Seit Jahrzehnten werden Antibiotika zu sorglos verschrieben und falsch angewendet. Das fördert die Entwicklung resistenter Keime.
zufolge könnten bis 2050 jährlich 10 Millionen Menschen weltweit sterben, weil Antibiotika nicht mehr anschlagen. Früher leicht behandelbare bakterielle Infektionen können heute tödlich enden.
In Indien wirken viele Antibiotika bereits nicht mehr. Das Land ist ein Epizentrum der Resistenzbildung– mit verheerenden Folgen für die Gesundheit. Schuld daran ist auch der viel zu häufige Einsatz dieser Medikamente. Rund 58.000 Babys sterben jedes Jahr an resistenten Keimen in Indien.
Die Infektionen werden durch Überverschreibung und mangelnde Hygiene auf den Säuglingsstationen im Krankenhaus übertragen. Auch die Pharmaindustrie fördert die Entwicklung von Resistenzen mit unethischen Geschäftspraktiken.
„Die enormen Gewinnspannen beim Verkauf von Antibiotika und der Mangel an Regulierung und Verantwortlichkeit hier in Indien ist eine perfekte Mischung für Bakterien, um sich weiterzuentwickeln und die vorhandenen Antibiotika zu schlagen.“ (Rahul Meesaraganda, indischer Journalist)
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Die Behandlung bei Infekten mit resistenten Keimen dauert lange, ist teuer und hat mehr Nebenwirkungen. Auch die Chancen auf Heilung sind schlechter. Viele Menschen können sich nicht einmal einen Arztbesuch leisten. Schlechte Lebensbedingungen machen krank und begünstigen die Ausbreitung von multiresistenten Keimen. In armen Ländern sind Resistenzen deshalb eine noch größere Bedrohung. Südafrika hat einen sehr hohen Verbrauch von Antibiotika und eine der höchsten Resistenzraten weltweit. Tuberkulose ist hier weit verbreitet. In vielen Fällen ist der Erreger multiresistent und die Behandlung schwierig. Für die Betroffenen beginnt oft schon vor der richtigen Diagnose ein langer Leidensweg. Bongekile Booi ist eine von ihnen.
durch Mangelernährung, schlechte Lebensbedingungen oder HIV/Aids. Besonders für die vielen Menschen mit HIV/Aids und Tuberkulose können resistente Keime tödlich sein. Von den 300.000 Tuberkulose-Fällen, die 2019 in Südafrika neu auftraten, waren 11.000 multiresistent.
“Wir werden stets neue Medikamente benötigen, denn Resistenzen werden sich immer weiter entwickeln.“ (Helen Cox, TB-Forscherin, Südafrika)
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In Tansania zeigen viele Antibiotika wegen hoher Resistenzraten kaum noch Wirkung. Die Menschen wissen zu wenig über den richtigen Gebrauch von Antibiotika und nehmen sie nicht wie verordnet ein. Gleichzeitig sterben immer noch Menschen, weil sie keinen Zugang zu diesen wichtigen Medikamenten haben. Unsere Partnerorganisation RBA-Initiative hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, dass Bewusstsein der tansanischen Bevölkerung zu Antibiotikaresistenz zu stärken.
Auf Märkten oder in Drogerien können sie die Mittel ohne Rezept kaufen – sogar einzelne Tabletten. Das ist zwar verboten, doch medizinische Versorgung und gute Beratung ist nicht überall möglich. Viele behandeln sich deshalb selbst und begünstigen dadurch die Entstehung von Resistenzen.
“Antibiotika sind leicht verfügbar. Jeder, der Antibiotika will, kann einfach zu einem Laden gehen, der Medikamente verkauft und sie sich holen - sogar ohne Rezept.“ (Nelson Faustin, Apotheker, Tansania)
Um die Versorgung auf dem Land zu verbessern, dürfen auch kleine Läden bestimmte Medikamente verkaufen. Sie werden zu sogenannten Accredited Drug Dispensing Outlets, kurz ADDO. Voraussetzung dafür ist, dass das Personal zuvor eine Schulung durchlaufen hat, in der es auch um den richtigen Gebrauch von Antibiotika geht.
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In Deutschland bekommt jeder vierte Krankenversicherte mindestens einmal im Jahr ein Antibiotikum. Oft ist die Behandlung nicht unbedingt nötig. Bei Frauen sind vor allem Blasenentzündungen ein häufiger Grund für eine Antibiotika-Therapie, obwohl es oft ohne geht. ÄrztInnen in Bielefeld gehen mit einem innovativen Projekt neue Wege und ändern ihre Verschreibungskultur.
Viele niedergelassene Ärzt*innen denken, ihre Patient*innen würden erwarten, dass sie eines verschreiben. Das fördert den Verbrauch von Antibiotika und die Entstehung von Resistenzen. Gute Kommunikation reduziert unnötige Verschreibungen. Im Projekt AnTiB (Antibiotische Therapie in Bielefeld) tauschen sich Ärztinnen und Ärzte auf lokaler Ebene aus. Sie entwickeln gemeinsam Leitlinien, wann und wie sie Antibiotika verschreiben.
„Antibiotika-Verordnungen finden in einem sozialen Kontext statt. Da spielt die Macht von Erfahrungen und Gewohnheiten eine Rolle, aber auch vermutete Erwartungshaltungen und Zeitdruck.“ (Roland Tillmann, Kinderarzt, Bielefeld)
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Gerhard Schwarzkopf-Steinhauser, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, gibt Auskunft über die Situation in Deutschland. Das Interview mit der BUKO Pharma-Kampagne können Sie in unserem Podcast nachhören:
In Südafrika soll ein innovativer Ansatz in Krankenhäusern die adäquate bzw. rationale Anwendung von Antibiotika sicherstellen. In vielen Kliniken wurden sogenannte Antimicrobial Stewardship Committees eingerichtet – Ausschüsse, die für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika sensibilisieren. Teamwork und Kommunikation werden dabei großgeschrieben – zum Wohl der PatientInnen. “Idealerweise sollte jedes Krankenhaus ein funktionierendes AMS Komitee haben.“ (Denasha Reddy, Internistin, Südafrika)
Ein erstmals 2009 in Schweden nachgewiesener Erreger, den ein Tourist aus Indien eingeschleppt hatte, wurde ein Jahr später bereits in 75 Ländern gefunden. Resistente Keime verbreiten sich weltweit über Menschen und Warentransporte.