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Eine Pharmahändlerin importierte illegal teure Krebsmedikamente aus Griechenland nach Deutschland. Es dauert Jahre, bis es zu einer Verurteilung kommt.

Am 7.3.2017 informierten die griechischen Behörden die Arzneimittelaufsicht in Brandenburg über nach ihrer Ansicht illegale Medikamentenexporte aus Griechenland nach Deutschland und baten das brandenburgische Landeskriminalamt um Unterstützung. Hauptabnehmer der Krebsmedikamente war die Firma Lunapharm in Brandenburg. Bereits im Dezember 2016 hatte die polnische Arzneimittelkontrolle in Brandenburg angefragt, ob Lunapharm überhaupt berechtigt sei, von der griechischen Apotheke zu importieren. Es passierte offenbar wenig, bis das Fernsehmagazin Kontraste im Juli 2018 den dubiosen Handel öffentlich machte.1 Wegen Behördenversagen musste die brandenburgische Gesundheitsministerin einen Monat später zurücktreten. Eine vom Landtag eingesetzte Task Force hatte eklatante Mängel in der Überwachung durch die Behörden festgestellt. Spätestens nach der Meldung aus Griechenland im März 2017 hätte es eine unangekündigte Inspektion bei Lunapharm geben müssen.2

Ermittlungen im Schneckentempo

Am 26. Oktober 2019 erhob die Staatsanwaltschaft Potsdam Anklage gegen die Chefin des Pharmahandels Lunapharm, Susanne K., den Verkäufer der Medikamente, Mohamed H. sowie gegen Gunter K., den Geschäftsführer von Mohamed H. Das Gericht in Potsdam ließ sich vier weitere Jahre Zeit, bis es im Oktober 2023 endlich den Prozess eröffnete. Doch der Drahtzieher Mohamed H., der die Geschäfte in Griechenland eingefädelt hatte, fehlte. Angeblich war er verhandlungsunfähig, sein Verfahren wurde ausgesetzt. Kein Jahr später erwies sich Mohamed H. allerdings als ziemlich munter, als er sich in Frankfurt mit vermeintlichen Pharmahändlern traf, die in Wirklichkeit Undercover-Reporter des ARD-Magazins „Fakt“ waren. Er prahlte mit seinem Netzwerk, mit dem er innerhalb von drei bis fünf Tagen ein neues Krebsmedikament liefern könne.3

Lunapharm kaufte zwischen 2013 und 2018 Krebsmedikamente über eine griechische Apotheke ein, die über keine Großhandelserlaubnis verfügte. Als die Brandenburger Arzneiaufsicht der Firma das im Mai 2017 ausdrücklich untersagte, sollen Susanne K. und Mohamed H. einen zypriotischen Pharmahändler dazwischen geschaltet haben, um die Herkunft der Medikamente zu verschleiern. Der Zypriot sagte, er sei ausgestiegen, als sich Mohamed H. weigerte, seine Bezugsquellen offenzulegen. Der Zypriot trat als Kronzeuge vor Gericht auf.4

Die Geschäftsführerin von Lunapharm versuchte, in dem Prozess die Verantwortung auf ihre Geschäftspartner abzuschieben. Dem folgte das Gericht aber nicht. Ihre Anwälte räumten in ihrer Verteidigung ein, dass ihre Mandantin nicht wisse, woher die Ware genau stammte und wer sie am Ende lieferte. Die Vorsitzende Richterin sagte dazu: „Wir finden das nicht beruhigend. Der ganze Arzneimittelhandel in Europa ist darauf aufgebaut, dass man die Vertriebswege nachvollziehen kann.“4

In sichergestellten Chat-Protokollen zwischen Susanne K. und Mohamed H. fanden sich Fotos von empfindlichen Krebsmedikamenten, die auf Autositzen, Küchentischen und Betten präsentiert wurden. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete das als „ein grotesk unangemessenes Ambiente, das selbst Laien schaudern lässt“.5 Einige Rückstellproben der von Lunapharm gehandelten Medikamente hatte die Arzneimittelaufsicht untersuchen lassen. Auch wenn keine Qualitätsmängel nachgewiesen wurden, sah das Gericht ein erhebliches Maß an abstrakter Gefährdung. Die Geschäftsführerin wurde am 29.1.2025 zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, rund eine Million Euro des Firmenvermögens und 368.000 Euro des Privatvermögens wurden eingezogen. Die Angeklagte legte Revision ein, das Urteil ist deshalb noch nicht rechtsgültig.4

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat aufgrund des Fakt-Berichts neue Ermittlungen gegen den Drahtzieher M. H. aufgenommen und auch sein Verfahren vor dem Landgericht Potsdam könnte wieder aufgenommen werden. Beunruhigend bleibt, dass ein Jahrzehnt vergehen musste, bis ernsthaft gegen Händler vorgegangen wird, die mit ihren undurchsichtigen Geschäften wahrscheinlich Patient*innen gefährden. (JS)


  1. Tebrocke E (2018) Chronik eines Behördenversagens. PZ, 1. Aug. www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-312018/chronik-eines-behoerdenversagens [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  2. Tebrocke E (2018) Lunapharm: Task Force legt Bericht vor. PZ 29. Aug. www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-352018/task-force-legt-bericht-vor [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  3. Walter C (2024) „Arzneimittel sind das neue Kokain für Kriminelle“. tagesschau.de 9. Okt. www.tagesschau.de/investigativ/krebsmedikamente-128.html [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  4. Walter C (2025) Gericht verurteilt Händlerin zu Haftstrafe. tagesschau.de, 30. Jan. www.tagesschau.de/investigativ/mdr/lunapharm-krebsmedikamente-prozess-100.html [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  5. Walter C (2025) „Krebsmedikamente: Ich liebe sie einfach“ Zeit Verbrechen Nr. 32; S. 92 ↩︎

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