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WHO will Antibiotikaforschung ankurbeln

Günstige ältere Antibiotika sind mittlerweile bei Gonorrhö weitgehend wirkungslos.[1] Eine wirksame Therapie ist in den meisten Ländern nur noch mit Breitspektrum-Antibiotika möglich, und immer häufiger gibt es extrem-resistente Krankheitsfälle, die auf gar keine Behandlung ansprechen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO will die Antibiotikaforschung gemeisam mit der Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi) ankurbeln sowie Therapie und Prävention verbessern.[2]

Die Gonorrhö umgangssprachlich bekannt unter dem Namen „Tripper“, ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die von Gonokokken ausgelöst wird. Der Krankheitserreger kann beim Geschlechtsverkehr auf die Schleimhäute von Genitalien, Mastdarm oder Rachen übertragen werden und verursacht eine eitrige Entzündung. Laut WHO infizieren sich jährlich 78 Millionen Menschen mit der Geschlechtskrankheit. Die Gonorrhö steht damit auf Platz zwei der häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. [2], [3]

Nur Breitspektrum-Antibiotika zeigen noch Wirkung

Mit ihrem Meldesystem GASP (Global Gonococcal Antimicrobial Surveillance Programme) erfasst die WHO Resistenzen bei Gonorrhö. Die Datenlage sei besorgniserregend. Aus Industrieländern würden immer häufiger Krankheitsformen gemeldet, bei denen kein bekanntes Antibiotikum mehr wirkt. „Das ist aber womöglich nur die Spitze des Eisbergs“, so Dr. Teodora Wi, Expertin für Reproduktionsmedizin bei der WHO.[2] Denn in armen Ländern, wo die Geschlechtskrankheit viel mehr verbreitet ist, fehle es an Meldesystemen und an verlässlichen Daten zur Resistenzentwicklung. Außerdem bliebe Gonorrhö aufgrund milder Symptome häufig unentdeckt oder werde falsch behandelt.

Unerkannte, übersehene oder falsch behandelte Infektionen können zu gravierenden Komplikationen führen. Schwangere können die Infektion bei der Geburt auf ihr Kind übertragen. Bei den Säuglingen führt das häufig zu Entzündungen der Augenbindehaut und zu Erblindung. 

Wege aus der Resistenzkrise

Die WHO will der Resistenzkrise mit einer verbesserten Prävention, verbesserter Therapie und intensiver Antibiotika-Forschung begegnen. Safer Sex, der Gebrauch von Kondomen und Aufklärungsarbeit seien entscheidende Grundlage, um die Ausbreitung der Infektion einzudämmen, und auch eine rationalere Verschreibungspraxis sei gefordert. Marc Sprenger, Direktor der Abteilung Antimikrobielle Resistenz bei der WHO: „Um Gonorrhö zu kontrollieren brauchen wir neue Methoden und Systeme für eine bessere Prävention, Behandlung und frühere Diagnose […]“. Sprenger fordert außerdem eine lückenlose Überwachung und Meldung von Neuinfektionen, sowie eine Dokumentation der Behandlung, auftretender Resistenzen und auftretenden Therapieversagens.

Bessere Therapie und mehr Forschung

Die WHO empfiehlt bei Gonorrhö seit dem vergangenen Jahr eine kombinierte Therapie aus zwei verschiedenen antibiotischen Wirkstoffen, um der Resistenzbildung vorzubeugen. Ohne neue wirksame Therapien und Diagnostika sei die Resistenzkrise aber nicht zu überwinden. Gemeinsam mit der Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi) hat die WHO das Forschungsprogramm GARDP (Global Antibiotic Research and Development Partnership) ins Leben gerufen, das sich der Erforschung dringend benötigter neuer Antibiotika verschrieben hat.[4] Drei Kandidaten zur Therapie der Gonorrhö befinden sich derzeit in verschiedenen Forschungsstadien. Erfreulicherweise beteiligt sich die Bundesrepublik verstärkt an GARDP (siehe S. 8).

