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Doppelveröffentlichungen verfälschen Wissenschaft

Wenn Autoren dieselbe Studie zweimal veröffentlichen, aber den Eindruck erwecken es handele sich um verschiedene Forschungsarbeiten, führt das zu falschen Schlussfolgerungen über den Nutzen der untersuchten Arzneimittel. Drei spanische Autoren kamen einem größeren Betrug auf die Spur.[1]

Luis Carlos Saiz und Kollegen aus Pamplona starteten 2015 eine systematische Übersichtsarbeit zu Blutdrucksenkern. Dabei fiel ihnen auf, dass acht klinische Studien, die alle denselben Hauptautor hatten, große Ähnlichkeiten aufwiesen. Nachfragen beim Autor verstärkten den Verdacht, dass gemogelt worden war. Um Klarheit zu bekommen, fragten die drei bei den Herausgebern der Zeitschriften nach. Schließlich kam heraus, dass es sich in Wirklichkeit nicht um acht, sondern nur um zwei Studien handelte. Eine schwerwiegende Angelegenheit, weil in allen Artikeln ein Vorteil für das neue Medikament reklamiert worden war. Immerhin hatte die investigative Arbeit von Saiz und Kollegen ein Nachspiel: Außer den beiden Erstveröffentlichungen wurden alle anderen Artikel inzwischen von den Zeitschriften zurückgezogen.

Wer einmal lügt …

Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) warnt, dass „die Gültigkeit früherer Veröffentlichungen eines Autors, der des Betruges überführt wurde, nicht mehr vorausgesetzt werden kann.“ Diese Annahme veranlasste die drei Spanier, andere Publikationen unter die Lupe zu nehmen. Sie fanden weitere 121 Veröffentlichungen desselben Verfassers. Bei 78 Artikeln war er der Hauptautor, davon waren die Hälfte (39) der Doppelveröffentlichung verdächtig. Dagegen waren die 53 Veröffentlichungen, bei denen er nur Mitautor war, unverdächtig.

Tarnen und täuschen

Kriterium für die Identifizierung der Dubletten war eine große Zahl identischer Daten in den verschiedenen Artikeln. Hinter den 39 Veröffentlichungen steckten nach Analyse von Saiz und Kollegen nur 15 klinische Studien. Neun waren zweimal, drei dreimal oder gar viermal unter verschiedenen Überschriften veröffentlicht worden.

Auch sonst wurde allerlei unternommen, um alten Wein in neue Schläuche zu gießen. Tabellen bekamen andere Titel und die grafischen Darstellungen der Ergebnisse waren unterschiedlich gestaltet. Meist vermied es der Autor, die anderen Veröffentlichungen zur selben Studie zu zitieren. Nirgends war ersichtlich, dass er dieselben Forschungsergebnisse mehrfach publiziert hatte.

Im Oktober 2015 schrieben Saiz und Kollegen die Herausgeber der 22 betroffenen Zeitschriften an. Die meisten reagierten zwar prompt mit einer Antwort. Zwei Drittel (64%) der Zeitschriften hatten jedoch auch zwei Jahre später noch keine endgültige Entscheidung über die inkriminierten Artikel getroffen. Nur vier Artikel wurden zurückgezogen. Fünf Veröffentlichungen wurden als Originalarbeiten identifiziert und fünf weitere hielten die Herausgeber für unterschiedlich genug, um nicht als Duplikat zu gelten. Bei vier anderen Artikeln wird noch diskutiert, ob sie zurückgezogen oder korrigiert werden. Nach zwei Jahren bleiben also immer noch 21 zweifelhafte Studienpublikationen übrig, wo der Ausgang völlig offen ist.

Die Wissenschaftler aus Pamplona kritisieren, dass es zwar vom ICJME, dem Committee on Publication Ethics (COPE) und dem Council of Science Editors (CSE) klare Regeln zum Umgang mit gefälschten Publikationen gibt, aber keine Fristen existieren. Das führt dazu, dass irreführende Artikel noch jahrelang den wissenschaftlichen Diskurs beeinflussen. Die meisten der fraglichen Veröffentlichungen wurden mehr als zehnmal in anderen Artikeln zitiert, einige über 50-mal. Die spanischen Autoren fordern deshalb auch klare Fristen zum Rückzug von offensichtlichen Fälschungen.

Alle beanstandeten Veröffentlichungen hatten ein Thema: Diabetes. Gerade auf diesem Forschungsgebiet zeigt sich eine hohe Konzentration auf wenige „Vielschreiber“. Holleman und KollegInnen identifizierten über einen Zeitraum von 20 Jahren 991 klinische Studien zu blutzuckersenkenden Medikamenten.[2] An den 3.782 Veröffentlichungen zu diesen Studien wirkten insgesamt 13.592 AutorInnen mit. Aber gerade einmal 110 schrieben an einem Drittel der Veröffentlichungen mit. Davon waren 44% Firmenangestellte und 56% WissenschaftlerInnen, die alle enge Beziehungen zur Pharmaindustrie pflegten.

Bleibt die beunruhigende Frage, ob AutorInnen, die eine Mehrfachveröffentlichung derselben Studie verschleiern, nicht vielleicht auch an anderen Stellen schummeln. Deshalb wäre die verpflichtende Veröffentlichung der Clinical Study Reports (CSR), die die vollständigen Ergebnisse enthalten, auch so wichtig. Die entsprechende EU-Verordnung sieht das für neu zugelassene Arzneimittel auch vor. Allerdings geschieht die Umsetzung zögerlich. Und ältere Studien bleiben eine Black Box, obwohl sie eine wichtige Basis für die ärztlichen Behandlungsempfehlungen sind.  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2018, S. 3

[1] Saiz LC et al (2018) When authors lie, readers cry and editors sigh. BMJ Evidence Based Medicine; 23, p 92

[2] Holleman F et al. (2015) Productivity of authors in the field of diabetes. BMJ; 350, p h2638