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Covid-19 Medikament aus der Uni

Der Wirkstoff Molnupiravir könnte wichtig werden bei der Behandlung von Covid-19. Dass die Emory University den größten Teil dazu beigetragen hat, geht meist unter. Doch für die Diskussion um den Zugang spielt das eine bedeutende Rolle. Und der öffentliche Druck hat jetzt gewirkt: Der Medicines Patent Pool bekommt die Rechte für den Wirkstoff.

Noch ist nicht sicher, dass Molnupiravir die Erwartungen erfüllt, auch wenn die Presse begeistert darüber berichtet, dass der Wirkstoff die Sterblichkeit bei Covid-19 PatientInnen senken kann. Es liegen aber lediglich Daten vor, die der Anbieter MSD[1] auf einer Pressekonferenz nannte. Erst eine Publikation der Studie in einer Fachzeitschrift wird eine einigermaßen seriöse Einschätzung ermöglichen. Dann braucht es noch die Zulassung und eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Für den Fall, dass sich der Nutzen erhärtet, ist es aber wichtig, dass frühzeitig die Voraussetzungen für eine ausreichende Produktion geschaffen werden.

Wer forscht denn da?

In den Medien wird oft nicht einmal erwähnt, dass der Emory University in den USA das Hauptverdienst für die Entdeckung von Molnupiravir zukommt und auch MSD erwähnt die Rolle von Emory eher am Rande. Seit 2013 forscht die Uni an dem Wirkstoff gegen verschiedene Viren. Dabei zeigte sich, dass er im Tierversuch gegen Influenza, aber auch gegen das Coronavirus MERS hilft. Zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 entschied sich Emory, Molnupiravir an eine Pharmafirma zu lizensieren. Denn der Uni fehlte es an ausreichenden Kapazitäten zur schnellen Durchführung von klinischen Studien. Der Lizenznehmer Ridgeback Biotherapeutics ging zwei Monate später eine Kooperation mit dem Pharmamulti MSD ein. Die Studie, über die jetzt breit berichtet wird, begann im Juni diesen Jahres[2] und die Rekrutierung weiterer PatientInnen wurde nach einer geplanten Zwischenauswertung im Oktober vorzeitig gestoppt.[3]

Die Emory University hatte dagegen sechs Jahre lang mit Molnupiravir  und Vorgängersubstanzen umfangreiche vorklinische Studien gegen eine Reihe von Krankheitserregern durchgeführt und dafür staatliche Zuschüsse von schätzungsweise 35 Mio. US$ erhalten. Die Universität hat vier Patentanträge für den Wirkstoff eingereicht, darunter einen spezifisch als Arzneimittel gegen SARS-CoV-2. Wegen der öffentlichen Förderung besitzt auch die US-Regierung ein Zugriffsrecht auf Molnupiravir.[4] Das wurde aber offensichtlich nicht genutzt. Zwar haben sich die USA bereits 1,7 Millionen Therapieeinheiten des Medikaments gesichert, allerdings zu dem stolzen Preis von 712 US$ pro PatientIn. Das macht in der Summe rund 1,2 Milliarden US$. Der Vertrag enthält eine Option auf weitere Dosen für bis zu 2,5 Mrd. US$. Nur für den Fall, dass MSD das Produkt nicht mehr herstellt, hat sich die US-Regierung alle Rechte an Molnupiravir gesichert.[5] Das Vereinigte Königreich hat sich ebenfalls bereits Kontingente für eine halbe Million PatientInnen reserviert, der Preis ist nicht öffentlich bekannt.[6]

Enorme Gewinne

Melissa Barber (Harvard University) und Dzintars Gotham (Kings College, London) schauten sich die realen Lieferpreise für den reinen Wirkstoff (API) an.[7] Der durchschnittliche Kilopreis betrug 2.162 US$. Dabei handelte es sich um kleine Liefermengen von 1-20 kg. Ahlqvist und KollegInnen kalkulierten den Kilopreis für die API in der regulären Produktion mit 799 US$ und bei Recycling der notwendigen Lösungsmittel mit lediglich 427 US$.[8]

Barber und Gotham errechneten auf Basis der gegenwärtigen Lieferpreise Kosten von rund 20 US$ pro PatientIn – einschließlich 10% Gewinn und Steuern.[9] Damit stünden den von der US-Regierung mit MSD vereinbarten 1,2 Mrd. US$, gegenwärtig Produktionskosten von 34 Mio. US$ gegenüber, bei Massenproduktion und optimierten Prozessen wären es gerade einmal 7,4 Mio. US$. Wahrhaftig eine gewaltige Gewinnspanne.