Doch auch in anderen Bereichen wären Forschungsaktivitäten bitter nötig. Sprenger: „Wir brauchen […] auch schnelle, sichere Sofort-Tests, idealerweise solche, die vorhersagen können, welche Antibiotika auf eine vorliegende Infektion wirken – und auf lange Sicht einen Impfstoff, der Gonorrhö verhindert.“  (LK/CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 5
Bild © Adam Jones

 

[1] Plos Medicine (2017) Antimicrobial resistance in Neisseria gonorrhoeae: Global surveillance and a call for international collaborative action. Online Artikel 07.07.2017. https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1002344

[2] WHO and DNDi (2017) Antibiotic-resistant gonorrhoea on the rise; need for new drugs. Pressemitteilung 07.07.2017. www.who.int/mediacentre/news/releases/2017/Antibiotic-resistant-gonorrhoea/en/ [Zugriff 26.07.2017]

[3] Ärzteblatt (2016) WHO: Neue Leitlinie zu Gonorrhö, Syphilis und Chlamydien-Infektionen. Online Artikel 31.08.2016. www.aerzteblatt.de/nachrichten/70287/WHO-Neue-Leitlinie-zu-Gonorrhoe-Syphilis-und-Chlamydien-Infektionen

[4] www.gardp.org


Kombi-Präparat von der WHO geprüft

Erstmalig erfüllt ein Tuberkulose-Medikament in kindgerechter Formulierung die Qualitätsstandards der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das Kombi-Präparat wurde auf die Liste präqualifizierter Arzneimittel aufgenommen. Es ist damit fortan bei der Global Drug Facility verfügbar, einer vom Stop TB Partnership betriebenen-Einrichtung zur kostengünstigen Beschaffung von TB-Medikamenten für nationale Behandlungs- sowie internationale Gesundheitsprogramme.[1]

Obwohl gerade Kleinkinder ein hohes Erkrankungsrisiko haben und jährlich rund eine Million Kinder an TB erkranken, gab es keine pädiatrische Formulierung für die Standardtherapie. Bisher mussten Tabletten für Kinder mit dem Mörser zerkleinert werden und die Dosierung war schwierig. Die BUKO Pharma-Kampagne hat diesen Missstand mehrfach thematisiert.[2]

Das neue Medikament des indischen Herstellers Macleods Pharmaceuticals kombiniert die TB-Wirkstoffe Rifampicin und Isoniazid in einer für Kinder geeigneten Dosierung. Das Mittel kann in Wasser aufgelöst werden und hat einen angenehmen Geschmack. Es ist für die zweite Behandlungsphase der 6-monatigen Therapie geeignet. Eine weitere Kinderarznei mit drei Wirkstoffkomponenten, die zu Beginn einer TB-Therapie eingesetzt werden kann, wird derzeit noch von der WHO geprüft.

Mario Raviglione, Direktor des globalen TB Programms bei der WHO ist zuversichtlich, dass sich mit der neuen Arznei Behandlungslücken schließen lassen: „Der Mangel an kindgerechten Arzneimitteln zur Behandlung von TB war lange Zeit ein großes Problem. Die Tatsache, dass wir diese Medikamente jetzt haben und sie die Qualitätsstandards der WHO erfüllen, wird den Zugang von Kindern zu einer wirksamen Behandlung überall auf der Welt verbessern.“ [3]  (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 4

 

[1] Das Medikament wurde in die GDF-Produktliste aufgenommen: www.stoptb.org/gdf/drugsupply/pc3.asp?PID=977 [Zugriff 5.9.2017]

[2] Pharma-Brief Spezial (2016) Kinder sind besonders gefährdet. Nr. 1, S. 26

[3] WHO (2017) WHO prequalifies key treatment for children with TB. News, 1 Sept. https://extranet.who.int/prequal/news/who-prequalfiies-key-treatment-children-tb [Zugriff 5.9.2017]


Gesundheit von Frauen, Müttern und Kindern im Globalen Süden

Welche Auswirkungen hatte die Krise auf die gesundheitliche Lage von Frauen und Kindern im Globalen Süden – jenseits von Erkrankungen durch Covid-19? Schwangere waren von Schließungen von Einrichtungen betroffen, der Zugang zu Verhütungsmitteln verschlechterte sich ebenso wie der zu sicheren
Schwangerschaftsabbrüchen. Kinder bekamen ihre Standardimpfungen nicht mehr. Auch die allgemeine Gesundheitsversorgung litt. Welche Auswirkungen hatte das auf die Prävention, Diagnose und Behandlung der großen drei Infektionskrankheiten HIV/Aids, Malaria  und Tuberkulose? Wie stand es um die Krebstherapie, die vielerorts ohnehin nur rudimentär vorhanden ist?

