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Deutschland: Spahns Machtgelüste
26. März 2020
Am Sonntag, 22.3.2020, wurde der Pharma-Kampagne ein noch nicht veröffentlichter Gesetzentwurf zugespielt.1 Er sollte dem Gesundheitsminister Jens Spahn angesichts der Ausbreitung von Corona weitreichende Vollmachten geben, die das Parlament nicht mehr hätte kontrollieren können. Schon in derselben Woche war eine Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat geplant. Wir informierten PolitikerInnen, Presse und kritische WissenschaftlerInnen und waren offensichtlich nicht die Einzigen.
Jedenfalls wurden dem Gesetz einige Giftzähne gezogen. Nur der Bundestag kann eine Notlage beschließen, die völlige Entmachtung der Bundesländer bei der Bewältigung der Krise wurde ebenso gestrichen wie die zwangsweise Handyüberwachung. Trotzdem fällt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ein vernichtendes Urteil über das verabschiedete Infektionsschutzgesetz.2 „Vor dem Hintergrund dieser Rechtssprechung [des Bundesverfassungsgerichts] sind die Ermächtigungen in § 5 Abs. 2 IfSG zum Erlass von Rechtsverordnungen wohl zumindest erheblich problematisch.“
Kritisiert wird, dass viele Ermächtigungen, Gesetze vorübergehend außer Kraft zu setzen, viel zu unbestimmt sind, weil sie nicht einzelne Regelungen in den Gesetzen betreffen, sondern pauschale Aussagen machen. „Bei den vorgenannten Maßnahmen geht es ganz überwiegend um erhebliche Grundrechtseingriffe, insbesondere auch um das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Der Gesetzgeber weist hierauf in § 5 Abs. 5 IfSG selber hin. Auch dieser Umstand spricht gegen die Zulässigkeit einer umfassenden Delegation der Gesetzesabweichung an die Exekutive.“ Das trifft besonders auf die Regelung zu, nach der der Minister in die Arzneimittelzulassung eingreifen kann. Dazu zitiert der Wissenschaftliche Dienst auch die Stellungnahme von zwei Juraprofessoren: „[D]ie Verantwortung für die Freigabe unzureichend getesteter Arzneimittel kann und muss der Gesetzgeber selbst übernehmen.“ (JS)
- BMG (2020) Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Bearbeitungsstand: 20.03.2020 23:23 Uhr www.bukopharma.de/images/aktuelles/BMG_2020-03-20_GE_Bevoelkerungsschutz.pdf ↩︎
- Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages (2020) Staatsorganisation und § 5 Infektionsschutzgesetz Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 080/20 Abschluss der Arbeit: 2. April 2020 ↩︎