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Der Realität ins Auge schauen

Nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) sind omni­präsent und finden dennoch kaum Beachtung. Dies ist aber notwendig, um für alle Menschen angemessene Rahmenbedingungen für ein gesundes Leben, die lebenswichtige Versorgung im Krankheitsfall und eine stabile Finanzierung zu schaffen.

Vor dem Hintergrund der großen und weiter zunehmenden Krankheitslast durch NCDs, vor allem im Globalen Süden, ist das oberste Ziel die ambitionierte NCD-Prävention. In vielen Fällen können Erkrankungen vollständig vermieden oder ihr Eintreten verzögert werden. Das bedeutet konkret die Verringerung vorzeitiger Todesfälle. Gleichzeitig gilt es, eine allgemeine Gesundheitsversorgung für erkrankte Menschen zur Verfügung zu stellen, damit die Schwere ihrer Verläufe verringert wird, sie länger leben und dies mit besserer Lebensqualität.

Nachhaltige Entwicklung voranbringen

Aktuell sind viele Staaten „off track“, was die in den Zielen nachhaltiger Entwicklung (SDGs) anvisierte Reduktion von NCDs um ein Drittel bis 2030 angeht (SDG 3.4). Um aufzuholen, braucht es weltweit mehr politischen Willen für die Umsetzung von Maßnahmen auf nationaler Ebene, aber auch die Anerkennung von internationaler Verantwortung.1

Wie gewinnbringend – in mehrfacher Hinsicht – die Investition im Bereich der NCDs ist, wurde im vorangehenden Kapitel bereits dargelegt. Eigentlich sollte das universelle Menschenrecht auf Gesundheit als Argument für die globale Bekämpfung von NCDs ausreichen, doch kann jene zusätzlich auch als wirtschaftliche Investition verstanden werden. Insbesondere die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen und evidenzbasierten Maßnahmen mit Fokus auf vier Hauptrisikofaktoren – Tabak, Alkohol, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel – sind Investitionen mit einem sehr hohen „return on investment“. Mit den Interventionsempfehlungen (sogenannte „Best Buys“) der WHO wird also nicht nur in längere und gesündere Leben investiert, sondern auch in die Wirtschaft, da sie für mehr Beschäftigung und Produktivität sorgen.2 Allerdings ignorieren die Empfehlungen weitgehend psychische Erkrankungen trotz einer von ihnen ausgehenden hohen Krankheitslast, sowie die Risikofaktoren Luftverschmutzung und Klimawandel. Diese sollten zukünftig verstärkt in den Fokus gerückt werden. 25 der insgesamt 49 aktuell von der WHO empfohlenen Interventionen wirken bereits kurzfristig, sodass sie auch schon innerhalb einer Wahlperiode Effekte zeigen.3 Das könnte einen höheren Anreiz für die Politik bieten, schnell ins Handeln zu kommen.

Gesundheitssektor allein nicht ausreichend

Die Ursachen von NCDs sind komplex. Im Idealfall findet Gesundheitspolitik also in verschiedenen Sektoren statt und folgt damit dem Ansatz „Health in All Policies“ (siehe Kasten). Auch müssen NCDs verstärkt im Kontext von Klima- und Umweltkrise betrachtet werden.4 Der Klimawandel stellt eine fundamentale Bedrohung der Gesundheit dar – und führt auch zu einer Zunahme von NCDs.5 Es sollte sich zunutze gemacht werden, dass viele Maßnahmen zur NCD-Prävention gleichzeitig das Klima schützen.6 Insgesamt gilt: Erfolgreiche NCD-Bekämpfung hat viele positive Auswirkungen auch auf andere Bereiche nachhaltiger Entwicklung.1 Diese Chance gilt es zu ergreifen.

Besseren Zugang zur Versorgung schaffen

NCDs und ihre Behandlungen gehen häufig mit hohen Kosten für Betroffene einher, wie die Beispiele Krebs und Diabetes zeigen. Es braucht bessere soziale Absicherung und politischen Druck, um unentbehrliche Medikamente bezahlbar zu machen. Dazu gehören Transparenz bei der Preisgestaltung9 und Maßnahmen gegen durch Patente abgesicherte überhöhte Arzneimittelpreise (z.B. Zwangslizenzen). Die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Medikamenten sollte zudem durch die Stärkung von Lieferketten verbessert werden, z.B. durch vermehrte lokale Produktion und Qualitätsprüfungen.10