Die Pandemie brachte zudem weitreichende Veränderungen, die weit über die Gesundheitsversorgung hinausreichten. Lockdowns führten zu Einkommensverlusten und mehr häuslicher Gewalt. Schulschließungen wirkten sich negativ auf die Ernährungslage aus. Von Covid-19 zu lernen, heißt grundlegende Schwächen bei der Prävention und Behandlung von Krankheiten zu erkennen und zu beseitigen – und bei einer nächsten Pandemie nicht die gleichen Fehler zu wiederholen.

Download: Spezial 1/2023 Im Schatten der Pandemie 

Die Broschüre kann auch für 5,- € bestellt werden. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Vortragsreise und Konferenz zu Pandemiefolgen mit Projekt-Partner*innen

Vom 20.-27. April reisten Mitarbeiter*innen der Pharma-Kampagne gemeinsam mit Gesundheitsexpert*innen aus Ghana, Südafrika und Peru durch Nordrhein-Westfalen. Bei acht Veranstaltungen und sieben Austauschgesprächen wurden die durch Covid-19 verursachten Verwerfungen im Gesundheitssektor beleuchtet. Lösungsansätze wurden vorgestellt, um öffentliche Gesundheitssysteme zu stärken und besser gegen Krisen gewappnet zu sein. Krönender Abschluss war eine Fachkonferenz in Bielefeld.

Die Reise ging quer durch NRW – von Bad Oeynhausen, Bielefeld und Münster bis nach Hamm, Düsseldorf, Aachen und Bonn. So unterschiedlich wie die Zielgruppen bei den einzelnen Veranstaltungen waren auch die Veranstaltungsformate: Sie reichten von Gesprächen bei Misereor oder der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) über Unterrichtsdiskussionen an Schulen, Vorträge vor Studierenden und öffentliche Podiumsdiskussionen bis hin zu einem Gemeindegottesdienst zum Recht auf Gesundheit.

Unsere internationalen Gäste gaben ihr Bestes und vermittelten ihre Informationen und Botschaften sehr gekonnt einem höchst heterogenen Publikum. Dr. Kingsley Kwadwo Asare Pereko, Professor für Gesundheitswissenschaften an der Universität von West Coast und Landeskoordinator des People’s Health Movement schilderte die existierenden Versorgungsengpässe in Ghana und mahnte, das Ziel einer universellen Versorgung (Universal Health Coverage) nicht aus dem Blick zu verlieren. Der Zugang zu einer guten medizinischen Basisversorgung sei dabei ebenso entscheidend wie der Ausbau finanzieller und personeller Ressourcen oder der internationale Wissenstransfer.

Die Wissenschaftsjournalistin Fabiola Torres, Gründerin der Organisation Salud con Lupa, schilderte die desolate Lage im peruanischen Gesundheitswesen und hob hervor, wie wichtig unabhängige und verlässliche Gesundheitsinformationen sind – gerade in Zeiten einer globalen Gesundheitskrise, die mit starker Verunsicherung einhergehe.

Bibi Aisha Wadvalla, Investigativ-Journalistin und Geschäftsführerin des südafrikanischen News-Portals Health-e legte einen Fokus auf soziale Determinanten von Gesundheit und ungerechte Versorgungsstrukturen. Die Pandemie habe Armut und Ungerechtigkeit weiter verschärft und es sei auch Rolle der Medien, diese Tatsache ins öffentliche Bewusstsein zu zerren. Notwendig seien robuste soziale Sicherungssysteme, aber auch der Aufbau einer lokalen Arzneimittelproduktion, um den afrikanischen Kontinent künftig unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen.

