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Die Insulinversorgung in ärmeren Ländern ist prekär. Wesentlich dafür sind hohe Preise, drei Firmen beherrschen den Markt. Jetzt drohen weitere Rückschritte. Novo Nordisk will Staaten und NGOs nicht mehr mit Humaninsulin-Pens versorgen.

Als Südafrikas Regierung den Bedarf ausschrieb, erhielt sie kein Angebot. Novo Nordisk bietet Humaninsulin nur noch in Injektionsflaschen an. Auf Nachfrage teilte die Firma mit, die Einstellung hinge mit Kapazitätsengpässen zusammen, bestritt aber, dass die große Nachfrage nach der ebenfalls als Pen ausgelieferten profitablen Abnehmspritze Wegovy® (Semaglutid) der Grund dafür sei.1

Typ 1 Diabetikerinnen sind auf Insulin angewiesen. Die Nutzung von Spritzen und Injektionsflaschen ist umständlicher und fehleranfälliger als Pens. Die Südafrikanerin Lecritia Roberts, die seit ihrer Jugend Typ 1 Diabetes hat, kritisiert das: „Warum machen sie Dinge für Menschen, die Gewicht verlieren wollen komfortabler als für Menschen, die gegen eine Krankheit kämpfen?“1

Es mutet zynisch an, wenn Novo Nordisk sich darauf zurückzieht, die Firma böte ja weiterhin Pens mit Analoginsulinen an. Diese sind deutlich kostspieliger, bieten aber keine greifbaren Vorteile gegenüber Humaninsulin.

Ohnehin sind die Insulinpreise viel zu hoch, denn faktisch gibt es ein Oligopol, ein echter Wettbewerb findet nicht statt. Im Gegenteil, die Preise steigen. Das müsste nicht sein. Wie eine von Ärzte ohne Grenzen finanzierte Untersuchung herausfand, könnte die Versorgung viel billiger sein.2 Die Autorinnen der Studie werteten zwei kommerzielle Datenbanken über den internationalen Handel mit Wirkstoffen und weitere Quellen aus. Dann spielten sie zwei Szenarien durch: eine Gewinnrate nach Abzug aller Produktionskosten (Roh- und Hilfsstoffe, Material und Abfüllung, Steuern) von 10% und eine von 50%.

Für Einweg-Pens berechneten sie im ersten Szenario einen Kostenvorteil von rund 50% gegenüber dem günstigsten Preis auf dem Markt.3 Der Monatsbedarf von Humaninsulin könnte weniger als 5 US$ kosten. Noch günstiger geht es mit wiederverwendbaren Pens, die mindestens zwei Jahre verwendet werden können. Die Insulin-Patronen für die Pens ließen sich für rund 3 US$ pro Monat herstellen. Wiederverwendbare Pens hätten den zusätzlichen Vorteil, dass sich eine große Menge Plastikmüll einsparen ließe.

Analoginsuline sind in der Produktion um die Hälfte teurer, aber da sie sehr viel teurer verkauft werden, wäre der Preisunterschied bei ihnen sogar noch größer. (JS)


  1. Ahmed K (2024) Weight-loss drug firm accused of prioritising profits after halting insulin pen production. Guardian 16 Oct www.theguardian.com/global-development/2024/oct/16/weight-loss-drug-firm-novo-nordisk-insulin-pen-production [Zugriff 2.11.2024] ↩︎
  2. Barber MJ et al. (2024) Estimated Sustainable Cost-Based Prices for Diabetes Medicines. JAMA Open; 7, p e243474 https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.3474 ↩︎
  3. Aktuelle Marktpreise in 13 Ländern wurden ermittelt und die Preisspanne angegeben. Der im Text gezogene Vergleich bezieht sich auf den Kostenvorteil für das Land mit dem günstigsten Marktpreis. Für andere Länder wäre die Ersparnis sogar noch größer. ↩︎

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