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Teure Therapien als globales Problem

Die Diagnose Krebs ist weltweit gefürchtet, die Überlebenschancen für Patient*innen hängen dramatischerweise oft ganz unmittelbar von finanziellen Rahmenbedingungen ab. Eine zentrale Rolle spielen die Kosten der eingesetzten Präparate, wie etwa die Versorgung von Kindern zeigt.

Krebs ist eine der global häufigsten Todesursachen und ein wachsendes Gesundheitsproblem für Länder niedrigen und mittleren Einkommens (LMICs).1 Es ist zugleich die Erkrankung mit den wohl größten Unterschieden zwischen Arm und Reich, was die Versorgung betrifft, sowohl in einzelnen Gesellschaften als auch im Vergleich zwischen Staaten und Weltregionen. Während in Ländern mit hohem Einkommen (HICs) Therapien teils immer differenzierter werden, verfügen viele Länder des Globalen Südens weiter nur über eine geringe onkologische Basisversorgung. Das globale Bild von Krebs ist entsprechend höchst ungleich, wie ein Blick auf Brust- und Prostata-Krebs zeigt: Obwohl das Mamma- und Prostatakarzinom in reichen Ländern 2,3- beziehungsweise 3,6-mal häufiger auftreten als in ärmeren, ist die Sterblichkeit in ärmeren Ländern pro 100.000 Menschen 1,4-mal höher für das Mammakarzinom und in etwa gleich hoch für das Prostatakarzinom.2

Toxische Kosten

Krebs kann für Patient*innen auch finanziell außergewöhnlich stark belastend sein. Dies gilt besonders in Nationen, in denen die soziale Absicherung schlecht ist. Jedes Jahr erkranken weltweit an die 400.000 Kinder an Krebs, 80% davon in LMICs und dort mit Überlebensraten von lediglich 10-30%.3 Eine Studie zur pädiatrischen Versorgung in LMICs konstatierte, für Familien bestehe durch Diagnose- und Behandlungskosten krebskranker Kinder „häufig die Gefahr katastrophaler Gesundheitsausgaben“.4

Kosten, die Krebs-Patient*innen und Angehörigen entstehen, reichen von Klinik-Anfahrtskosten und Arbeitsausfall bis zu Ausgaben für Diagnose, Therapie oder palliative Versorgung. Betroffene leiden in der Folge oft unter extremem finanziellen Druck. Seit Anfang der 2000er Jahre findet sich dafür in der Fachliteratur der Begriff der „finanziellen Toxizität“.5 Wichtigster Faktor sind meist die Kosten für Krebsmedikamente. Bei der Behandlung müssen oft mehrere gleichzeitig oder aufgrund nachlassender Wirksamkeit nacheinander angewendet werden.

Zu viel ist schlecht, zu wenig auch

Hohe Preise für Krebsmedikamente drohen sogar in HICs, staatliche Versorgungssysteme zu überlasten. Dies liegt nicht primär an hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Hersteller, wie von Industrieseite gern behauptet, sondern v. a. daran, „dass es der Markt hergibt“. Schätzungen der NGO Public Eye ergaben beispielsweise für fünf Krebsmedikamente in der Schweiz Gewinnmargen zwischen über 40% für Tecentriq® (Atezolizumab) von Roche und fast 90% für Revlimid® (Lenalidomid) von Celgene.6 Der Mythos, dass Krebspräparate schlicht teuer sein „müssen“, erleichtert ein solches Geschäftsgebaren. Eine Betrachtung des nationalen Diskurses in Norwegen stellte fest, dass die angebliche Notwendigkeit hoher Preise bei Krebsmedikamenten quasi nicht angefochten und Ursachen nicht kritisch problematisiert wurden.7

