
USA: Wie wenig Evidenz darf's sein?
7. Mai 2021
In einem ungewöhnlichen Schritt haben die Wissenschaftler G. Caleb Alexander, Scott Emerson und Aaron S. Kesselheim die Diskussionen um ein neues Alzheimer-Medikament bei der Zulassungsbehörde FDA scharf kritisiert.1 Alle drei waren bei der Anhörung der FDA zu Aducanumab als Experten geladen. Über den Verlauf der Sitzung waren sie so bestürzt, dass sie – wie die meisten ExpertInnen – nicht nur gegen die Zulassung votierten,2 sondern sich auch direkt an die Öffentlichkeit wandten. Zentraler Kritikpunkt: Beide Studien zu Aducanumab waren nach einer Zwischenanalyse wegen fehlenden Nutzens des Wirkstoffs vom Hersteller vorzeitig beendet worden. Lediglich in einer Studie fand sich bei einer Teilgruppe mit höherer Dosierung ein kleiner signifikanter Unterschied. Der betrug aber nur 0,39 Punkte auf einer 18-teiligen Skala zu Demenzsymptomen. Als klinisch relevant wird eine Änderung von mindestens 1-2 Punkten angesehen. Die Wissenschaftler sind empört, dass auf Basis eines schwach positiven Ergebnisses in nur einer von vier untersuchten Gruppen in zwei Studien eine Zulassung überhaupt in Erwägung gezogen wird. Besonders irritierend seien die ausführlichen Debatten über nachträgliche Auswertungen der Studien gewesen, mit denen versucht wurde, die negativen Ergebnisse schönzurechnen. Zudem sei es bei höher dosiertem Aducanumab häufig zu Hirnödemen gekommen.3 Ein Effekt, der von anderen erfolglos gegen Alzheimer getesteten Wirkstoffen bekannt ist. (JS)
- Alexander CG et al. (2021) Evaluation of Aducanumab for Alzheimer Disease. JAMA https://doi.org/10.1001/jama.2021.3854 ↩︎
- 1 Stimme für die Zulassung, 8 dagegen, 2 unentschieden ↩︎
- 35,2% gegenüber 2,7% unter Placebo. 0,9% der Patient*innen entwickelten dadurch schwere Symptome. ↩︎