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Global Health Hub Germany ist keine gute Idee

Am Rande der Debatte um die globale Gesundheitsstrategie der Bundesregierung sickerten im September erste Informationen über ein neues Gremium durch: Der sogenannte Global Health Hub soll eine wichtige Rolle in der weiteren Entwicklung und Umsetzung der Gesundheitsstrategie bekommen (wir berichteten[1]). Je mehr Informationen über das geplante Diskussionsforum bekannt werden, umso fragwürdiger erscheint es.

Nach wie vor ist vage, was der „Global Health Hub Germany“ (GHHG) bezwecken soll. Ein Konzeptpapier vom 1. Oktober, das die staatliche Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Gesundheitsministeriums verfasst hat, bleibt blumig: „Ein Global Health Hub Germany könnte als Dialog- und Vernetzungsplattform dienen und den Austausch und die Zusammenarbeit aller interessierten Akteure im Bereich Globale Gesundheit unterstützen.“  [2] „Erste Ideen zur Zielsetzung“ (siehe Kasten) sind ein bunter Strauß von Aktivitäten, die von Funktionen einer Denkfabrik über die Förderung von „Public Private Partnerships“ bis hin zur stromlinienförmigen Ausrichtung der globalen Public Health Debatte reichen.

Gremium mit Einfluss

Es wird zwar betont: „Der Global Health Hub Germany soll ein von der Bundesregierung unabhängiges Forum sein und als Anlaufstelle für Akteure der Globalen Gesundheit fungieren und deren sektorübergreifende Vernetzung ermöglichen“, aber das heißt noch lange nicht, dass der GHHG die Positionen der Bundesregierung nicht nachhaltig beeinflussen könnte.

Meinungsführerschaft

Einen Hinweis auf die Zielrichtung des GHHG liefert vor allem dessen Entstehungsgeschichte. Zwei Quellen haben unabhängig voneinander bestätigt, dass die Idee für den GHHG hauptsächlich von der Industrielobby ausging. Auch die Gates-Stiftung wurde schnell mit ins Boot geholt. Man könnte das Gremium als Versuch der Wirtschaft deuten, ihre Meinungsführerschaft in der globalen Gesundheitsdebatte nicht zu verlieren.

Pharma-, Agrar- und Nahrungsmittelindustrie stellen sich gern als Lösung für die Gesundheitsprobleme der Welt­bevölkerung dar, obwohl ihre Aktivitäten durchaus auch gegenteilige Effekte haben. Gar nicht zu reden von direkt gesundheitsschädlichen Branchen wie fossilen Energiefirmen, der Chemie-, Auto- und Waffenindustrie. Bessere Gesundheit lässt sich aber nur erreichen, wenn negative Effekte wirtschaftlichen Handelns ebenso wie notwendige regulierende Maßnahmen offen debattiert werden. Von einem Diskussionsforum, in dem die Wirtschaft mit dem Bundesverband der deutschen Industrie und dem Verband forschender Arzneimittelhersteller[3] gleich doppelt vertreten ist, ist das kaum zu erwarten.

Fait accompli

Die Zusammensetzung des GHHG war von vorneherein festgelegt: Industrie, Gates und Welcome Stiftung, World Health Summit (eine firmengesponserte Veranstaltung in Trägerschaft von akademischen Institutionen, die vorwiegend in Industrieländern angesiedelt sind). Dazukommen sollten einige NGOs und wissenschaftliche Institutionen (die anfänglich von ihrem Glück gar nichts wussten, obwohl sie längst in den Strategiepapieren standen). Dieser Stakeholder-Ansatz verwischt wesentliche Unterschiede: NGOs orientieren sich am Gemeinwohl, die Wirtschaft ist an Gewinninteressen ausgerichtet. Auch die personellen und finanziellen Möglichkeiten der Stakeholder unterscheiden sich erheblich.