Während etwa in Europa bei Krebspräparaten viel­­­e­r­­­orts ein Überangebot an ähnlichen Wirkstoffen herrscht, was rationale Therapie erschwert, mangelt es in großen Teilen des afrikanischen Kontinents überhaupt an realistischen Behandlungsoptionen für Patient*innen. Denn sind geeignete Präparate vorhanden, müssen sie häufig selbst gezahlt werden. Dies ist umso problematischer, als dass viele Menschen erst spät eine Diagnose erhalten. Eine Studie trug 2024 Daten aus Krebsregistern von elf Staaten zusammen und stellte fest: „In Ermangelung von Früherkennungsprogrammen für die häufigsten Krebsarten in Subsahara-Afrika (Brust-, Gebärmutterhals- und Prostatakrebs) befanden sich von den Patient*innen mit bekanntem Stadium mehr als die Hälfte in einem fortgeschrittenen.“8 Als Folge nannten die Forscher*innen deutlich erhöhte Behandlungskosten und schlechtere Überlebenschancen.

Kinder als Leidtragende

Gemäß Schätzungen kosten in Ghana die Präparate zur Behandlung eines Kindes mit akuter lymphoblastischer Leukämie für einfache Arbeiter*innen ein bis über zweieinhalb Jahresgehälter (je nach spezifischem Präparat).9 Dies ist symptomatisch für LMICs, wie eine Kostenanalyse für unentbehrliche Krebspräparate konstatiert: „In diesen Settings sind Medikamente in der Regel der größte Ausgabenposten der Familie nach den Lebensmitteln und finanzielle Zwänge sind eine wichtigere Ursache für die Ablehnung einer Behandlung als falsche Vorstellungen über die Heilbarkeit von Krebs bei Kindern.“10

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die WHO massiven Handlungsbedarf sieht. Eine ihrer neuen Initiativen mit internationalen Partnern versorgt in einer Pilotphase ausgewählte Länder mit Medikamenten zur pädiatrischen Krebsbehandlung. So erhielt Nepal Anfang 2025 erste Lieferungen, um Kinder kostenfrei behandeln zu können.11 Eine global nachhaltigere Lösung wäre es allerdings, eine drastische Senkung der Preise von Krebsmedikamenten zu erwirken. (MK)


  1. Martinez ME et al. (2024) Cancer Screening in Low- and Middle-Income Countries. ASCO Educational Book; 44, p 1-9 ↩︎
  2. Henke O (2022) Globale Onkologie: Krebsversorgung in ressourcenarmen und tropischen Ländern. Forum; 37, p 391-96 ↩︎
  3. WHO et al. (2025) Closing the gaps: the Global Platform’s approach to childhood cancer medicine access. [Zugriff 8.5.2025] ↩︎
  4. Cotache-Condor C et al. (2023) Delays in cancer care for children in low-income and middle-income countries: development of a composite vulnerability index. Lancet Global Health; 11, p 505 ↩︎
  5. Azzani M et al. (2024) Describing financial toxicity among cancer patients in different income countries: a systematic review and meta-analysis. Frontiers in Public Health; 11, 1266533 ↩︎
  6. Public Eye (o. J.) Intransparente Forschungs- und Entwicklungskosten. [Zugriff 8.5.2025] ↩︎
  7. Stenmarck MS et al. (2021) Reframing cancer: challenging the discourse on cancer and cancer drugs—a Norwegian perspective. BMC Med Ethics; 22, p 1-10 ↩︎
  8. Joko-Fru, W Y et al. (2024) Cancer survival in sub-Saharan Africa (SURVCAN-3): a population-based study. Lancet Global Health; 12, p e947 ↩︎
  9. Mensah KB et al. (2021) Evaluating essential medicines for treating childhood cancers: availability, price and affordability study in Ghana. BMC Cancer; 21, 683 ↩︎
  10. Habashy C et al. (2023) Variations in global prices of chemotherapy for childhood cancer: a descriptive analysis. eClinical Medicine; 60, 102005 ↩︎
  11. UNICEF (2025) WHO and UNICEF welcome first delivery of essential childhood cancer medicines to Nepal under Global Platform Initiative. [Zugriff 8.5.2025] ↩︎

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