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Tabakindustrie zielt auf Kinder und Jugendliche ab

Sie sind unscheinbar, vergleichsweise günstig, bunt, verlockend lecker und unter jungen Menschen derzeit sehr beliebt: Einweg-E-Zigaretten. Dass sie auch Gefahren für Mensch und Umwelt bergen, scheint beim Dampfen eher Nebensache zu sein.

Trotz Fortschritten bei der Eindämmung des Tabakkonsums in den letzten 20 Jahren, konsumieren weltweit noch rund 1,3 Milliarden Menschen Tabakprodukte1 – rund 80% der Konsumierenden leben im Globalen Süden. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben 8 Millionen Menschen jährlich an den Folgen.2 Elektronische Zigaretten erfreuen sich sowohl hierzulande als auch im Globalen Süden wachsender Beliebtheit.3

Einstiegsdroge: Wenn der Dampf trügt

Es ist gar nicht so lange her, da galt Rauchen noch als uncool. Die Zahl der Zigaretten rauchenden Personen sinkt tendenziell – nicht gerade zur Begeisterung der Tabakindustrie. Weniger Rauchende bedeutet weniger verkaufte Zigaretten und weniger Einnahmen. Etwas Neues muss also her, Rauchen muss wieder cool werden.

Vor gut drei Jahren startete der Hype um Einweg-E-Zigaretten in Deutschland, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. 2024 machten rund 25% der Schüler*innen schonmal Erfahrungen mit E-Zigaretten5 – dabei sind sie in Europa grundsätzlich erst ab 18 Jahren erlaubt.6

Auch in Ländern des Globalen Südens steigt das Interesse an E-Zigaretten. Brenda Chitindi von der Tobacco Free Association of Zambia berichtet, dass sich v.a. junge Menschen für die neuen Nikotinprodukte interessieren: „Auch Tabakerhitzer und Nikotinbeutel erfahren zunehmendes Interesse.“

Einweg-E-Zigaretten strahlen in verschiedenen Farben, existieren in unglaublich vielen Geschmacksrichtungen und riechen nicht so fies wie die klassischen Zigaretten. Außerdem kann man sie ganz praktisch nach jedem Zug wieder in der Hosentasche verschwinden lassen – als wäre nichts gewesen. Doch der Dampf trügt. In den meisten Einweg-E-Zigaretten versteckt sich das süchtig machende Nikotin.7 „Wenn nach einem längeren Konsum von Einweg-E-Zigaretten die Nikotinabhängigkeit schon ausgeprägt ist, dann ist der Griff zu einer herkömmlichen Zigarette nicht mehr weit. Je früher eine Sucht entwickelt wird, desto schwieriger ist es, sie wieder loszuwerden“, stellt Sonja von Eichborn von Unfairtobacco fest. Vapen steigert das Risiko, später mit echten Zigaretten anzufangen – und zwar um mehr als das Dreifache.8

Gerauchte Zigarettenstummel liegen auf der Erde
Einweg-E-Zigaretten werden nach dem einmaligen Gebrauch weggeworfen. Zigarettenkippen verschmutzen die Umwelt. ©Prompilove/iStock

Täuschend harmlos: Warum Vapen gefährlicher ist, als man denkt

Nikotin stammt aus den Blättern der Tabakpflanze und ist ein Nervengift. Es gelangt über die Atemwege in die Blutbahn und wirkt in Sekundenschnelle auch im Gehirn. Kurzfristig fühlen sich Rauchende dann gut. Sie empfinden weniger Stress und Angst. Ihr Gehirn wird belohnt und so dauert der Griff zum nächsten Zug nicht lang. Langfristig hat Nikotin allerdings einige schädliche Auswirkungen auf den Körper. Nikotin lässt Blutgefäße schneller altern. Es sorgt dafür, dass diese sich mit Ablagerungen zusetzen – wie Rohre mit Kalk. Das führt teils zu Durchblutungsproblemen. Auch leiden das Immunsystem und der Stoffwechsel, weshalb z.B. das Risiko für eine Diabeteserkrankung steigt.9

Besonders für Kinder und Jugendliche stellt Nikotin eine Gefahr dar: Es beeinflusst das Gehirn und beeinträchtigt die geistige Entwicklung und Konzentration.10,11

Im Dampf der E-Zigaretten verstecken sich viele chemische Stoffe. Die geschmackvollen Aromen können entzündungs- und krebsfördernd sein.12

Es gibt unheimlich viele Gründe, mit dem Vapen anzufangen. Und es gibt noch viel mehr Gründe, um wieder damit aufzuhören.

