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(K)eine Frage des Lifestyles

Nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) werden in Industrieländern traditionell mit dem Lebensstil assoziiert. Forschungsergebnisse zeigen aber, dass ihre Entstehung und Verbreitung weltweit maßgeblich durch Lebensbedingungen beeinflusst werden.

Es gibt viele verschiedene Faktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen. Dabei denken viele zunächst an die Gene, obwohl diese für die Entstehung vieler Krankheiten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Daneben belegen Studien zwar auch die negativen Effekte von bestimmten Verhaltensweisen, wie z.B. Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung, doch wäre es zu einfach, daraus zu schließen, dass Gesundheit allein eine Frage des richtigen Verhaltens ist.1 Ausschlaggebender sind die Lebensumstände, geprägt von sogenannten sozialen, kommerziellen und umweltbedingten Determinanten.2 Bereits 1986, in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, hält die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest, dass Gesundheit dort entsteht, wo Menschen „spielen, lernen, arbeiten und lieben“.3

Armut, Bildung und soziale Ungleichheit

Die Hauptrisikofaktoren von NCDs sind Tabak- und Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Luftverschmutzung.4 Ihre zentralen Treiber sind soziale Determinanten wie Armut, unzureichende Bildung und strukturelle Diskriminierung.5
Was die Auswirkungen von sozialen Determinanten betrifft, bestehen große Unterschiede sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb von Bevölkerungen. So leben Menschen in Ländern mit hoher Lebenserwartung im Durchschnitt 33 Jahre länger als in Ländern mit niedriger Lebenserwartung. Innerhalb von Ländern kann es ebenfalls zu unterschiedlichen durchschnittlichen Lebenserwartungen kommen, je nachdem welcher sozialen Gruppe jemand angehört und wo man lebt. Weltweit mangelt es an Gesundheitsgerechtigkeit, da die Lebensdauer ganz klar mit Wohnort, Einkommen und Bildung zusammenhängt.2

Wirtschaftliche Einflüsse

Der Zusammenhang zwischen sozialen Determinanten und Gesundheit ist schon länger bekannt. Anders steht es um die sogenannten kommerziellen Determinanten von Gesundheit, zu denen die WHO erst 2024 einen umfangreichen Bericht veröffentlichte.6 Daraus geht hervor, dass Produkte gesundheitsschädigender Industrien, wie der Tabak-, Alkohol- und Fast Food-Industrie, nicht nur ursächlich für Todesfälle sind, sondern auch gesundheitliche Ungleichheiten verstärken. Dies geschieht v.a. durch den negativen Einfluss, den die Industrien auf das Gesundheitsverhalten der Menschen ausüben. Aufgrund von Profitinteressen verfolgen die diversen kommerziellen Akteure Strategien, die zu erheblichem und zugleich vermeidbarem gesundheitlichen Schaden führen. Insgesamt sind mindestens ein Drittel der weltweiten NCD-Todesfälle auf Tabak, hochverarbeitete Lebensmittel, fossile Energien und Alkohol zurückzuführen. Problematisch ist auch, dass die Industrien untereinander eng zusammenarbeiten, um politische sowie soziale Systeme auszunutzen und zu beeinflussen.7

Eine Frage der Umwelt

Verschiedene umweltbezogene Determinanten wie Luftverschmutzung, Schwermetalle, Hitze, Lärm und städtische Wohnumgebungen beeinflussen die Entstehung von NCDs.4,8 Beispielsweise nahmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der WHO-Region Afrika zwischen den Jahren 2000 und 2019 erheblich zu.9 Dies ist nicht allein mit einer zunehmenden Lebenserwartung zu erklären. Verstädterung und damit verbunden sich verändernde Lebensgewohnheiten, Hitzestress und Luftverschmutzung erhöhen das Erkrankungsrisiko.