Im Oktober führte die GIZ eine Online-Befragung der Interessenträger zum GHHG durch. Der Fragenkatalog ließ durchweg nur positive Antworten zu. Die maximal mögliche Kritik wäre gewesen, dass man im GHHG keinen Mehrwert für sich selbst sieht (und dann nicht mitmacht). Zur Diskussion stand in keiner Weise, ob das Gremium an sich sinnvoll ist. Die Pharma-Kampagne und einige andere NGOs haben sich nicht an der Fragebogenaktion beteiligt, um dem Prozess keine zusätzliche Legitimation zu verleihen.GHHG Eigendarstellung

Zwar heißt es im Hintergrundpapier der GIZ: „Die Steuerungsstruktur des Global Health Hubs z.B. in Bezug auf Entscheidungsgremien, Mitglieder und Rollenverteilung soll in der Konzep­tions­phase vorgeschlagen werden.“ Aber eine echte Debatte über Sinn und Zweck des Ganzen scheint nicht mehr möglich. Wie stark gesteuert der Prozess ist, zeigt auch ein Treffen am 16. November, zu dem sehr selektiv eingeladen wurde. Teilnehmer­Innen des Treffens be­richten von einer eher konfusen Ver­anstaltung. Die GIZ hatte aus den Frage­bögen, getrennten Gesprächen mit den Interessengruppen und „besonderen Wissensträgern“ Ziele kondensiert. Die passten auf zwei Folien und sagen weniger aus als die im Oktober zirkulierte Beschreibung (siehe Kasten). Viel Raum nahm dagegen die geplante Struktur des GHHG ein, die im Fragebogen gar nicht abgefragt worden war. Vielleicht haben dazu die „besonderen Wissensträger“ beigetragen. Deren Auswahl erscheint ziemlich selektiv: Ein Vertreter des World Health Summit, Christoph Benn vom Globalen Fonds, Herr Schmitz Guinote von der WHO, ein Vertreter des von der Bundesregierung 2017 gegründeten AMR-Hub, der Forschung gegen Antibiotika-Resistenzen forcieren soll, Ilona Kickbusch, Vorsitzende des Beratungsgremiums des Gesundheitsministeriums zu globaler Gesundheit und schließlich ein Vertreter des von Kickbusch geleiteten Global Health Centre in Genf. Die Zivilgesellschaft scheint offensichtlich nicht über „besonderes Wissen“ zu verfügen.

Das Treffen am 16. November verstärkte den Eindruck, dass die Struktur des Health Hub längst beschlossene Sache ist und es bestenfalls noch darum geht, wer mitmachen darf. Kritische Fragen wie denn der Anspruch des „Arbeitens auf Augenhöhe“ (GIZ) eingelöst werden solle angesichts der teils widersprüchlichen Ziele und Ressourcen der Akteure, fanden ebenso wenig eine befriedigende Antwort, wie Nachfragen nach der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Hub.

Gesteuert werden soll der GHHG von „10 bis 15 hochrangigen Vertretern verschiedener Akteursgruppen“, einschließlich nachgeordneter Behör­den und der Bundesregierung. Geplante „Veranstaltungsformate“ wie „Kamin­gespräche“ , die in der Regel vertraulich ablaufen, lassen ein intransparentes Vorgehen erwarten.

Angesichts der massiven Repräsentanz von IndustrievertreterInnen in den Diskussionen könnte man zu dem Schluss kommen, dass das nach außen postulierte Ziel der Umsetzung des nachhaltigen Entwicklungsziels (SDG 3) „Gesundes Leben für alle“ gar nicht im Vordergrund steht, sondern eine Schadensbegrenzung im Sinne einer Sicherung wirtschaftlicher Interessen. Bei der Beschreibung der Aktivitäten des GHHG ist viel von Information, Austausch, Kooperation und „innovativen Ansätzen“ die Rede, nicht aber von der Einforderung konkreter politischer Veränderungen, um dem Ziel „Gesundheit für Alle“ näher zu kommen.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass die GIZ das SDG 17 „Partnerschaften“ zuerst nennt. Wenn es die Industrie schafft, kritische Gruppen in einen Diskurs zu verstricken, der auf langwierige Kompromissfindungen hinausläuft oder die Akteure einfach nur mit Nebensächlichkeiten beschäftigt hält, hat sie ein wichtiges Ziel erreicht. Nach außen hin halten sich die Industrieakteure vornehm im Hintergrund, denn das Wichtigste ist, erst einmal mit im Boot zu sitzen. Da sie schon bei der Kiellegung dabei war, nicht weiter schwierig.

