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Erkranken Sie an Chagas, aber haben das große Glück einer frühen Diagnose, stehen Ihnen genau zwei alte und sehr toxische Medikamente zur Verfügung, bei denen Therapieabbrüche häufig sind.1 Ist die Krankheit schon fortgeschritten, sind diese antiparasitären Präparate nicht mehr von Nutzen. Bei Schwangeren dürfen sie überhaupt nicht angewendet werden, dabei ist eine Mutter-Kind-Übertragung möglich. Obwohl der Chagas-Erreger bereits vor über 100 Jahren erstmals beschrieben wurde und schwere Schäden an Herz und Verdauungsorganen verursachen kann, sind Behandelnden somit oft die Hände gebunden. Wie bei fast allen vernachlässigten Tropenkrankheiten existiert kein Impfstoff.

Die klaffenden Lücken in der NTD-Forschung generell sind das Ergebnis eines schon lange anhaltenden Marktversagens und Innovationsstaus. Z. B. entfielen zwischen 1975 und 1999 von den über 1.300 neuen Wirkstoffen, die von der europäischen oder US-amerikanischen Zulassungsbehörde grünes Licht erhielten, nicht einmal 10 auf NTDs.2 Zwischen 2000 und 2011 war es sogar kein einziger.3 Seither hat sich dieses Schneckentempo nicht maßgeblich verändert, trotz einzelner Erfolge. Ein alternativer Weg der NTD-Forschung ist daher naheliegenderweise die versuchte Umnutzung bereits bekannter Präparate (Repurposing).4 Verschärft wird die Mangelsituation durch zunehmende Resistenzbildung, bedingt durch die weltweit intensive und mitunter wenig überwachte Nutzung einiger weniger Präparate.5

Auch in der Diagnostik sieht das Bild bei NTDs häufig düster aus, Tests sind z. B. oft zu aufwendig für eine Anwendung vor Ort. Betrachtet man den großen Nachholbedarf, verwundert es nicht, dass zudem in der Grundlagenforschung viel zu tun bleibt. Bei Noma etwa, einer oft extrem aggressiven Entzündung im Gesicht (zumeist bei Kindern), ist das genaue Erregerspektrum immer noch unklar.6 Des Weiteren werden dringend mehr Daten durch epidemiologische Studien benötigt. Generell ist beobachtbar, dass in der NTD-Forschung einige wenige Erkrankungen im Fokus stehen, während viele andere fast vergessen werden.7

Da die private Pharma-Wirtschaft trotz enormen Bedarfs Armutskrankheiten strukturell vernachlässigt, ist für NTDs traditionell die öffentliche Förderung und Forschung gar nicht wichtig genug einzuschätzen. Allerdings entwickeln sich die globalen Fördertrends besorgniserregend. Analysen zeigen, dass seit einem Hoch im Jahr 2018 die weltweite Forschungsförderung für vernachlässigte Erkrankungen wie NTDs signifikant abnimmt.8 Obwohl öffentliche Finanzierung weiterhin in der Gesamtheit herausragt, fiel sie 2024 abermals – auf den niedrigsten Wert seit 10 Jahren.9


  1. García-Huertas P, Cardona-Castro N (2021) Advances in the treatment of Chagas disease. Biomedicine & Pharmacotherapy; 142 ↩︎
  2. Trouiller P et al. (2022) Drug development for neglected diseases: a deficient market and a public-health policy failure. The Lancet, 359, p 2188 ↩︎
  3. Pedrique B et al. (2013) The drug and vaccine landscape for neglected diseases (2000–11): a systematic assessment. The Lancet, 1 ↩︎
  4. Hernandez HW et al. (2019) High Throughput and Computational Repurposing for Neglected Diseases. Pharmaceutical Research, 36 ↩︎
  5. WHO (2020) Neglected tropical diseases and One Health. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/341487/9789240024021-eng.pdf?sequence=1 [Zugriff 11.3.2025] ↩︎
  6. Khamsi R (2024) Tackling the reality of Noma. 19 Sep, www.nature.com/articles/d41586-024-03041-w [Zugriff 11.3.2025] ↩︎
  7. WHO (2024) WHO review of the drugs pipeline for neglected tropical diseases, Published: March 2024. www.who.int/observatories/global-observatory-on-health-research-and-development/monitoring/who-review-of-the-drugs-pipeline-characteristics-for-neglected-tropical-diseases#what-you-see [Zugriff 11.3.2025] ↩︎
  8. Impact Global Health (2025) Smart Decisions. The G-FINDER 2024 Neglected Disease R&D report. https://cdn.impactglobalhealth.org/media/G-FINDER-2024_Smart-Decisions_full-report.pdf [Zugriff 19.3.2025] ↩︎
  9. ebd. ↩︎

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