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Person mit Ziegen
© hadynyah/iStock

Malaria und Dengue

Vektorerkrankungen seit der Pandemie wieder verstärkt auf dem Vormarsch

Vektorübertragene Infektionskrankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber treten in tropischen bzw. subtropischen Regionen auf und sind in vielen Ländern des Globalen Südens endemisch. Während vor der Pandemie noch ein rückläufiger Trend bei den Malaria-Neuinfektionen zu erkennen war, lässt sich nun wieder ein Anstieg der Fallzahlen beobachten. Laut WHO stiegen die Fälle von 227 Mio. im Jahr 2019 auf 241 Mio. im Jahr 2020. Dabei entfällt nicht nur der Großteil der Zunahme auf afrikanische Länder, sondern schätzungsweise sogar 95% (228 Mio.) aller Infektionen mit Malaria weltweit (World Health Organization 2021). Die Erkrankung an Dengue hat in den letzten drei Jahrzehnten weltweit enorm zugenommen, insbesondere im ost- sowie südostasiatischen Raum und Ozeanien. Die WHO schätzt, dass mittlerweile etwa die Hälfte der Weltbevölkerung dem Risiko ausgesetzt ist, an Dengue zu erkranken (Du et al. 2021). Im Jahr 2019 wurden mehr als 5 Mio. Fälle gemeldet, der bislang höchste Wert (World Health Organization 2022). Währenddessen Dengue-Erkrankungen in nichtendemischen Ländern aufgrund pandemiebedingter Kontakt- und Reiserestriktionen ab 2020 stark abnahmen, kam es hingegen zu vermehrten Ausbrüchen in Südamerika und Südasien (Khan et al. 2022; Chen et al. 2022). Als besonders problematisch stellte sich in diesen Regionen die Co-Präsenz und -Infektion von Dengue und Covid-19 heraus, denn beide Erkrankungen sind influenzaartig und nicht direkt eindeutig differenzier- und diagnostizierbar (Bicudo et al. 2020). Weder für Dengue noch für Malaria existieren bis dato wirksame Impfstoffe  auf dem Markt. Ein neues Malaria-Vakzin lässt jedoch auf einen Meilenstein hoffen: In der zweiten Phase einer Studie lag die Wirksamkeit des Stoffes bei 77%. Bestätigen sich die Ergebnisse in der dritten Phase, würde erstmalig das WHO-Ziel eines Vakzins mit einer Wirksamkeit von mindestens 75% erreicht werden (Daubenberger und Moncunill 2022).

Juan Celis Salinas (peruanischer Infektiologe und Allgemeinmediziner):

Dr. Boakye (Medizinischer Epidemiologe vom Ghanaischen Gesundheitsdienst):

Ausbrüche und Verbreitungen von Dengue und Malaria können mithilfe entsprechender Präventions- und Kontrollmaßnahmen wie der Eliminierung von Brutstätten und der Sensibilisierung der Bevölkerung vermieden und somit das Erkrankungsrisiko gesenkt werden. In Pandemiezeiten kam es jedoch nicht nur zur Einstellung der medizinischen Gesundheitsdienste, sondern ebenfalls der umwelt- und gemeindebasierten Methoden zur Vorbeugung und Bekämpfung der Vektoren. Die erhöhte Sterblichkeit als auch das stärkere Auftreten der beiden Infektionskrankheiten können auf das Aussetzen dieser spezifischen Maßnahmen im Zusammenspiel mit der Implementierung weiterer Corona-Maßnahmen wie dem Lockdown, der u.U. eine längere Exposition bedeutete, zurückgeführt werden (Weiss et al. 2021; Cavany et al. 2021). Verglichen mit einer Situation ohne Covid-19-Pandemie, könnten innerhalb der nächsten Jahre bis zu 36% mehr malariabedingte Todesfälle auftreten (Hogan et al. 2020). Wissenschaftliche Analysen, die den mittelfristigen Einfluss der Corona-Pandemie auf die Kontrolle und Entwicklung von Dengue – vor allem in hochbetroffenen Ländern – quantifizieren, sind noch ausstehend (Chen et al. 2022).

Cesár Cabezas (Leiter des nationalen Gesundheitsinstituts, Arzt für Infektionskrankheiten):

Dr. Boakye:

Wenn es zu einer Infektion mit dem Dengue-Virus bzw. den Malaria-Parasiten gekommen ist, muss eine schnelle Diagnose und medikamentöse Behandlung erfolgen, um frühzeitig potenzielle schwerwiegende Konsequenzen bis hin zum Tod abwenden zu können. Viele Sozial- und Gesundheitssysteme waren jedoch überlastet, weil sie nicht über die strukturellen Voraussetzungen und ausreichend materielle, personelle sowie finanzielle Mittel verfügten, um der Pandemie und allen weiteren Gesundheitsproblemen begegnen zu können (Hasan et al. 2021). Für Menschen in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen (LMIC) bestehen zudem häufig große Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem und zu öffentlichen Gesundheitsressourcen. Dadurch können sie sich zum einen schlechter schützen und zum anderen die lebenswichtige Behandlung bei einer Infektion nicht leisten, weshalb die Krankheitslast insbesondere sozioökonomisch benachteiligte Menschen trifft. Beeinträchtigungen des Gesundheitsschutzes und der Krankheitsversorgung aufgrund der Pandemie gehen dabei ebenfalls in erster Linie zu Lasten vulnerabler Gruppen (Du et al. 2021; World Health Organization 2021). Zusätzlich veränderten soziale Stigmatisierungen und subjektive Ängste das Gesundheitsverhalten der Menschen, was sich u.a. darin zeigte, dass Gesundheitseinrichtungen seltener oder später aufgesucht und alternative Therapien bzw. Selbstmedikation konventioneller Medizin vorgezogen wurden (Ajayi et al. 2020).

