Pharma Brief3 C Schaaber web


Biomedizinische Einengung, finanzaristokratische Ermächtigung und postkoloniale Kontinuität – Ein Kommentar von Jens Holst

Beim bevorstehenden World Health Summit im Oktober diesen Jahres wird das Virchow-Komitee zum zweiten Mal den gleichnamigen Preis für besondere Leistungen auf dem Gebiet der globalen Gesundheit vergeben. Stattfinden wird die Verleihung ab diesem Jahr im Medizinhistorischen Museum, einer Einrichtung der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Eine bemerkenswerte Ortswahl, die einmal mehr das beschränkte Global-Health-Verständnis der Virchow-Stiftung und einflussreicher Akteur*innen der globalen Gesundheit belegt.


Sanofi nimmt Humaninsulin weltweit vom Markt

Wegen angeblicher Herstellungsprobleme beendet Sanofi die Produktion fast aller Zubereitungen von Human­insulin.[1] Damit setzt die Firma auf Insulinanaloga, die erheblich teurer sind. Umstellungsprobleme für die Patient*innen sind vorprogrammiert.

Obwohl Insulinanaloga keine relevanten Vorteile gegenüber Humaninsulin bieten, werden sie seit Jahren von den Herstellern gepusht, denn sie sind gewinnträchtiger. Die Analoga von Sanofi sind in Deutschland 34 % bzw. 57 % teurer als die jetzt zurück­gezogenen Produkte der Firma.[2]

An den gesamten Insulinverordnungen beträgt der Anteil von Humaninsulinen nur noch gut 20 %. 2012 waren es noch gut 50 %. Dieser Rückgang ist nach Auffassung von AkdÄ und ­DEGAM Ausdruck eines geschickten Marketings. Denn bis heute liegt keine wissenschaftliche Evidenz dafür vor, dass Insulinanaloga im Vergleich zu den Humaninsulinen einen Vorteil hinsichtlich patientenrelevanter Endpunkte haben.[3]

Allerdings unterscheiden sich Humaninsulin und Analoga in der Geschwindigkeit des Wirkeintritts und der Dauer der Wirkung.[4] In einem Rundschreiben an Ärzt*innen räumt Sanofi selbst ein, dass die Umstellung auf Insulinanaloga Probleme bereiten kann und engmaschigere Blutzuckerkontrollen erforderlich macht.[5]

Zwar gibt es noch Humaninsulin von wenigen anderen Anbietern, aber es ist fraglich, ob sie die entstehende Lücke füllen werden. Dafür müssten sie ihre Produktionsanlagen ausbauen. Das ist unwahrscheinlich, denn auch die Konkurrenz setzt seit Jahren auf die teureren Analoga. Und das weltweit. Bereits vor über zehn Jahren berichteten wir über als Postmarketing-Studien getarnte Werbekampagnen für Analoga im Globalen Süden.[6]

Dabei sind dort die Preisunterschiede zwischen Humaninsulin und Analoga noch deutlich größer als hierzulande. So ergab eine 2016 von Health Action International in 13 Ländern mit mittlerem bis geringen Einkommen durchgeführte Untersuchung, dass bei kurzwirksamen Insulinen die Analoga im Schnitt doppelt so teuer waren wie Humaninsulin, bei langwirksamen Insulinen betrug die Preisdifferenz sogar ein Mehrfaches. Auch um die Verfügbarkeit war es oft schlecht bestellt.[7]

Um auf internationalen Märkten höhere Preise durchsetzen zu können, werden die in Deutschland tatsächlich von den Krankenkassen für Analoga zu zahlenden Preise geheim gehalten. Da wegen fehlender Vorteile Analoga nur bis zum Festbetragspreis für Humaninsulin erstattet werden dürfen, geben die Hersteller aber tatsächlich Rabatte – nur über die erfährt man in der Regel nichts.

