Zum Inhalt springen

Liste der Weltgesundheitsorganisation verbesserungsbedürftig?

Die WHO-Liste gilt als Meilenstein in der globalen Arzneimittelpolitik, dennoch erscheint eine Überarbeitung der Prozesse sinnvoll und ist längst überfällig.

2023 empfahl der Sachverständigenausschuss für die WHO-Liste unentbehrlicher Arzneimittel, das Verfahren für die Aktualisierung der Modellliste und die Kriterien für die Entscheidungsfindung zu verändern. Das erscheint sinnvoll, denn die letzte Überarbeitung dazu ist über 20 Jahre her.1

Die WHO-Liste existiert seit fast 50 Jahren und wird alle zwei Jahre aktualisiert. Sie gilt als ein einflussreiches Instrument, um den Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten zu verbessern und die
allgemeine Gesundheitsversorgung zu fördern. Die Liste dient vielen Ländern als Orientierung für die Erstellung nationaler Listen. Zwar gilt die WHO-Liste international als Eckpfeiler für eine gute Versorgung, dennoch gibt es Kritik am Erstellungsprozess.

Von welchen Interessen sind die Anträge zur Aufnahme neuer Produkte in die Liste geleitet? Das derzeitige System ermöglicht es Einzelpersonen, Arzneimittel für die Liste der WHO vorzuschlagen. Das Auswahlkomitee muss also auf die Prioritäten der Antragstellenden reagieren.2 Eine Analyse macht dabei eine Schieflage deutlich: Fast alle Anträge für Arzneimittel, die zwischen 2003 und 2023 für die Liste der WHO vorgeschlagen wurden, stammen aus Ländern mit hohem Einkommen. Darunter ist die Pharmaindustrie mit ca. 10% vertreten.3 Auffällig ist, dass sich immer mehr Anträge und Empfehlungen auf Krebserkrankungen beziehen.4

Fragliche Interessenskonflikte im Auswahlprozess für die WHO-Liste sind bereits bekannt – ganz direkt, wie etwa über Zahlungen der Pharmaindustrie an Expert*innen, die am Auswahlprozess beteiligt waren, oder auch weniger offen sichtlich, wie der Einfluss des allgegenwärtigen Pharmamarketings auf die Bildung von Expert*innenmeinungen.4

Überarbeitungsbedürftig erscheint auch die Überführung von Arzneimitteln auf der WHO-Liste in nationale Listen. Oftmals besteht eine große Diskrepanz zwischen der WHO-Liste und den einzelnen
nationalen Listen. Der auffällige Unterschied ist nicht nur durch epidemiologische Bedingungen der jeweiligen Länder erklärbar, auch politische Erwägungen spielen mitunter eine Rolle. Ressourcen
werden möglicherweise verschwendet, insbesondere, wenn die Arzneimittel auf der nationalen, nicht aber auf der WHO Liste stehen.2 Auch die Kostenfrage muss gestellt werden. Immer häufiger werden hochpreisige Medikamente auf die WHO-Liste gesetzt. Ärmere Länder kämpfen stark mit den hohen Preisen und teilweise übernehmen sie Medikamente aufgrund der hohen Kosten nicht auf die nationalen Listen (wir berichteten).5

Insgesamt ist der normative Druck für Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen hoch, wenn ein teures Medikament in der WHO-Liste aufgeführt wird. Zwar gilt das Konzept der unentbehrlichen Arzneimittel für alle, aber für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen müssen angepasste Lösungen gefunden werden.4 Wobei dazu auch gehört, ungerechtfertigt hohe Preise generell in Frage zu stellen. Universelle Gesundheitsversorgung umzusetzen, wird nicht funktionieren, ohne die Rolle von geistigen Eigentumsrechten zu adressieren. (EF)


  1. WHO (2023) Revising the procedures for updating WHO’s Model Lists of Essential Medicines. Consultation report 2-3 Nov 2023, Geneva ↩︎
  2. Peacocke E F et al. (2024) Measuring the value of the WHO Model list of essential medicines. Bull World Health Organ; 102, p 684 http://dx.doi.org/10.2471/BLT.24.292521 ↩︎
  3. Jenei K et al. (2024) WHO shapes priorities for medicines? An analysis of the applicants and decision makers within the historical evolution of the WHO Model Lists of Essential Medicines. Lancet; 404, p 1365 ↩︎
  4. Piggot T et al. (2024) WHO Model list of essential medicines: visions for the future. Bull World Health Organ; 102, p 1372 http://dx.doi.org/10.2471/BLT.24.292359 ↩︎
  5. Pharma-Brief (2019) Essenzielle Probleme. Nr. 4-5, S. 1 ↩︎

Wenn Sie sich regelmäßig über die Pharma-Problematik informieren wollen, sollten Sie den Pharma-Brief abonnieren.

Jetzt abonnieren