Es ist in Deutschland seit 2016 verboten, E-Zigaretten an Minderjährige zu verkaufen. Auch der Konsum ist nicht erlaubt. Die Verbote gelten für nikotinhaltige und nicht-nikotinhaltige Flüssigkeiten.14 Dennoch konsumieren junge Menschen sie. Sonja von Eichborn erklärt, warum: „Ein Grund ist der Gruppenzwang: Wenn die coole Clique Einweg-E-Zigaretten nutzt, probiert man das selber auch aus. Junge Menschen wollen sich ausprobieren und sich gegen Verbote stellen. Aber auch Langeweile oder der Konsum von Alkohol kann dazu führen, dass man Dinge ausprobiert, die man sonst eigentlich nicht machen würde. Und dann gibt es Vorbilder auf Social Media, die nachgeahmt werden.“

Wenn Vorbilder Einweg-E-Zigarette rauchen

Schon seit 2022 ist es in Deutschland nicht mehr erlaubt, auf Plakaten oder im Kino vor Filmen mit Jugendfreigabe Werbung für Tabakwaren wie den herkömmlichen Zigaretten zu schalten.15 Ein Jahr später galt das Verbot für Tabakerhitzer und seit 2024 für E-Zigaretten, so auch im Internet.16 Kommunale Behörden sind dafür zuständig, zu kontrollieren, inwiefern diese Verbote eingehalten werden. Doch die Regulierung des Tabakmarketings bleibt lückenhaft.10

Die Strategien der Tabakindustrie

Junge Menschen verbringen viel Zeit im Internet, das weiß auch die Tabakindustrie. Deshalb versucht sie, in der digitalen Welt auf Kinder und Jugendliche einzuwirken.17 Wie die Tabakindustrie noch auf Maßnahmen wie Werbeeinschränkungen reagiert, stellt Sonja von Eichborn anschaulich dar: „Nachdem die Werbung auf Plakatwänden verboten wurde, gab es in Kiosken plötzlich vermehrt Bildschirme, über die dann Werbung geschaltet wurde. Denn was erlaubt ist, ist Werbung im Fachhandel. Und jeder Kiosk ist ein Fachhandel, hier darf Werbung im Innenraum und an den Außenflächen des Verkaufsortes gezeigt werden.“

Brenda Chitindi kennt die Strategien von Tabakunternehmen auch aus dem afrikanischen Sambia und findet klare Worte: „Hier sterben Tausende Menschen an den Folgen des Rauchens. Die Industrie will die verstorbene Kundschaft durch junge Menschen ersetzen.“ In Sambia werden Tabakprodukte sogar an oder in der Nähe von Schulen beworben und verkauft.

Außerdem verkauft die Industrie moderne Nikotinprodukte wie E-Zigaretten als sicherer oder gesünder als herkömmliche Zigaretten. So lenkt sie von der Tatsache ab, dass Nikotin süchtig macht und schädlich ist, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Ferner wird auf taktisches Marketing gesetzt: Vapes sind farbenfroh, einigermaßen preiswert und bieten vermeintlich kinderfreundliche Geschmacksrichtungen an.17

Darüber hinaus haben Tabakunternehmen auch bei uns in Deutschland noch immer großen Einfluss auf die Politik. Die Industrie pflegt Beziehungen zu politischen Entscheidungstragenden, sponsort öffentliche Institutionen und politische Parteien.18 Beispielsweise ist das Tabakunternehmen Philip Morris Stammgast auf Parteitagen. Wenn Parteitage ausgerichtet werden, gibt es immer auch eine Art Messe, auf der diverse Unternehmen einen Stand haben und so Kontakt zu einflussreichen politischen Entscheidungstragenden aufnehmen können.19