Sollten andere Hersteller dem Rückzug von Sanofi nachfolgen, könnte der Preisanker Humaninsulin entfallen, Kostensteigerungen wären die logische Folge. Das lässt die Debatte über Lieferengpässe in einem anderen Licht erscheinen. Denn hier wird ein bewährter und sicher auch gewinnträchtiger Wirkstoff zugunsten noch profitablerer einfach fallengelassen. In Kalifornien hat man aus den dort noch viel größeren Preissprüngen Konsequenzen gezogen: Eine Insulinproduktion durch die staatliche Firma CalRx wird vorbereitet (siehe Kasten).[8]  (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2023, S. 1

 

[1] Lediglich das für Insulinpumpen gedachte Insuman Infusat bleibt auf dem Markt.

[2] arznei-telegramm (2023) Insuman – aus Lieferdefizit wird Marktrücknahme; 54, S. 47

[3] DEGAM (2023) Gemeinsame Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zur Einstellung von Produktion und Vertrieb sämtlicher Humaninsuline durch Sanofi. 2. Juni www.degam.de/files/Inhalte/Degam-Inhalte/Ueber_uns/Positionspapiere/20230613_DEGAM_AkdAe_Insuline_Sanofi.pdf [Zugriff 11.7.2023]

[4] Egidi G (2020)  Welchen Stellenwert haben Insulinanaloga in der Behandlung des Diabetes? AVP; 47, S. 66 https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-1-2/066.pdf

[5] Sanofi (2023) Kundenschreiben Insuman https://a-turl.de/saix

[6] Pharma-Brief (2012) DiabetikerInnen in Not getrieben. Nr. 5, S. 1

[7] Ewen M et al. (2019) Insulin prices, availability and affordability in 13 low-income and middle-income countries. BMJ Global Health; 4, p e001410 http://dx.doi.org/10.1136/bmjgh-2019-001410

[8] Sherkow JR et al. (2023) Assessing – and Extending – California’s Insulin Manufacturing Initiative. JAMA; 329, p 533


US-Firma führt unkontrollierten Menschenversuch durch

In der kleinen Karibikrepublik St Kitts und Nevis testete das US-Unternehmen Rational Vaccines einen neuen Herpes-Impfstoff, ohne Prüfung durch eine Ethik-Kommission. Die Versuchspersonen waren BürgerInnen aus Industrieländern. Das hat Implikationen über den Einzelfall hinaus, denn zu den Investoren gehören Freunde und Berater von US-Präsident Trump, die von Kontrolle wenig halten.

20 BürgerInnen aus den USA und Großbritannien erhielten 2016 den experimentellen Herpes-Impfstoff.[1] Sie waren eigens für die Impfungen in die Karibikrepublik eingeflogen worden. Offensichtlich um die ethische Kontrolle der Tests zu umgehen. Die Versuche, die von Prof. Halford von der Southern Illinois University mit abgeschwächten lebenden Viren durchgeführt wurden, sind relativ risikoreich. Schlampige Handhabung kann zu Infektionen Dritter führen und für die Testpersonen sind sie natürlich auch nicht ohne Gefahren.

Die Universität brüstete sich noch Anfang 2017 auf ihrer Website mit einem euphorischen Artikel mit dem Titel „Game Changer“[2] mit Halfords Forschung: „Der Versuch war auf Einfachheit, Geschwindigkeit und Effizienz ausgelegt. [..] die positiven Ergebnisse haben in der online-Community der Herpespatienten Enthusiasmus und Optimismus ausgelöst.“[3]

Heute will die Southern Illinois University (SIU) mit der Sache nichts mehr zu tun haben. Der Artikel wurde gelöscht. Halford war seit 2007 bis 2017 an der SIU angestellt und hatte sich mit den Möglichkeiten einer Herpes Impfung beschäftigt. Seine Forschungen waren auch von den staatlichen National Institutes of Health gefördert worden.[4] Als er Aussichten auf kommerziellen Erfolg sah, gründete er mit Beteiligung von Kapitalgebern „Rational Vaccines“.