Internationale Debatte legt strukturelle Probleme offen

Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion im Heinrich-Heine Institut in Düsseldorf am 25. April saß neben unseren internationalen Partner*innen auch Achim Teusch auf dem Podium – Arzt und Mitglied der Initiative Krankenhaus statt Fabrik – sowie der SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Josef Neumann. Die lebhafte internationale Debatte kreiste um strukturelle Probleme der Gesundheitsversorgung, die sich hier wie dort ähneln: Es ging um den Fachkräftemangel und die Abwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland, um Privatisierungen im Gesundheitssektor und Großkonzerne, die im globalen Norden wie Süden den Markt beherrschen, um Krankenhausschließungen in NRW und um die Notwendigkeit einer wohnortnahen medizinischen Versorgung.

Die Vortragsreise fand – ebenso wie die sich daran anschließende Konferenz – in Kooperation mit dem Ghana Forum, dem Südafrika Forum und dem Eine Welt Netz NRW statt. Die drei Akteure unterstützten maßgeblich die Öffentlichkeitsarbeit und waren bei etlichen Veranstaltungen präsent. Finanziell unterstützt wurde das gesamte Projekt von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen.

Fachkonferenz in Bielefeld

Bei der abschließenden Fachkonferenz „Pathways to better and fair health care” in Bielefeld vom 28.-29. April diskutierten Vertreter*innen entwicklungs- und gesundheitspolitischer Organisationen aus NRW die Perspektiven und Lösungsansätze für eine bessere globale Gesundheit. Das Konferenz-Programm startete am Freitag mit Kurzvorträgen von Fabiola Torres (Peru), Bibi Ayesha Wadvalla (Südafrika), Dr. Kingsley Kwadwo Asare Pereko (Ghana) und Dr. Christiane Fischer vom People´s Health Movement Deutschland. Anschließend thematisierte eine Podiumsdiskussion, was geschehen müsse, damit in Deutschland und weltweit niemand bei der Gesundheitsversorgung zurückgelassen wird.

Am Samstag gab es vier Workshops zur Vertiefung. Hier ging es um die Schwerpunktthemen „Infektionsprävention“, „patientenzentrierte Versorgung und PatientInnenrechte“, „gesunde und ausreichende Ernährung“ sowie „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“. Jeder Workshop war mit Redner*innen bzw. Aktivist*innen aus NRW und aus dem globalen Süden besetzt und verschiedenste Akteur*innen stellten ihre Projekte, Erfahrungen und Handlungsansätze vor. Die Kurzvorträge mündeten in eine internationale Debatte über wirksame Strategien für eine bessere und gerechtere Gesundheitsversorgung weltweit. Zur Sprache kamen dabei so unterschiedliche Themen wie die nachhaltige Verbesserung sanitärer Infrastruktur, ein Ende kolonialen Denkens in der Entwicklungshilfe und Nothilfe, Geschlechtergleichheit, eine stärkere Berücksichtigung der mentalen Gesundheit oder auch sogenannte Pocket-Gardening-Projekte – sogenannte Minigärten, die es Menschen ermöglichen, in ihrem direkten Lebensumfeld gesunde Lebensmittel zu erzeugen und ihre Ernährung zu verbessern.

Die äußerst produktiven Gespräche und Diskussionen haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig das persönliche Miteinander ist, um gegenseitiges Verständnis zu wecken, echte Partnerschaften auf Augenhöhe zu begründen und miteinander zukunftsfähige Perspektiven zu entwickeln.  (CJ)

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2023, S. 6
Bilder © Jörg Schaaber


Ein Gespräch mit Daniela Fusco (BNITM)

Bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeit kurz vor.

Mein Name ist Daniela Fusco, ich arbeite am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, wo ich hauptsächlich in der operativen Forschung für vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs) tätig bin.[1] NTDs sind Armutskrankheiten, die vor allem, aber eben nicht ausschließlich, in tropischen Regionen vorkommen. Dort führen sie in den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Schistosomiasis (auch Bilharziose genannt) ist eine der NTDs mit der höchsten Krankheitslast weltweit. Ihre Auswirkungen werden aufgrund des geringen Wissens über die chronischen Formen wie Leberfibrose und über die genitale Schistosomiasis der Frau (FGS) immer noch stark unterschätzt. Am ersten Juni haben wir daher eine Online-Umfrage gestartet. Wir möchten bei Gesundheitsfachkräften in Europa den Wissensstand zu FGS, das Bewusstsein für die Erkrankung und die Behandlungsmethoden erfassen.