Damit will die Tabakindustrie Maßnahmen, die die Werbung, den Konsum oder den Verkauf von Tabak- und Nikotinprodukten weiter einschränken würden, verhindern. Sie will außerdem Steuererhöhungen für ihre Produkte so gering wie möglich halten, damit ihnen ihre Kundschaft nicht etwa aus Kostengründen verloren geht.18

Auch in Sambia hält die Industrie guten Kontakt zur Politik. Die dortige Regierung nehme jegliche Form von Geschenken an, erklärt Brenda Chitindi und fährt fort: „Die Tabakindustrie geht hier sogar so weit, dass sie den Bau von Schulen und Krankenhäusern mit unterstützt und sich so Freunde macht.“ Auch in Tansania und Kamerun übt die Tabakindustrie einen sehr großen Einfluss auf die Politikgestaltung ihrer Regierungen aus.20

Nachdem sich Deutschland 2005 zur FCTC verpflichtet hatte, nahm die Tabakkontrolle seitens der Politik hierzulande allerdings etwas an Fahrt auf. Ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden besteht seit 2007.21 Rauchverbote in der Gastronomie hingegen werden seitdem von den Bundesländern geregelt.22

Tabakpflanzen, die getrocknet werden
Die Blätter der Tabakpflanze müssen getrocknet werden. ©ndcityscape/iStock

„Unglaubliche Umweltsünde“

Schon herkömmliche Zigaretten sind extrem umweltschädlich: In ihnen steckt Tabak, der v.a. im Globalen Süden angebaut wird. Hauptanbauländer, aus denen Tabak auch nach Deutschland importiert wird, sind Brasilien, Indien und Malawi, aber auch Sambia oder Simbabwe. Wertvolles Anbauland für Nahrungsmittel wird dort für Tabakpflanzen fremdverwendet. Für die Trocknung der Pflanzenblätter braucht es große Mengen Feuerholz, das meist durch abgeholzte Wälder gewonnen wird.23 „In Simbabwe sind rund 20 Prozent der Entwaldung auf die Trocknung von Tabak zurückzuführen“, sagt Sonja von Eichborn.

Doch nicht nur die Umwelt leidet, auch die auf den Plantagen arbeitenden Menschen. Die Pflanze enthält Nikotin und verursacht bei den Arbeiter*innen akute Vergiftungen. Nur selten verfügen Bäuerinnen über passende Schutzkleidung.23 In den verwendeten Düngemitteln stecken ebenfalls gefährliche Giftstoffe wie Pestizide.24

Insbesondere Kinder und Jugendliche, die auf Tabakfeldern arbeiten statt zur Schule zu gehen, werden durch Chemikalien und Nikotinvergiftungen stark gefährdet und ihre körperliche Entwicklung negativ beeinflusst.23

Zigarettenkippen, ihre Verpackungen und immer mehr Einweg-E-Zigaretten vermüllen Städte, aber auch Wiesen und Felder. „600 Mal ziehen und danach wird das Ding weggeworfen. Es handelt sich dann um Elektroschrott, der nicht recycelt wird“, macht Sonja von Eichborn klar. Sie zeigt anhand der Einweg-E-Zigaretten auf, dass auch enorme Mengen Wasser für die Herstellung verbraucht werden: „Der Hauptbestandteil der Akkus in Einweg-E-Zigaretten sind Lithium, Kupfer und Bauxit. Lithium wird in den Anden, im südlichen Amerika, gewonnen. Dafür wird Salzwasser aus der Erde gepumpt und in Becken verdunstet. Das Wasser fehlt dann den Pflanzen, Tieren und indigenen Gemeinschaften vor Ort.“

Be smart – Don’t Start25

Eine weltweite Reduzierung des Tabakkonsums bedeutet: weniger Suchtkranke, weniger zerstörte Waldflächen, weniger Wasserverbrauch, weniger Müll in der Umwelt, aber auch mehr Nahrungsmittel statt Tabak auf Feldern im Globalen Süden.

