
Allgemeine Gesundheitsversorgung für alle
22. Juli 2025
Fortschritte und Herausforderungen in Sambia
Seit 2018 gibt es in Sambia eine gesetzliche Krankenversicherung. Besonders für Menschen mit nicht übertragbaren Krankheiten (NCDs), die oftmals über lange Zeit hohe Krankheitskosten tragen müssen, ist das ein Hoffnungsschimmer. Doch es gibt nach wie vor Herausforderungen.
Weltweit müssen viele Menschen einiges an Geld für ihre medizinische Versorgung bezahlen – v. a. wenn sie chronisch krank sind. Das ist oft eine große finanzielle Belastung. Nicht selten bedeutet Krankheit ein Abrutschen in Armut. So wurden allein 2019 insgesamt 344 Millionen Menschen weltweit durch selbst zu übernehmende Krankheitskosten tiefer in extreme Armut gezogen. Dies trifft v. a. dann zu, wenn keine allgemeine Gesundheitsversorgung (UHC) gegeben ist. Der sogenannte UHC Service Coverage Index (UCI) gibt an, inwieweit grundlegende Gesundheitsdienste zur Verfügung stehen und zugänglich sind. Dieser ist besonders niedrig in vielen Ländern des Globalen Südens. Aber auch innerhalb von Bevölkerungen bestehen sozioökonomisch bedingte Ungleichheiten. Betrachtet man zudem die UCI-Unterkategorie speziell zu NCDs, so sieht die allgemeine Gesundheitsversorgung weltweit – auch in weiten Teilen des Globalen Nordens – deutlich schlechter aus.
Universal Health Coverage (UHC)
Zu Deutsch allgemeine Gesundheitsversorgung, bedeutet laut der WHO, dass alle Menschen weltweit Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsdienstleistungen erhalten, ohne dass sie dadurch in finanzielle Notlage geraten. Dies umfasst über den gesamten Lebensverlauf hinweg alle notwendigen Aspekte von Prävention über Behandlung und Rehabilitation bis zur Palliativversorgung am Lebensende. UHC ist Teil der Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen. Doch seit ihrer Einführung stagnieren die Bemühungen und selbstzuzahlende Gesundheitskosten nehmen seit 2000 sogar kontinuierlich zu.1
UHC in Sambia
In den letzten drei Jahrzehnten hat Sambia – ein Land im südlichen Afrika mit zunehmender NCD-Krankheitslast – nach und nach politische Schritte in Richtung UHC unternommen., 2018 wurde schließlich das „National Health Insurance Scheme“ (NHIS) eingeführt. Dies bedeutet für rund 40% der Bevölkerung Zugang zur Gesundheitsversorgung, im Vergleich zu vorherigen 4%. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte für Sambia signifikante Fortschritte in Richtung UHC fest.
Interview mit Brenda Chitindi
Brenda Chitindi von der Tobacco Free Association of Zambia (TOFAZA) berichtete über die vielfältigen und großen Herausforderungen, die für die Bevölkerung Sambias z.B. mit Tabak- und Nikotinkonsum einhergehen (s. Kapitel „Vapes passend zum Outfit“). NCDs sind oftmals die Folge. Diese gesundheitlichen Belastungen und damit einhergehende Krankheitskosten seien für das Land und die Bevölkerung schwer handhabbar, erzählte sie. Wir fragten nach ihrer Einschätzung der Lage vor Ort.
Was änderte sich für Menschen mit NCDs nach Einführung der allgemeinen Gesundheitsversorgung in Sambia?
Chitindi: Das NHIS in Sambia ist sehr gut gestartet. Endlich erhielten mehr Menschen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Sie konnten Krankenhäuser aufsuchen und bekamen kostenlose Behandlungen und Medikamente.
Wie sieht die Situation aktuell aus?
Chitindi: Ich lebe selbst mit Bluthochdruck und Arthritis. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mittlerweile nur noch die Arztkonsultation kostenlos ist, nicht aber unbedingt mehr die Behandlung mit Medikamenten.
Wieso sind Medikamente nicht mehr kostenlos und was hat das für Konsequenzen?
Chitindi: Man erhält oft nur noch die günstigeren Medikamente. Für teurere Medikamente oder sogar umfangreichere Untersuchungen muss man selbst zahlen. Mit NCDs zu leben, kann also erneut sehr teuer werden. Infolgedessen sterben viele Menschen, da sie sich notwendige Behandlungen nicht leisten können.
Was sollte die Regierung Ihrer Meinung nach tun, um die Situation zu verbessern?
Chitindi: Wir – die Menschen, die mit NCDs leben – möchten die Regierung dazu auffordern, sich mit unserer Notlage zu befassen. Zum einen mit den Risikofaktoren, die überhaupt erst zu Erkrankungen führen. Zum anderen sollten sie die Einnahmen hinterfragen, die durch Tabak, Alkohol und Fast Food erzielt werden. Denn sie sind gleichzeitig die bedeutsamsten Risikofaktoren für NCDs.
Vielen Dank für das Interview!
Herausforderungen in Sambia
Tatsächlich stellte die WHO für Sambia trotz zu verzeichnender Fortschritte einen unterdurchschnittlichen UCI für NCDs im Vergleich zu anderen Ländern niedrigen und mittleren Einkommens fest.4 Auch gibt es Belege, dass Patient*innen teilweise zur Zahlung von Nutzungsgebühren z.B. beim Besuch von Arztpraxen aufgefordert werden. Es gibt zwar grundsätzlich eine Richtlinie zum kostenfreien Zugang, jedoch wird besonders in städtischen Gesundheitseinrichtungen oder großen Krankenhäusern oftmals trotzdem eine Gebühr erhoben.8 Zudem ist unklar, wie die Leistungen ausgewählt werden, die vom NHIS übernommen werden, und ob sichergestellt wird, dass diese den Gesundheitsbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, kosteneffizient sind und finanziellen Schutz bieten. Die Bevölkerung müsste hier auch aus Sicht der WHO mehr einbezogen werden.8 Die von Chitindi beschriebene Problematik könnte also mit der Herausforderung zu tun haben, dass jedes Land, das UHC einführt, entscheiden muss, welche Leistungen notwendig für eine qualitativ hochwertige Versorgung sind und welche nicht.6
Gleichzeitig spricht Chitindi die Finanzierungsproblematik an. Finanzierungsfragen sind zentral bei der Gestaltung von Systemen zur allgemeinen Gesundheitsversorgung. Die WHO merkt an, dass mehr öffentliche Gelder für die UHC in Sambia und weniger Abhängigkeit von externen Finanzierern notwendig sind.4 Gleichzeitig ist es wichtig, Risikofaktoren ausgehend von gesundheitsschädigenden Industrien, wie z.B. der Tabakindustrie, zu verringern und damit die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Eine geringere NCD-bedingte Krankheitslast könnte entsprechend die Ausgabenseite der UHC verbessern, indem vorzeitige Todesfälle (vor dem Alter von 70 Jahren) reduziert werden. Die mit gesundheitsschützenden Maßnahmen verbundenen Kosten lohnen sich letztendlich mehrfach: Es wird geschätzt, dass sie weniger als ein Fünftel der Summe ausmachen, die Sambias Wirtschaft jährlich durch die hohe Zahl an NCD-Erkrankten verliert.3 (SJ)