Obwohl die Universität zwei Impfstoffkandidaten an die Firma lizensiert hatte, sieht sie sich nicht in der Verantwortung. Halford hätte die Versuche nicht im Auftrag der Universität, sondern seiner Firma durchgeführt. Deshalb sei keine Genehmigung durch die Ethik-Kommission nötig gewesen.[1] Auf Nachfragen sagte die Sprecherin Karen Carlson: „[Wir] werden die Gelegenheit nutzen, unsere internen Prozesse zu überprüfen, damit wir sicher sein können, vorbildliche Verfahren zu haben.“[1]

Rational Vaccines spielte die Risiken herunter. Der Hollywood-Filmmacher Agustin Fernández III, der die Firma gemeinsam mit Halford gegründet hatte, behauptete, der Forscher habe die nötigen Vorkehrungen getroffen. Halford, der den Impfstoff an Fernández und sich selbst testete, kann man nicht mehr fragen, er starb im Juni 2017.

Testflüge

Dass US-BürgerInnen eigens nach St. Kitts geflogen wurden, damit sie die Impfdosen erhalten, ist eine besondere Provokation. Denn die US-Zulassungsbehörde FDA verlangt die Genehmigung aller Versuche an Menschen durch eine Ethik-Kommission, egal wo in der Welt sie stattfinden. Das und die Möglichkeit der Überwachung der Versuche durch die Behörde sind zwingende Voraussetzung für eine spätere Zulassung in den USA.

Robert Califf, im Januar 2017 von Trump entlassener FDA-Chef, sagte, ihm sei sonst kein Fall bekannt, bei dem US-ForscherInnen ohne Ethik-Kommission gearbeitet hätten: „Es gibt eine Tradition, Experimente an Menschen zu überwachen, und die gibt es aus guten Gründen. […] Es mag [in St Kitts] legal sein, ohne Überwachung zu arbeiten, aber es ist falsch.“[1]

Karibikinsel protestiert

Die Regierung von St. Kitts und Nevis ist aber keineswegs mit dem Versuch einverstanden und hat eine offizielle Untersuchung eingeleitet. Nicht nur die Tests seien illegal gewesen, sondern auch der Import des nicht zugelassenen Impfstoffs hätte gemeldet werden müssen.[5]

Tabubruch

Die Journalistin Marisa Taylor, die die Hintergründe recherchierte, hält das Vorgehen der Firma für politisch motiviert: „Der neue FDA-Chef Scott Gottlieb, der enge finanzielle Verflechtungen mit der Pharmaindustrie hatte, hat vor seiner Ernennung die FDA wegen übertriebenem Verbraucherschutz zum Schaden von medizinischen Innovationen scharf kritisiert.“[1] Zu den Investoren bei Rational Vaccines gehört auch Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal, der Trump im Wahlkampf unterstützte und ihn bei der Auswahl der Kandidaten für den FDA-Chefposten beriet. Fernández hofft, dass der gegen grundlegende ethische Regeln verstoßende Versuch politischen Druck auf die FDA ausübt, den Impfstoff genauer anzuschauen.

Außerdem mit von der Partie ist Bartley Madden, ehemaliger Credit Suisse Banker und Berater des konservativen Heartland Institute. Madden bezeichnete die Versuche als „Testfall.“ „Die FDA steht im Weg und Amerikaner werden davon hören und Veränderungen verlangen.“[1] (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 3
Bild Saint Kitts at Dawn © Martin Falbisoner

 

[1] Taylor M (2017) Offshore Human Testing Of Herpes Vaccine Stokes Debate Over U.S. Safety Rules. Kaiser Health News. 28 Aug.