Jährlich kommt es allein aufgrund von Luftverschmutzung – innerhalb und außerhalb von geschlossenen Räumen – weltweit zu ca. 7 Millionen Todesfällen. 83% davon sind wiederum auf NCDs wie Schlaganfälle, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und Lungenkrebs zurückzuführen. Besonders betroffen sind die Regionen Afrika, östliches Mittelmeer und Südostasien. Insgesamt fallen 93% aller luftverschmutzungsbedingten Todesfälle auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Krankheitslast beziehen sich mehrere Unterziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen direkt oder indirekt auf die Verbesserung der Luft.10

Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung – ein unsichtbarer Killer. Darstellung in Anlehnung an WHO (2025)11

Gesunde Verhältnisse schaffen

Betrachtet man die verschiedenen Determinanten von Gesundheit, wird klar: Es braucht Rahmenbedingungen, die Gesundheit und Wohlbefinden fördern.

Ein eindrückliches Beispiel ist der Umgang mit den alarmierend hohen Zahlen an Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in vielen Regionen der Erde. Starkes Übergewicht im Jugendalter erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und bestimmte Krebsarten und kann die weitere Entwicklung der Heranwachsenden beeinflussen.12 Das Gesundheitsproblem hat weitreichende Folgen nicht nur für Menschen mit Adipositas, sondern belastet auch Gesundheitssysteme. Um es in den Griff zu bekommen, muss ein besonderes Augenmerk auf die Lebensumwelten v.a. von benachteiligten Bevölkerungsgruppen gelegt werden.13 Damit Kinder und Jugendliche sich mehr bewegen und gesund essen, empfiehlt die WHO Maßnahmen, die für Verhältnisse sorgen, die ein gesundes Verhalten unterstützen. Dazu zählen u.a. eine Regulierung der Lebensmittelwerbung, bezahlbare gesunde Lebensmittel – v.a. für benachteiligte Familien, bewegungsfördernde Umgebungen und insgesamt die Verringerung sozialer Ungleichheit.12

Einige Länder haben bereits erfolgreich Steuern auf stark gesüßte Getränke erhoben, die eine Hauptursache für zu hohen Zuckerkonsum darstellen, bei gleichzeitig sehr geringem Nährwert.14 Bei Zuckersteuern handelt es sich um eine von der WHO empfohlene, besonders kosteneffiziente Maßnahme gegen NCDs – ein sogenanntes „Best Buy“.15 Dennoch werden sie häufig noch nicht in dem Umfang umgesetzt, dass die mit ihnen bezweckten Ziele – Senkung der Verkaufszahlen und des Zuckeranteils – auch wirklich erreicht werden.14 (SJ)


  1. Sperlich S, Franzkowiak P (2022) Risikofaktoren und Risikofaktorenmodell. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. ↩︎
  2. WHO (2025) World report on social determinants of health equity. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  3. WHO (1986) Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  4. WHO (2024) Noncommunicable diseases. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  5. WHO (2022) Invisible numbers. The true extent of noncommunicable diseases and what to do about them. [Zugriff 18.5.2025] ↩︎
  6. Pharma-Brief (2024) WHO: Industrie in Europa kann tödlich sein. Nr. 6-7, S. 6-7 ↩︎
  7. WHO (2024) Commercial determinants of noncommunicable diseases in the WHO European Region. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  8. Rojas-Rueda D et al. (2021) Environmental Risk Factors and Health: An Umbrella Review of Meta-Analyses. Int. J. Environ. Res. Public Health 2021, 18, 704. https://doi.org/10.3390/ijerph18020704 ↩︎
  9. WHO (2020) Leading causes of death and disability. A visual summary of global and regional trends 2000-2019. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  10. WHO (2024) Sustainable Development Goal Indicator 3.9.1 mortality attributed to air pollution. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  11. WHO (2025) BreatheLife. Clean Air. Healthy Future. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  12. WHO (2024) A focus on adolescent physical activity, eating behaviours, weight status and body image in Europe, central Asia and Canada. Health Behaviour in School-aged Children international report from the 2021/2022 survey. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  13. WHO (2016) Report of the commission on ending childhood obesity. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  14. WHO (2023) Global report on the use of sugar-sweetened beverage taxes. [Zugriff 19.5.2025] ↩︎
  15. WHO (2024) Tackling NCDs. Best buys and other recommended interventions for the prevention and control of noncommunicable diseases. Second edition. [Zugriff 17.5.2025] ↩︎

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