Zugang – es tut sich was

Und wie sieht es mit dem Rest der Welt aus? Viel besser als bei den Covid-19 Impfstoffen, wo nur Oxford University und AstraZeneca einer indischen Firma frühzeitig eine Produktion für ärmere Länder gestattet hatten und bedeutende Impfstoffmengen in diesen Staaten auch angekommen sind.[10]

Zunächst hatte MSD acht indischen Generikafirmen Lizenzen für die Herstellung von Molnupiravir für Länder mit mittlerem und niedrigen Einkommen erteilt. Die genauen Bedingungen sind unbekannt.[11] MSD teilte lediglich mit, dass „die relativen Möglichkeiten der Länder, ihre Antwort auf die Pandemie zu finanzieren,“ berücksichtigt würden.[12]

Durchbruch für Pool

Ende Oktober kam dann vom Medicines Patent Pool (MPP) die Erfolgsmeldung: Molnupiravir ist das erste Covid-19-Medikament, für das der MPP die Lizenzrechte erhält, einschließlich des Zugriffs auf die Daten aus klinischen Tests. Damit können Generikafirmen den Wirkstoff unkompliziert und preiswert herstellen. Und das Beste: Solange die Pandemie nicht zu Ende ist, verzichtet MSD auf die übliche Lizenzgebühr. Danach beträgt sie 5% des Verkaufspreises für den öffentlichen Sektor und 10% für den privaten. Einziger Wermutstropfen: Zwar können die Medikamente in 105 Ländern genutzt werden,[13] aber stark von Covid-19 betroffene Länder mittleren Einkommens wie Brasilien, Argentinien und Peru gehören nicht dazu.[14]

Eigentlich war der MPP von der WHO von Anfang an dafür vorgesehen, günstige Lizenzen für Covid-19-Produkte einzusammeln. Doch bis jetzt blieb der Pool leer, weil die Hersteller den MPP boykottierten. Das fiel ihnen leicht, weil wichtige Industrieländer – darunter auch Deutschland – dem MPP ebenso die Unterstützung verweigerten wie einer temporären Aufhebung der Patentrechte durch die WTO (Waiver). Der Schutz der einheimischen Konzerne ist den reichen Ländern offensichtlich immer noch wichtiger, als die globale Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen. Doch der öffentliche Druck für den globalen Zugang nimmt massiv zu. Zuletzt haben sich auch hunderte WissenschaftlerInnen und hochrangige PolitikerInnen den Protesten angeschlossen. Es sieht so aus, als könne die Stimmung kippen. Angesichts von Tausenden durch Impfung und Behandlung vermeidbaren Todesfällen, ist das überfällig.  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 8-9/2021, S. 4

[1] In den USA und Kanada Merck Sharp & Dohme Corp. genannt

[2] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/record/NCT04939428  [Zugriff 20.10.2021]

[3] www.merck.com/news/merck-and-ridgebacks-investigational-oral-antiviral-molnupiravir-reduced-the-risk-of-hospitalizationor-death-by-approximately-50-percent-compared-to-placebo-for-patients-with-mild-or-moderat  [Zugriff 20.10.2021]

[4] Abinader LG (2021) US government rights in patents on Molnupiravir, based upon funding of R&D at Emory University. KEI www.keionline.org/36648  [Zugriff 20.10.2021]

[5] Ardizzone K (2021) U.S. Government’s $1.2 Billion Contract for Merck’s Investigational COVID-19 Drug Molnupiravir Redacts IP Terms, Contains Donation Clause and Very Limited Technology Transfer License. KEI www.keionline.org/36698  [Zugriff 20.10.2021]

[6] Walker P and Sample I (2021) No 10 to buy new antiviral treatments for Covid in time for winter. Guardian 20 Oct. www.theguardian.com/world/2021/oct/20/no-10-to-buy-new-antiviral-treatments-for-covid-in-time-for-winter

[7] Lieferungen von Mai bis Juli 2021

[8] Ahlqvist GP et al. (2021) Progress Toward a Large-Scale Synthesis of Molnupiravir (MK-4482, EIDD-2801) from Cytidine. ACS Omega; 6, p 10396 https://doi.org/10.1021/acsomega.1c00772

[9] Barber MJ and Gotham D (2021) Estimated cost-based generic prices for molnupiravir for the treatment of COVID-19 infection. https://scholar.harvard.edu/melissabarber/publications/estimated-cost-based-generic-prices-molnupiravir-treatment-covid-19

[10] Anteil der tatsächlichen Lieferungen an Länder mit niedrigem und niedrigem mittleren Einkommen insgesamt (Direktverkäufe, Spenden und Covax. Stand 12.10.2021): Oxford/AstraZeneca 70,7%, Johnson&Johnson 30,1%, Moderna 12,8%, Biontech 5,9%. Quelle: Malpani R and Maitland A (2021) Dose of Reality: How rich countries and pharmaceutical corporations are breaking their vaccine promises. The People’s Vaccine. 20 Oct., p 25 www.oxfam.de/system/files/documents/a_dose_of_reality-briefing_note.pdf

[11] Guarascio F and Erman M (2021) Merck COVID-19 pill sparks calls for access for lower income countries. Reuters 17 Oct. www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/merck-covid-19-pill-sparks-calls-access-lower-income-countries-2021-10-17

[12] MSD (2021) Merck Announces Supply Agreement with U.S. Government for Molnupiravir, an Investigational Oral Antiviral Candidate for Treatment of Mild to Moderate COVID-19. Press release 9 June www.merck.com/news/merck-announces-supply-agreement-with-u-s-government-for-molnupiravir-an-investigational-oral-antiviral-candidate-for-treatment-of-mild-to-moderate-covid-19/

[13] https://medicinespatentpool.org/licence-post/molnupiravir-mol#country-list0  [Zugriff 4.11.2021]

[14] Lei Ravelo J (2021) Merck expands manufacturing for molnupiravir. But questions remain. DEVEX, 28 Oct. www.devex.com/news/merck-expands-manufacturing-for-molnupiravir-but-questions-remain-101914 [Zugriff 4.11.2021]