[2] Bahnbrechend

[3] Sandstrom S (2017) Game Changer. Aspects; 40, No. 1. Der Artikel wurde nach dem 1.3.2917 aus dem Web entfernt. https://web.archive.org/web/20170301073112/http://www.siumed.edu/pubs/aspects/40-1/coverstory.html

[4] Halford WP et al (2010) Herpes Simplex Virus 2 ICP0− Mutant Viruses Are Avirulent and Immunogenic: Implications for a Genital Herpes Vaccine. PLoS ONE; 5,p e12251

[5] Taylor M (2017) St. Kitts Launches Probe Of Herpes Vaccine Tests On U.S. Patients. Kaiser Health News. 31 Aug.


Kein Zika Impfstoff

In den Labors der US-Armee wurde ein erfolgversprechender Impfstoffkandidat gegen Zika entwickelt. Sanofi wollte ihn zur Marktreife bringen.

Das US-Gesundheitsministerium sagte 43 Mio. US$ für die Weiterentwicklung zu und versprach weitere 130 Mio. US$ für größere Testreihen.[1] Diesen Sommer wollte Sanofi mit der Armee eine exklusive Vermarktungslizenz vereinbaren – die Voraussetzung um den Impfstoff später teuer verkaufen zu können. Nach heftigen Protesten von WissenschaftlerInnen und NGOs ruderte die Regierung zurück. Nun steigt Sanofi aus der Kooperation aus. Dabei spielt wohl auch eine Rolle, dass die Bedrohung durch Zika stark nachgelassen hat. Das verschlechtert die Gewinnaussichten. Einen ähnlichen Fall gab es vor der Ebola-Epidemie in Westafrika 2016. Damals wurde die öffentliche Forschung zu Ebola nur noch auf niedrigem Niveau finanziert und vielversprechende Wirkstoffe konnten mangels Projektmitteln nicht weiter erforscht werden. Lediglich ein staatliches kanadische Forschungsinstitut hatte genügend Dosen eines Impfstoffkandidaten eingelagert. So konnte beim Ausbruch der Epidemie – der auch für plötzlichen Geldsegen im Bereich Forschung sorgte  – eine Studie begonnen werden.[2],[3] (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 2

 

[1] Sagonowsky E (2017) Sanofi pulls out of Zika vaccine collaboration as feds gut its R&D contract. FiercePharma 1 Sept. www.fiercepharma.com/vaccines/contract-revamp-sanofi-s-zika-collab-u-s-government-to-wind-down

[2] Grady D (2014) Ebola Vaccine, Ready for Test, Sat on the Shelf. New York Times 23 Oct. https://nyti.ms/2jKFR2f

[3] Geisbert WC (2017) First Ebola virus vaccine to protect human beings? Lancet; 389, p 479


Wettstreit der Interessen

Die Forschungslücke bei Antibiotika ist groß. Neue Wirkstoffe müssen günstig sein und sollen möglichst wenig angewendet werden, das macht sie für die Industrie wenig interessant. Wie man dennoch die Forschung und Entwicklung voranbringen kann, sollte das Projekt DRIVE-AB klären. VertreterInnen der öffentlichen Forschung, der Industrie und NGOs wollten gemeinsam die Machbarkeit verschiedener Modelle prüfen. Die Abschlusskonferenz zeigte, wie stark die Präferenzen von den unterschiedlichen Interessen geprägt sind.

Das Ziel von DRIVE AB war ambitioniert: Wie kann man die Innovation stimulieren und dabei gleichzeitig den nachhaltigen Gebrauch und die globale Verfügbarkeit neuer Antibiotika sicherstellen? Das Projekt mit einer Laufzeit von 3 Jahren verfügte über ein Budget von 9,1 Mio. €, davon 2/3 von der Europäischen Kommission und 1/3 von Pharmaunternehmen in Form von Arbeitsleistung („in kind contribution“).[1] Dass hier sehr unterschiedliche Positionen aufeinander prallen, überrascht nicht. Kurz vor Ende des Projekts, als die politischen Empfehlungen formuliert werden sollten, ist mit ReAct ein wichtiger zivilgesell­schaftlicher Projektpartner ausgestiegen. Anlass war ein Manuskript mit vorläufigen Empfehlungen von DRIVE AB, dass bei Lancet Infectious Diseases zur Veröffentlichung eingereicht worden war. Es enthielt Positionen, über die es innerhalb des Projekts sehr unterschiedliche Meinungen gab. Das war im Artikel aber nicht zu erkennen. So entstand der falsche Eindruck, die Beteiligten hätten einen Konsens erzielt.[2]

