Schlechte Datenlage weltweit und auch in Deutschland
Antibiotika-Resistenzen (ABR) kosten Menschenleben, führen zu langen KrankenhausAufenthalten und verursachen immense Kosten. Millionen Menschen im globalen Süden könnten dadurch künftig jedes Jahr in extreme Armut getrieben werden, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Doch bei der Kontrolle von ABR liegt noch Vieles im Argen wie Recherchen der BUKO Pharma-Kampagne zeigen.
Zur Welt-Antibiotika-Woche vom 18.-23. November mahnt die WHO mehr Engagement an im Kampf gegen die Resistenz-Problematik. Denn einige der früher am meisten gefürchteten Infektionskrankheiten werden heute weltweit wieder bedrohlich: Pneumonie, Tuberkulose, Sepsis, Gonorrhö oder Salmonellose sind aufgrund resistenter Erreger immer schwerer zu behandeln. Allein an multiresistenter Tuberkulose sterben jedes Jahr rund 230.000 Menschen.
Was sind die strukturellen Ursachen von Antibiotika-Resistenzen? Welche ökonomischen Folgen haben sie? Wie sehen lokale Handlungsansätze aus? Gemeinsam mit ExpertInnen aus Indien, Tansania, Südafrika und Deutschland geht die BUKO Pharma-Kampagne in einem zweijährigen von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW geförderten Projekt diesen Fragen nach. Unser erstes Fazit: Eine der wichtigsten Herausforderungen liegt in der akkuraten Dokumentation des Antibiotika-Einsatzes und auch der Resistenzlage bei Mensch und Tier. Es braucht verlässliche Daten, um Resistenzen national und international effektiv bekämpfen zu können. Doch die sind oft nicht zu haben, kritisiert Andy Gray, Professor für Pharmazie an der Universität Durban/Südafrika: „In zu vielen Ländern werden solche Daten nicht erhoben oder nicht öffentlich publiziert oder nicht genutzt, um Politik und Praxis zu informieren. Wo es Daten gibt, können diese oft nicht gut mit den Daten anderer Länder verglichen werden.“
Die WHO fordert zwar alle Länder auf, Antibiotika-Verbrauch und Resistenzen zu überwachen und alle erhobenen Daten in ein internationales Meldesystem einzuspeisen. Doch gerade in armen Ländern fehlt es häufig an der notwendigen Laborausrüstung und entsprechendem Know-how. Da neben den Medikamenten auch die Diagnostik in vielen Ländern für PatientInnen kostenpflichtig ist, findet bei armen PatientInnen meist keine mikrobiologische Diagnostik und somit auch keine Resistenz-Testung statt. Schlecht behandelbare Erkrankungen bei armen Menschen werden also seltener erfasst, obwohl sie häufiger unter Infektionen leiden. Das Datenmaterial ist schon deshalb wenig repräsentativ. Doch auch in reichen Ländern wie Deutschland liegt in Sachen Datenerhebung noch Einiges im Argen, was die internationale Vergleichbarkeit der ResistenzDaten erschwert:
„Nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes sind alle Kliniken in Deutschland dazu verpflichtet, den Antibiotika-Verbrauch zu dokumentieren und die Antibiotika-Resistenz-Situation entsprechend zu bewerten. Es besteht derzeit aber keine Verpflichtung, die erhobenen Daten auch in die beim Robert Koch Institut (RKI) vorhandenen Datenbanken zu übermitteln. Deshalb sind die in der ARS- (Antibiotika Resistenz Surveillance) und AVS-Datenbank (Antibiotika Verbrauchs Surveillance) veröffentlichten Daten nicht repräsentativ.“, bemängelt Gerhard SchwarzkopfSteinhauser, bis vor kurzem Chef der Klinikhygiene an den städtischen Krankenhäusern in München. Dabei sind diese Datenbanken nicht nur grundlegend, um die nationale ResistenzSituation bewerten zu können. Sie bilden auch die Grundlage für die Beteiligung Deutschlands an dem europäischen Überwachungssystem EARS-Net und dem internationalen ÜberwachungsSystem der WHO (GLASS).
Das Gesundheitspersonal in Deutschland sei zwar sensibilisiert und auch die Instrumente zur Erhebung der Verbrauchs- und Resistenzdaten seien vorhanden, meint Schwarzkopf-Steinhauser. Jetzt heiße es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Datenbanken des RKI auch gefüllt würden.
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