Wer also Acht geben möchte auf seinen Körper, seine Mitmenschen und die Umwelt, sollte nicht mit dem Rauchen anfangen und lieber die Finger von den bunten, tückischen Vapes lassen. Wenn es nach Apfel schmecken soll, dann sollte man lieber einen echten Apfel essen.

V.a. aber müssen sich politische Entscheidungstragende dem Thema noch stärker widmen und sich die Einflussnahme der Industrie bewusster machen. „In unseren Nachbarländern Frankeich und Belgien sind Einweg-E-Zigaretten komplett verboten. Und in Deutschland sind wir immer noch am Diskutieren“, wundert sich Sonja von Eichborn und ergänzt: „Spätestens 2027 greift die Europäische Batterieverordnung. Und spätestens dann sind Geräte mit fest verbauten Akkus verboten.“

Vielen Dank für die Interviews! (CK)

Foto von Sonja von Eichborn
Foto von Brenda Chitindi

  1. Die Zahl umfasst „nur“ klassische Tabakprodukte wie Zigaretten, Zigarren, Zigarillos, selbstgedrehter Tabak etc., der Konsum elektronischer Produkte ist nicht miteinberechnet. ↩︎
  2. WHO (2023) Tobacco. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  3. Fletcher ER (2025) On 20th Anniversary of Framework Convention: New Tobacco Products, Social Media, and Illicit Trade Pose Big Challenges. Health Policy Watch. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  4. BIÖG (2024) E-Zigaretten & Tabakerhitzer. Fragen und Antworten zum Thema Gesundheit. ↩︎
  5. Charité (2024) Damit Kinder nicht zur Zigarette greifen. Pressemitteilung 17.1.2024. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  6. Global Tobacco Control (o. J.) Country Laws Regulating E-Cigarettes. [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  7. IQWiG (2022) Rauchen. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  8. Rupp A et al. (2024) Medizinische Fachgesellschaften fordern ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten. Pneumologie; 78, S. 320-324 ↩︎
  9. AOK (2024) Welche Wirkung hat Nikotin? [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  10. Unfairtobacco (2024) Einweg-E-Zigaretten. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  11. Deutsches Krebsforschungszentrum (2020) Tabakatlas Deutschland 2020. [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  12. Deutsches Krebsforschungszentrum (2024) Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten.
    [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  13. WHO (2005) WHO Framework Convention on Tobacco Control. Geneva, p 5 [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  14. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (o. J.) E-Zigarette. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  15. BMEL (2024) Neue Werbeverbote für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten und Nachfüllbehälter. [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  16. Kessel W (2024) Vapes im Visier: Heidelberger Krebsforscher für strengeres Werbeverbot für E-Zigaretten. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  17. WHO (2024) Hooking the next generation: how the tobacco industry captures young customers. Geneva. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  18. Deutsches Krebsforschungszentrum (2023) Index zur Einflussnahme der Tabakindustrie in Deutschland. [Zugriff 14.5.2025] ↩︎
  19. Reyher M (2024) Google, Philip Morris, DFL: Das sind die Sponsoren der Parteien. Abgeordnetenwatch. [Zugriff 15.5.2025] ↩︎
  20. Africa Tobacco Control Alliance (2023) Africa Tobacco Industry Interference Index 2023. [Zugriff 15.5.2025] ↩︎
  21. BMG (2025) Bundesnichtraucherschutzgesetz. [Zugriff 15.5.2025] ↩︎
  22. PRO RAUCHFREI e.V. (o. J.) Überblick über Nichtraucherschutz Gesetze in den einzelnen Bundesländern. [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  23. Brot für die Welt, Unfairtobacco (2015) Tabak: unsozial, unfair, umweltschädlich. Berlin. [Zugriff 15.5.2025] ↩︎
  24. Unfairtobacco (2018) Tabak – Wasser – Meere. [Zugriff 26.5.2025] ↩︎
  25. Bundesweiter Wettbewerb für rauchfreie Schulklassen ↩︎

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