FGS ist hierzulande kein wirklich gängiges Kürzel …

FGS steht für Female Genital Schistosomiasis – leider gibt es momentan keine gebräuchliche deutsche Abkürzung. FGS wird durch eine chronische Entzündung des Genitaltrakts verursacht, die durch die Verkalkung von Schistosomen-Eiern ausgelöst wird. Die Entzündung kann zu schweren gynäkologischen Komplikationen führen, etwa Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Eileiterschwangerschaften. Schätzungsweise 40 bis 56 Millionen Frauen und Mädchen sind von dieser Krankheit betroffen, die erhebliche körperliche, psychologische, soziale und wirtschaftliche Folgen hat, nicht zuletzt aufgrund von Unfruchtbarkeit und Stigmatisierung.

Sie forschen unter anderem in Madagaskar – wie ist die Situation vor Ort?

In Madagaskar ist, wie in vielen anderen endemischen Gebieten, das Wissen über Häufigkeit, Krankheitslast und auch über die Erkrankung selbst sehr gering. Dies ist umso alarmierender, als dass unsere jüngsten Daten für das Land bei Frauen im reproduktiven Alter eine FGS-Prävalenz von über 50% zeigen. Ebenso dramatisch: Nur 20% der Bevölkerung und auch nur 50% der lokalen Gesundheitsfachkräfte wissen um diese Krankheitsform. Das ist sehr beunruhigend, denn das Ignorieren eines Gesundheitsproblems ist natürlich erst einmal die größte Hürde für Lösungen!

Warum interessieren Sie sich speziell für das Wissen über FGS hier in Deutschland?

Zunehmende Reisen sowie die Migration aus Bilharziose-endemischen Ländern nach Europa, verbunden mit der für den Infektionszyklus vorteilhaften globalen Erwärmung und der aufkommenden Endemie des Parasiten in einigen europäischen Gebieten, bereitet uns Sorgen. Denn das erhöht das Risiko für ein Auftreten der Krankheit in nicht-endemischen Regionen wie Europa. Wir vermuten, dass eine Frau, die in Europa von FGS betroffen ist, nur sehr geringe Chancen hat, behandelt zu werden. Normalerweise sind Krankheiten wie Schistosomiasis nur bei Spezialist*innen für Infektionskrankheiten und/oder für Reisemedizin bekannt. In ihrer chronischen urogenitalen Form wird sie jedoch zu einer gynäkologischen Erkrankung. So kann es dann passieren, dass eine Frau bei Unfruchtbarkeit oder vaginalen Beschwerden Gynäkolog*innen aufsucht, ohne jedoch eine angemessene Behandlung zu erhalten. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir im Rahmen globaler Gesundheit damit beginnen sollten, Krankheiten auch wirklich als ein globales und nicht als ein regionales Problem zu behandeln. Mit unserer Studie wollen wir verdeutlichen, wie wichtig es ist, die medizinischen Praktiken und Leitlinien an die Entwicklung von Gesellschaften anzupassen.

Das Interview führte Max Klein

Umfrage zur genitalen Schistosomiasis der Frau in Europa: Die Teilnahme ist bis Ende 2023 möglich.

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2023, S. 5
Bild: Familie in Ampefy (Madagaskar) © Jule Hamster

[1] www.bnitm.de/forschung/forschungsgruppen/population/abt-infektionsepidemiologie/gruppe-fusco

 

 


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Unsere Fachzeitschrift Pharma-Brief erscheint acht Mal pro Jahr und bietet gut recherchierte Beiträge rund um das Thema globale Gesundheit. Sie informiert über Zugangsprobleme bei Medikamenten, Arzneimittelrisiken und Nutzenbewertung, mangelnde Transparenz des Arzneimittelmarktes, vernachlässigte Krankheiten, illegale Pharmageschäfte, internationale Gesundheitspolitik und auch über Projekte der BUKO Pharma-Kampagne. Zweimal jährlich erscheint außerdem eine Doppelausgabe mit dem Pharma-Brief Spezial als Beilage. Die Broschüren beleuchten jeweils ein Schwerpunktthema.
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