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Kürzlich berichteten wir kritisch über das Vorhaben Biontechs in Kigali (Ruanda). Das Pharmaunternehmen etabliert dort eine Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe. Angeblich, um die Diversifizierung der Impfstoffproduktion auf dem afrikanischen Kontinent zu unterstützen.1,2 Die Ergebnisse einer Analyse zeigen jetzt, dass das Vorhaben eine eher schwache Antwort auf die fehlende regionale Arzneimittelproduktion ist.3

Biontech lieferte im Dezember 2023 eine schlüsselfertige Fabrik in die Sonderwirtschaftszone der Hauptstadt.4 Damit will das Unternehmen nach eigenen Angaben das Ziel der Afrikanischen Union unterstützen, bis zum Jahr 2040 60% des Impfstoffbedarfs auf dem afrikanischen Kontinent selbst zu produzieren.5

NGOs nehmen Vorhaben unter die Lupe

Inwieweit die regionale Autonomie durch das Vorhaben wirklich vorangetrieben wird, untersuchten nun vier NGOs aus dem Bereich öffentliche Gesundheit: die afrikanische Forschungs- und Fortbildungsinstitution Afya na Haki, die Health Development Initiative und die Great Lakes Initiative for Human Rights and Development (beide Ruanda) und Wemos (Niederlande).

Folgende Annahme liegt der Studie zugrunde: Regionale Produktion zu stärken bedeutet laut Expert*innen, die gesundheitliche Chancengleichheit zu verbessern, beispielsweise durch den Zugang zu Gesundheitsprodukten. Dabei sollte ein Land Forschung und Entwicklung sowie Entscheidungen über die Preisgestaltung der hergestellten Gesundheitsprodukte eigenständig verwalten und selbstständig beeinflussen können. Dass die Produktionsstätte in Kigali diese Kriterien nur teilweise erfüllt, zeigen die Ergebnisse der Untersuchung.

Mehr als ein Schnellschuss?

Die Produktionsanlage scheint oberflächlich betrachtet eine schnelle Antwort auf die mangelnde Impfstoffproduktion und den Zugang zu Gesundheitsprodukten in Ruanda zu sein. Eine konkrete Einschätzung ist wegen dem bisher fehlenden Start der Produktion jedoch schwierig. So versprach Biontech anfänglich den Produktionsbeginn im Jahr 2022, jetzt wurde der Beginn auf 2025 verschoben. Expert*innen betonen, dass „anstatt Jahre damit zu verbringen, die ‚BioNTainer‘6 zu entwickeln und die Covid-19-Impfstoffproduktion zu starten, Biontech die Technologie stattdessen [frühzeitig] an afrikanische Hersteller hätte weitergeben können. Dadurch wäre es möglich gewesen, die Impfstoffproduktion innerhalb von 6-9 Monaten aufzunehmen, das hätte den Zugang zu Impfstoffen verbessert“.3

Auch wenn die Produktionsanlage die Versorgungssituation für Gesundheitsprodukte kurzfristig verbessern könnte, so bleibt die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit Ruandas in Bezug auf den Zugang fraglich. Die Studie verweist in diesem Zusammenhang auf das Kernproblem: Es mangelt an Plänen und Verpflichtungen, um die Souveränität und Eigenständigkeit des Kontinents langfristig zu stärken. Es ist beispielsweise nicht bekannt, ob Biontech die für die Produktion erforderlichen Technologien und das Know-how an die ruandische Regierung weitergibt.3 Expert*innen betonen: „Der Transfer von Technologie, Wissen, Know-how und Daten erfolgt zwar in Ruanda aber größtenteils innerhalb der Strukturen von Biontech“.6

Bedingungen für die öffentliche Förderung

Dem Kontinent fehlt es an Politiken und Strategien, um mRNA-Impfstoffe und andere Gesundheitsprodukte in vollem Umfang selbst zu entwickeln, herzustellen und zu vermarkten. Damit solche Vorhaben gelingen, müssen klare Pläne formuliert und Verpflichtungen von Seiten der im Norden ansässigen Pharmakonzerne eingegangen werden. Biontech hat zwar die Produktionsstätte gebaut, aber mit öffentlichen Fördergeldern werden die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen, das gilt auch im vorliegenden Fall. Gerade, wenn die regionale Herstellung von Gesundheitsprodukten mit öffentlichen Geldern (ko-)finanziert wird, sollte die Förderung an Bedingungen geknüpft werden. Diese sollten die lokale Verantwortung für die Entwicklung und Herstellung von Gesundheitsprodukten sicherstellen.3,7 Es muss der Prozess, die Technologie und letztendlich auch das gesamte Know-how der Pharmafirmen transparent und an afrikanische Hersteller weitergegeben werden. Das dies eher nicht im Interesse multinationaler Unternehmen ist, zeigte sich bereits während der Corona Pandemie. Biontech war nicht bereit, das Wissen zu teilen.1

Expert*innen verweisen darauf, dass „regionale Fertigung in der Region, aber auch für und durch die Region erfolgen soll“.6 In Zukunft müssten der Öffentlichkeit relevante Informationen über interne Prozesse, Technologien, die Verwaltung der Rechte an geistigem Eigentum und über die Beschaffung lokaler Arbeitskräfte bereitgestellt werden.6  (EF)


  1. Pharma-Brief (2022) WTO Patent-Waiver: Außer Spesen nichts gewesen. Nr. 5-6, S. 3 ↩︎
  2. Pharma-Brief (2024) Container statt Nachhaltigkeit? Deutsche Impfstoffproduktion in Ruanda. Nr. 2-3, S. 1 ↩︎
  3. Wemos et al. (2024) BioNTech Africa: in the region, but also for and by the region? A case study with recommendations for sustainable regional production of health products. www.wemos.org/wp-content/uploads/2024/06/Wemos_BioNTech-Africa_report.pdf [Zugriff 26.6.2024] ↩︎
  4. BMZ (2023) Erste kommerzielle mRNA-Impfstoffproduktion Afrikas geht in Ruanda an den Start. Pressemitteilung 18.12. www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/erste-kommerzielle-mrna-impfstoffproduktion-afrikas-startet-195992 [Zugriff 26.6.2024] ↩︎
  5. Shankar Balakrishnan V (2023) BioNTech Highlights African Vaccine Partnerships – But is Challenged to Ensure Real Tech Transfer. Health Policy Watch, 18 Nov. https://healthpolicy-watch.news/biontech-highlights-african-partnerships [Zugriff 2.7.2024] ↩︎
  6. Die sogenannten „BioNTainer“ bestehen aus sechs Schiffscontainern, die eine modulare Einheit bilden. ↩︎
  7. Wemos (2024) Webinar: BioNTech Africa: in the region, but also for and by the region? www.youtube.com/watch?v=lVV7wCSo2vE [Zugriff 1.7.2024] ↩︎

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