mehr als im Vorjahr. Dabei machten patentgeschützte Arzneimittel nur 6,6% aller verordneten Tagesdosen aus, verursachten aber fast die Hälfte der Kosten (46,2%) – Tendenz rasch steigend. Von 2008 bis 2018 verdreifachte sich der Preis pro Rezept. Deshalb setzt sich der AVR auch besonders intensiv mit diesem Marktsegment auseinander.

Eine Analyse der 2018 neu zuge­las­senen Arzneimittel macht den Spreng­stoff deutlich: Würden alle PatientInnen, die für eine Behandlung in Frage kommen, diese neuen Mittel verschrieben bekommen, würde das die Kassen 52,9 Mrd. € kosten[2] – also mehr als bislang insgesamt für Arzneimittel ausgegeben wird.

Dabei hat jedes dritte Medikament laut Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) keinen Zusatznutzen. Und selbst wenn Vorteile erkennbar sind,  profitieren häufig nur bestimmte PatientInnengruppen. Das gilt zum Beispiel für Erenumab, das zur Migräneprophylaxe eingesetzt wird. 2,4 Millionen MigränepatientInnen gibt es. Würden alle Erenumab gespritzt bekommen, müssten die Kassen dafür unfassbare 30,3 Mrd. € zahlen. Vorteile bietet das Medikament aber nur für eine sehr kleine Gruppe: rund 14.000 -15.000 Personen, denen andere Mittel zur Vorbeugung nicht geholfen haben.

Wobei die Bewertung neuer Arzneimittel alles andere als einfach ist. Oft winkt die europäische Zulassungsbehörde EMA neue Medikamente auf Basis von spärlichen Daten durch. Da wird nur gegen Placebo getestet, statt gegen die etablierte Therapie. Oder es wird gar nicht gemessen, was den PatientInnen wirklich nützt, sondern nur die Verbesserung von Laborwerten oder anderen Surrogaten. Besonders deutlich wird die Evidenzlücke im Bereich der Krebsmedikamente, die oft als Orphan Drugs – also Medikamente gegen seltene Erkrankungen – auf den Markt kommen. Warum in diesem Bereich auf EU-Ebene gesetzliche Verbesserungen notwendig sind, das analysiert der AVR ausführlich.

Es ist aber nicht alles schwarz: Durch Arzneimittelfestbeträge konnten 2018 Einsparungen in Höhe von 8,2 Mrd. € erzielt werden und auch die Preisverhandlungen nach den Nutzenbewertungen entlasteten die Versicherten  um 2,7 Mrd. €. 

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2019, S. 7
Titelbild Arzneiverordnungs-Report 2019
© Springer

[1] Einschließlich Zuzahlungen der Versicherten

[2] Berechnet für die 30 Mittel, für die eine Nutzenbewertung vorliegt.


UN verletzt eigene Prinzipien durch fragwürdige Kooperationen

Public-Private-Partnerships[1] (PPPs) zwischen staatlichen und privaten Akteuren finanzieren weltweit zahlreiche (semi-)öffentliche Projekte. Ein kürzlich erschienenes Arbeitspapier von MISEREOR, Brot für die Welt und Global Policy Forum wirft einen kritischen Blick auf die Partnerschaften der UN.[2]

PPPs sind nicht nur auf nationaler Ebene im Trend, um das Problem knapper öffentlicher Gelder zu umgehen. Auch die Vereinten Nationen (UN) setzen bei der Umsetzung ihrer Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) vermehrt auf die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen. Die zunehmende Verstrickung der Wirtschaft in Projekte und Politik der UN birgt jedoch einige Risiken. Wirtschaftsakteure verfügen im Vergleich zu zivilgesellschaftlichen Akteuren ohnehin bereits über einen besseren Zugang zu den Entscheidungsprozessen in der UN. Durch die PPPs und die damit einhergehenden stärker formalisierten Beziehungen droht sich das Ungleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Interessen in der globalen Politik noch mehr auszuweiten.

Gleichzeitig gibt es mehrere Fälle von sogenanntem Bluewashing, also dem Schönfärben des Unternehmens durch eine Kooperation mit der UN. Dabei soll die Assoziation mit der UN und der vermeintliche Einsatz für die SDGs das Image des Unternehmens aufbessern, obwohl die tatsächliche Unternehmenspraxis nicht mit den Nachhaltigkeitszielen vereinbar ist.

Ein Beispiel dafür ist die Partnerschaft zwischen der Bill & Melinda Gates Stiftung und der WHO. Die philanthropische Stiftung investiert gleichzeitig in Unternehmen der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, wie Coca-Cola, Walmart und dem weltweit größten Franchiseträger von McDonalds. Die finanziellen Bindungen zu diesen Konzernen stehen im völligen Gegensatz zu den Werten der WHO und den Nachhaltigkeitszielen der UN. Hieran wird deutlich, dass die Interaktion zwischen UN und Wirtschaft nicht ausreichend geregelt ist. Daher fordern die AutorInnen strengere, aber vor allem allgemein gültige und angewendete Regularien, anhand derer potentielle Partnerschaften von UN-Institutionen mit Akteuren aus dem privaten Sektor gemessen werden sollen.  (MB)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2019, S. 6

[1] Public-Private-Partnership ist zwar in diesem Kontext der übliche Begriff, dennoch erachten wir ihn als unpassend, da die Einordnung als Partnerschaft eine Beziehung auf Augenhöhe und mit gemeinsames Zielen suggeriert. In der Realität stehen die öffentlichen und unternehmerischen Ziele  häufig im Kontrast zueinander.

[2] Martens J and Seitz K (2019) Rules of engagement between the UN and private actors. Towards a regulatory and institutional framework. p. 10. www.globalpolicy.org/images/pdfs/Rules_of_Engagement_UN_Private_Actors_web.pdf [Zugriff 10.10.2019]

Deutsche Kurzfasssung: Seitz K (2019) Nachhaltig nur auf dem Papier? Die ambivalente Rolle der Wirtschaft bei der Umsetzung der SDGs. S.3. www.globalpolicy.org/images/pdfs/Briefing_0319_Nachhaltig_nur_auf_dem_Papier.pdf [Zugriff 10.10.2019]


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Unsere Fachzeitschrift Pharma-Brief erscheint acht Mal pro Jahr und bietet gut recherchierte Beiträge rund um das Thema globale Gesundheit. Sie informiert über Zugangsprobleme bei Medikamenten, Arzneimittelrisiken und Nutzenbewertung, mangelnde Transparenz des Arzneimittelmarktes, vernachlässigte Krankheiten, illegale Pharmageschäfte, internationale Gesundheitspolitik und auch über Projekte der BUKO Pharma-Kampagne. Zweimal jährlich erscheint außerdem eine Doppelausgabe mit dem Pharma-Brief Spezial als Beilage. Die Broschüren beleuchten jeweils ein Schwerpunktthema.
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