
Allerlei Krisen in Kenia schaden der Gesundheit
11. November 2024
Sintflutartiger Regen verschärfte die Lage im April
Oftmals spürt der Globale Süden die Auswirkungen von Krisen am stärksten. Besonders, wenn sie gleichzeitig auftreten. Wir werfen einen Blick ins ostafrikanische Kenia: Staatsschulden, leere Krankenhäuser und überflutete Slums.
Das von uns mitgetragene Memento Fachgespräch im Mai zur vernachlässigten Tropenkrankheit Lepra zeigte nur eine von vielen gesundheitlichen Baustellen für die kenianische Bevölkerung.1 Herausforderungen finden sich in unzähligen Lebensbereichen. So errechnet der letzte Welthunger-Index für Kenia einen ernsten Schweregrad. Unterernährung hat seit 2016 wieder zugenommen, aktuell sind 34,5% der Bevölkerung betroffen.2 Auch wenn in Kenia offiziell Frieden herrscht, kam es seit dem Frühjahr immer wieder zu gewaltsamen Demonstrationen gegen die Regierung und ihre geplante Steuererhöhung.3
Kenia ist hoch verschuldet
Das Land gibt 61% der Steuereinnahmen für den Schuldendienst aus.4 Der seit 2022 regierende Präsident William Ruto sollte sein Land eigentlich aus der Schuldenspirale ziehen. Sein Rezept sind Steuererhöhungen, die der Internationale Währungsfonds – ein wichtiger Kreditgeber – befürwortet. Das Problem: Die Bevölkerung spürt keine Besserung ihrer Lage. Ein kenianischer Wirtschaftswissenschaftler erklärte: „Die Menschen erwarten Gegenleistungen. Nimmt man ihnen also Geld weg, ohne, dass sie etwas sehen, wächst ihre Wut.“
Besonders Frauen sind enttäuscht: Ruto wurde vor allem gewählt, weil er ankündigte, Hygieneprodukte wie Binden und Tampons kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Stattdessen waren zuletzt höhere Steuern auf Menstruationsartikel vorgesehen. Die geplante Steuerreform nahm er zwar zurück, doch zeigen sich die Kenianerinnen davon unbeeindruckt.
Leergefegte Krankenhäuser
Da auch bei den Sozialausgaben gespart wird, spürt der Gesundheitssektor die Auswirkungen enorm. So fehlt es an Medikamenten und Lebensmitteln in Kliniken. Auch unterbesetzte Krankenhäuser sind keine Seltenheit. Und das nicht, weil es kein Personal gibt. Ganz im Gegenteil: Mehr als 3.000 Assistenzärztinnen fanden zuletzt keine Anstellung, da sie nicht bezahlt werden können. Gleiches gilt für medizintechnische Angestellte und Pflegepersonal.5 Im Frühjahr streikte das kenianische Gesundheitspersonal fast zwei Monate wegen schlechter Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen. Operationen wurden abgesagt und die Krankenhäuser waren wie leergefegt, da kein Personal vor Ort war.6 Aufgrund prekärer Arbeitsbedingungen und niedriger Gehälter verlassen Fachkräfte zudem ihre Heimat. Länder des Globalen Nordens, die ebenfalls vom Personalmangel betroffen sind, profitieren davon.7
Darüber hinaus ist der Bildungssektor von den Sparmaßnahmen betroffen. Schulen müssen mit nur der Hälfte des geplanten Budgets auskommen und kämpfen, den Schulbetrieb überhaupt aufrechtzuerhalten.5
Tote nach Starkregen
Zu allem Überfluss war die letzte Regenzeit durch das Wetterphänomen El Niño außergewöhnlich stark ausgeprägt. Ganze Gebiete, so auch die sowieso schon instabil gebauten Slums, wurden überschwemmt. Hier leben besonders viele Menschen auf engstem Raum, weswegen die Situation für Slumbewohner*innen und ihre Gesundheit besonders schwierig ist. Mathare, wo schätzungsweise eine halbe Million Menschen leben, stand im Frühjahr zum größten Teil unter Wasser.8 Mindestens 200 Menschen kamen ums Leben, unzählige weitere Familien verloren ihr Zuhause.9
In Mathare leben Menschen, die Tag für Tag mit ihrem unglaublichen Lebensmut, ihrer Musik und ihrem Glauben ums Überleben kämpfen. Umso sprachloser machen die Videos in sozialen Netzwerken, die während der Fluten kursierten. Sie zeigten neben dramatischen Bildern aber auch den beeindruckenden Zusammenhalt der Menschen vor Ort. Ein wunderbares, wenn auch nur sehr kleines Zeichen in Zeiten multipler Krisen. (CK)
- Pharma-Brief (2024) Memento Fachgespräch 2024 in Berlin. Nr. 5, S. 6 ↩︎
- Global Hunger Index (2023) Kenia. [Zugriff 31.10.2024] ↩︎
- Deutschlandfunk (2024) Proteste gegen Regierung in Kenia dauern an. Sendung 27.6.2024. [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Gläßgen T (2024) Immer weiter in die Schuldenspirale. Tagesschau, 2. Juli [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Wilhelm Otieno K (2024) Globale Krisen auf lokaler Ebene. E+Z, 2. Mai [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Ärzteblatt (2024) Ärztestreik in Kenia nach 56 Tagen beendet. 9. Mai [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Abi S (2023) Braindrain in Afrikas Gesundheitswesen. E+Z, 8. Juni [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Bensch K (2024) Wenn das Wasser alles nimmt. Tagesschau, 27. April [Zugriff 30.8.2024] ↩︎
- Bensch K (2024) Zahl der Toten in Kenia steigt auf mehr als 200. Tagesschau, 3. Mai [Zugriff 30.8.2024] ↩︎