Das alles lässt Erinnerungen an die Entstehung des „Deutschen Netzwerk gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten“ wachwerden. Das wurde von Verband forschender Arzneimittelunternehmen (Vfa) gegründet, schaffte es aber geschickt, wichtige Akteure mit an Bord zu holen.[4] Koordiniert wird das Netzwerk von g+h communication, einer PR-Agentur die auch für den Vfa tätig ist.

Finanzierung

Zweifelhaft ist auch die Finanzierung des GHHG. Die Bundesregierung übernimmt für drei Jahre eine Anschubfinanzierung von einer Mio. € pro Jahr. Anschließend sollen die Stakeholder die Finanzierung sichern. Wie heißt es so treffend: „Wer bezahlt, bestimmt die Musik“. Pikantes Detail am Rande: Im Ablaufplan steht die Entwicklung eines Logos für den GHHG zeitlich vor der Ausarbeitung eines inhaltlichen Konzeptpapiers.

Die entscheidende Frage aber bleibt: Wer braucht den GHHG überhaupt? NGOs, Gewerkschaften und Wissenschaft sind durch die Deutsche Plattform Globale Gesundheit bereits vernetzt, im Entwicklungshilfebereich gibt es VENRO, das Aktionsbündnis gegen Aids und den Arbeitskreis medizinische Entwicklungshilfe (AKME). Profitieren würde dagegen die Industrie, die den Diskurs über Globale Gesundheit damit ebenso elegant beeinflussen könnte wie auch die Gates Stiftung und der World Health Summit, die ihre jeweils eigene Agenda haben.

Während für den GHHG eingefordert wird, dass die TeilnehmerInnen „auf Augenhöhe“ und „partnerschaftlich“ zusammenarbeiten und der intersektorale Dialog und die Kooperation gefördert wird, scheint die Botschaft bei der Bundesregierung noch nicht so recht angekommen zu sein. Der GHHG ist ein Kind des Gesundheitsministeriums. Das Entwicklungshilfeministerium sitzt bestenfalls am Katzentisch dabei. Und das Forschungsministerium, auch nicht unwichtig für die Neuausrichtung, hat eine eigene „Plattform globale Gesundheit“ angekündigt.

Irritierend ist der GHHG auch aus einem anderen Grund: Die Bundesregierung diskutiert ihre globale Gesundheitsstrategie derzeit noch, sie soll erst im Laufe des kommenden Jahres verabschiedet werden. Dazu gibt es einen begleitenden Prozess, bei dem verschiedene Interessenträger mitdiskutieren können.

Der GHHG soll schon im Januar 2019 seine Arbeit aufnehmen. Welchen Sinn hat diese Parallelstruktur, wenn nicht privilegierten Gruppen die exklusive Möglichkeit zu bieten, die Debatte in eine ihr genehme Richtung zu lenken und politische Schritte, die ihren Interessen schaden, zu verhindern oder mindestens zu verwässern?  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 8-9/2018, S.1

[1] Pharma-Brief (2018) Bundesregierung hört zu. Nr. 7, S. 1

[2] GIZ (2018) Global Health Hub. Konzeptpapier Stand 1. Okt.

[3] Formell ist der Vfa kein eigens geladener Akteur, aber bei Treffen trotzdem stets gut vertreten. Im vom BDI gegründeten „German Health Care Partnership“ sind unter anderen einige Pharmafirmen Mitglied, die auch dem Vfa angehören.

[4] Pharma-Brief (2013) Pharmaindustrie erfindet die Zivilgesellschaft neu. Nr. 10, S. 6