Um Menschen finanziell in Bezug auf Medikamente zu entlasten und vor krankheitsbedingter Armut zu bewahren, aber auch um vulnerable und marginalisierte Gruppen gut zu versorgen, braucht es zudem größere Anstrengungen, die allgemeine Gesundheitsversorgung flächendeckend zu verbessern. Dies verhilft im Gegensatz zu verschiedenen krankheitsspezifischen, sogenannten vertikalen Kontrollprogrammen auch zu einer effizienteren Behandlung von Menschen mit mehreren Erkrankungen. Gerade vor dem Trend rückläufiger Gesundheitsfinanzierung, können hier Synergien genutzt werden.

Aber auch das Andocken von NCDs an bestehende Gesundheitsprogramme, z.B. für HIV/Aids, kann bereits zu einem besseren Krankheitsmanagement führen und ist ein Schritt, um das Silodenken zwischen Infektionskrankheiten und NCDs zu überwinden. Für eine bedürfnisorientierte Versorgung ist es in jedem Fall wichtig, Menschen, die mit NCDs leben, aktiv einzubeziehen. Die vermehrte und strukturierte Erhebung von aufschlussreichen Gesundheitsdaten hilft darüber hinaus, tatsächliche Bedarfe von Bevölkerungen zu erkennen und darauf angemessen reagieren zu können.11

Multilateralismus zur Überwindung der NCD-Epidemie

NCDs erfahren langsam mehr politische Aufmerksamkeit, auch wenn sich das noch nicht adäquat in den nötigen Geldern wiederspiegelt. So sind sie z.B. aktuell Thema bei den G20 und auch das 2025 bevorstehende vierte High-Level Meeting der Vereinten Nationen zu NCDs bietet die Möglichkeit, das internationale Engagement zu Maßnahmen der NCD-Prävention und Kontrolle zu verbessern und den Abbau von Zugangsbarrieren zur Gesundheitsversorgung in den Fokus zu rücken. Dabei sollten, nicht zuletzt auch aus finanzieller Sicht, Synergien zwischen NCDs und anderen Bereichen Globaler Gesundheit in den Fokus gerückt werden. Dazu gehören auch weitere SDGs wie Bildung oder Armutsbekämpfung, die gesundheitsrelevante Auswirkungen haben.

Um nationale Bemühungen im Globalen Süden zu unterstützen, braucht es eine strukturell und finanziell gestärkte WHO und ausreichende Mittel der Entwicklungszusammenarbeit, orientiert am 0,7%-Ziel der Wirtschaftskraft, das gilt auch für Deutschland.12 Besonders vor dem Hintergrund des Missverhältnisses zwischen der NCD-Krankheitslast und der geringen Mittel, die zur Bekämpfung zur Verfügung stehen, wären weitere Kürzungen der Entwicklungsfinanzierung und eine Schwächung der WHO unverantwortlich. (SJ)


  1. WHO (2022) Invisible numbers. The true extent of noncommunicable diseases and what to do about them. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  2. WHO (2024) Tackling NCDs. Best buys and other recommended interventions for the prevention and control of noncommunicable diseases. Second edition. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  3. Galea G et al. (2025) Quick buys for prevention and control of noncommunicable diseases. The Lancet Regional Health – Europe;52, p 101281 ↩︎
  4. Varghese C (2025) Fourth UNHLM on noncommunicable diseases 2025: An opportunity to bridge the transcending priorities for impact in global south. PLOS Glob Public Health 5(3): e0004287 ↩︎
  5. WHO (2023) Climate change. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  6. WHO (2023) Noncommunicable diseases and climate change. Report of an expert meeting. Bonn, Germany, 1–2 December 2022. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  7. Köckler H & Geene R (2022). Gesundheit in allen Politikfeldern / Health in All Policies (HiAP). In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. ↩︎
  8. WHO (2025) World report on social determinants of health equity. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  9. WHA (2019) Improving the transparency of markets for medicines, vaccines, and other health products. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  10. WHO (2025) Ensuring equitable access to essential medicines and health technologies for noncommunicable diseases. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  11. RKI (2021) Internationale Zusammenarbeit im Bereich der Nicht-übertragbaren Erkrankungen (Non-communicable Diseases) [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  12. OECD (2025) Preliminary official development assistance levels in 2024. Detailed Summary Note. [Zugriff 17.5.2025] ↩︎

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