Von Seiten DRIVE AB wurde betont, dass man Konsens erzielen möchte, aber im Abschlussbericht auch Minderheitenmeinungen veröffentlicht würden.[3] Der Bericht liegt noch nicht vor, trotzdem war der Dissens auf der Abschlusskonferenz in Brüssel (5.-6.9.2017) deutlich zu erkennen.

Push oder Pull?

35 Modelle für Forschungsanreize wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen geprüft. Schlussendlich werden vier davon empfohlen. Zwei so genannte Push Mechanismen sollen die Forschung anschieben: Für die direkte Forschungsförderung seien laut Berechnung der WissenschaftlerInnen jährlich mindestens 550 Mio. US$ nötig. Das Geld solle vor allem in die Grundlagenforschung fließen, um die Pipeline mit neuen Wirkstoffen zu füllen. Weiterhin müsse es eine Koordination der verschiedenen Projekte mit einem aktiven Portfolio-Management geben, um die Forschung möglichst zielgerichtet und effizient zu gestalten.

Als Pull Mechanismen bezeichnet man Maßnahmen, die Unternehmen eine Belohnung in Aussicht stellen, wenn sie ein Produkt entwickeln. Auch hier werden zwei Modelle empfohlen. Ein „market entry reward“ ist ein Geldbetrag, der ab der Markteinführung bis zum Ende des Patentschutzes gezahlt wird. Die Simulationsberechnungen von DRIVE AB beruhen auf einem market entry reward in Höhe von 1 bis 1,5 Mrd. US$, wobei die Pharmaindustrie bemüht war, diesen Betrag weit höher anzusetzen. Das letzte Modell „long term continuity model“ zielt auf solche Antibiotika ab, die schon länger auf dem Markt sind, aber nicht mehr ausreichend produziert werden. Ein finanzieller Anreiz soll Firmen zur Produktion bewegen.

Ziehen alle an einem Strang?

„Antibiotikaresistenz ist perfekt für ein Public Private Partnership“, so Pierre Meulin von der Innovative Medicines Initiative (IMI) in seiner Eröffnungsrede.[4] Doch schon bei der Diskussion um die Kostenmodelle war nicht zu übersehen, wie schwierig es ist, die Forderung nach günstigen Medikamenten mit Gewinninteressen zusammen zu bringen. David Findley von GlaxoSmithKline verdeutlichte die kommerzielle Position: „Return on investment ist wichtig, sonst gibt es kein Investment und die Modelle funktionieren nicht“. Doch welcher Gewinn für die Investoren ist gerechtfertigt? DRIVE AB versuchte diese Frage über einen Umweg zu beantworten. Modellrechnungen sollten klären, wie man den Wert eines neuen Antibiotikums bestimmen könne. Doch die vorgestellten Berechnungen verdeutlichten vor allem, dass man hier zu Ergebnissen in relativ beliebiger Höhe kommen kann, je nachdem was man in die Simulation einbezieht – ein wenig zielführender Ansatz.

Kleine und mittlere Unternehmen

Nicht nur die großen Pharmaunternehmen spielen in dieser Diskussion eine Rolle. Es sind gerade kleinere Unternehmen, die derzeit beginnen, die Antibiotikapipeline wieder zu füllen. Sie sind auf Investoren angewiesen – häufig Risikokapital – weshalb sich auch hier die Frage stellt, welchen „return on investment“ man potenziellen Investoren bieten kann.