César Munayco (Medizinischer Epidemiologe am Nationalen Zentrum für Epidemiologie, Krankheitsvorbeugung und -bekämpfung):

Dr. Boakye:

Mehr Informationen finden Sie bei den Schulmaterialien: Globale Folgen der Pandemie 


Ajayi, IkeOluwapo Oyeneye; Ajumobi, Olufemi Olamide; Falade, Catherine (2020): Malaria and COVID-19: commonalities, intersections and implications for sustaining malaria control. In: The Pan African medical journal 37 (Suppl 1), S. 1. DOI: 10.11604/pamj.supp.2020.37.1.25738 .

Bicudo, Naira; Bicudo, Eliana; Costa, Julia Duarte; Castro, Julliana Alline Leite Porto; Barra, Gustavo Barcelos (2020): Co-infection of SARS-CoV-2 and dengue virus: a clinical challenge. In: The Brazilian journal of infectious diseases : an official publication of the Brazilian Society of Infectious Diseases 24 (5), S. 452–454. DOI: 10.1016/j.bjid.2020.07.008 .

Cavany, Sean M.; España, Guido; Vazquez-Prokopec, Gonzalo M.; Scott, Thomas W.; Perkins, T. Alex (2021): Pandemic-associated mobility restrictions could cause increases in dengue virus transmission. In: PLoS neglected tropical diseases 15 (8), e0009603. DOI: 10.1371/journal.pntd.0009603 .

Chen, Yuyang; Li, Naizhe; Lourenço, José; Wang, Lin; Cazelles, Bernard; Dong, Lu et al. (2022): Measuring the effects of COVID-19-related disruption on dengue transmission in southeast Asia and Latin America: a statistical modelling study. In: The Lancet Infectious Diseases 22 (5), S. 657–667. DOI: 10.1016/S1473-3099(22)00025-1 .

Daubenberger, Claudia A.; Moncunill, Gemma (2022): Next-generation malaria subunit vaccines to reduce disease burden in African children. In: The Lancet Infectious Diseases. DOI: 10.1016/S1473-3099(22)00523-0 .

Du, Min; Jing, Wenzhan; Liu, Min; Liu, Jue (2021): The Global Trends and Regional Differences in Incidence of Dengue Infection from 1990 to 2019: An Analysis from the Global Burden of Disease Study 2019. In: Infectious diseases and therapy 10 (3), S. 1625–1643. DOI: 10.1007/s40121-021-00470-2 .

Hasan, Md Zabir; Neill, Rachel; Das, Priyanka; Venugopal, Vasuki; Arora, Dinesh; Bishai, David et al. (2021): Integrated health service delivery during COVID-19: a scoping review of published evidence from low-income and lower-middle-income countries. In: BMJ global health 6 (6). DOI: 10.1136/bmjgh-2021-005667 .

Hogan, Alexandra B.; Jewell, Britta L.; Sherrard-Smith, Ellie; Vesga, Juan F.; Watson, Oliver J.; Whittaker, Charles et al. (2020): Potential impact of the COVID-19 pandemic on HIV, tuberculosis, and malaria in low-income and middle-income countries: a modelling study. In: The Lancet Global Health 8 (9), e1132-e1141. DOI: 10.1016/S2214-109X(20)30288-6 .

Khan, Sakirul; Akbar, Sheikh Mohammad Fazle; Yahiro, Takaaki; Mahtab, Mamun Al; Kimitsuki, Kazunori; Hashimoto, Takehiro; Nishizono, Akira (2022): Dengue Infections during COVID-19 Period: Reflection of Reality or Elusive Data Due to Effect of Pandemic. In: IJERPH 19 (17), S. 10768. DOI: 10.3390/ijerph191710768 .

Weiss, Daniel J.; Bertozzi-Villa, Amelia; Rumisha, Susan F.; Amratia, Punam; Arambepola, Rohan; Battle, Katherine E. et al. (2021): Indirect effects of the COVID-19 pandemic on malaria intervention coverage, morbidity, and mortality in Africa: a geospatial modelling analysis. In: The Lancet Infectious Diseases 21 (1), S. 59–69. DOI: 10.1016/S1473-3099(20)30700-3 .

World Health Organization (2021): World malaria report 2021. Online verfügbar unter https://www.who.int/publications/i/item/9789240040496.

World Health Organization (2022): Fact sheet Dengue and Severe Dengue. Online verfügbar unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/dengue-and-severe-dengue.

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