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Die Politisierung von Chloroquin
25. November 2020
In einem bemerkenswerten Editorial in JAMA setzt sich Michael Saag mit dem Aufstieg und Fall von Hydroxychloroquin gegen Covid-19 auseinander.1 Der Untertitel lautet treffend „Die Infusion von Politik in die Wissenschaft“. Warum wird ein Wirkstoff, für den es kaum Evidenz gibt, plötzlich in vielen Studien getestet und kritische Stimmen nicht gehört? Ausgangspunkt war eine sehr kleine nicht verblindete Studie, die positive Effekte zu zeigen schien. Sie wurde zunächst am 16. März 2020 als YouTube-Video „veröffentlicht“ und erschien vier Tage später ohne vorherigen fachlichen Review als Online-Version in einer Fachzeitschrift. Die Begeisterung der Ärzt*innen für den Wirkstoff lässt sich nicht allein mit den fehlenden wirksamen Behandlungsmöglichkeiten von Covid-19 erklären, so Saag. Die Angelegenheit wurde schnell politisch, als US-Präsident Trump Hydroxychloroquin „aus einem Bauchgefühl“ heraus als Behandlung empfahl und am 4. April 2020 die Beschaffung von 29 Millionen Tabletten anordnete. Obwohl kein Verantwortlicher aus dem US-Gesundheitsministerium diese Meinung unterstützte, erteilte die FDA am 28. März 2020 eine Notfallzulassung. Alle gut durchgeführten Studien zu Hydroxychloroquin ergaben, dass der Wirkstoff unwirksam gegen Covid-19 ist. Bereits am 15.6.2020 widerrief die FDA die Zulassung aufgrund von vorläufigen Studienergebnissen. Bis dahin und darüber hinaus wurden viele Patient*innen mit einem nutzlosen und nebenwirkungsreichen Präparat behandelt. Es ist eine ironische Fußnote der Geschichte, dass Donald Trump, als er selbst an Covid-19 erkrankte, sich nicht mit Hydroxychloroquin behandeln ließ. (JS)
- Saag MS (2020) Misguided use of hydroxychloroquine for Covid-19. JAMA http://doi.org/10.1001/jama.2020.22389 ↩︎