Hier will das Projekt CARB-X andere Wege gehen. Kleine und mittlere Unternehmen können Geld für ihre Antibiotikaprojekte beantragen. Die US-Regierung und der Wellcome Trust stellen für die kommenden fünf Jahre 450 Mio. US$ bereit. Dabei handelt es sich um kein gewöhnliches Programm zur Investitionsförderung, denn das Geld ist an eine Bedingung gekoppelt: Wer gefördert werden will, muss einen Plan erarbeiten, wie er sein Produkt später verfügbar und nachhaltig nutzbar machen will.

Non-profit Ansatz

Dass man auch ohne Profitwartungen investieren kann, zeigt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie hat mit dem Projekt GARD-P eine Produktentwicklungspartnerschaft angestoßen, die nicht gewinnorientiert ist (siehe Pharma-Brief Spezial 1/2017). Das Konzept hat sich bereits bei den vernachlässigten Krankheiten bewährt: Die Entwicklung neuer Wirkstoffe wird vorwiegend mit öffentlichen Geldern finanziert. Wenn das Produkt auf den Markt kommt, sind die Entwicklungskosten bereits abgegolten und das Produkt kann preiswert verkauft werden – unterm Strich also die günstigste Lösung. Die Bundesregierung hat zugesagt, GARD-P in den kommenden fünf Jahren mit mindestens 51 Mio. € zu unterstützen.[5]

Das Projekt DRIVE AB verdeutlicht, dass Pharmaunternehmen durchaus bereit sind, wieder aktiver in die Antibiotikaforschung einzusteigen – aller­dings nur, wenn sie mit öffentlichen Geldern unterstützt wird und die Gewinnaussichten gut sind. Dass die Bundesregierung sich mit der Förderung von GARD-P für einen non-profit-Weg entschieden hat, ist zu begrüßen.  (CW)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 1

 

[1] http://drive-ab.eu/wp-content/uploads/2014/09/IMI-Key-Facts.pdf

[2] ReAct (2017) ReAct withdraws from IMI project DRIVE-AB. Mitteilung 20. Juli www.reactgroup.org/news-and-views/news-and-opinions/year-2017/react-withdraws-from-imi-project-drive-ab/

[3] DRIVE AB (2017) Statement on ReAct’s Departure from the DRIVE-AB Consortium http://drive-ab.eu/news/statement-on-reacts-departure-from-the-drive-ab-consortium/

[4] IMI ist selbst ein solches „Partnership“ zwischen Industrie und EU-Kommission und Förderer von DRIVE AB. Mehr zu IMI: Pharma-Brief (2014) Neue Sterne am Horizont. Nr. 5, S. 2

[5] BMBF (2017) Wichtiger Schritt im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen. Pressemitteilung 4. Sep. www.bmbf.de/de/wichtiger-schritt-im-kampf-gegen-antibiotika-resistenzen-4733.html


Hier finden Sie eine separate Auflistung des Pharma-Brief Spezial. Dies sind Sonderausgaben, die sich auf unterschiedliche Themenschwerpunkte konzentrieren.

Pharma-Brief Archiv

Unsere Fachzeitschrift Pharma-Brief erscheint acht Mal pro Jahr und bietet gut recherchierte Beiträge rund um das Thema globale Gesundheit. Sie informiert über Zugangsprobleme bei Medikamenten, Arzneimittelrisiken und Nutzenbewertung, mangelnde Transparenz des Arzneimittelmarktes, vernachlässigte Krankheiten, illegale Pharmageschäfte, internationale Gesundheitspolitik und auch über Projekte der BUKO Pharma-Kampagne. Zweimal jährlich erscheint außerdem eine Doppelausgabe mit dem Pharma-Brief Spezial als Beilage. Die Broschüren beleuchten jeweils ein Schwerpunktthema.
Abonnieren Sie den Pharma-Brief und bleiben Sie auf dem Laufenden!

Sie können hier alle Jahrgänge des Pharma-Briefes ab 1981 online lesen.