
Pharma: Strafen aus der Portokasse?
12. Juni 2024
Von 2010 bis 2023 mussten 15 Pharmafirmen in den USA insgesamt über 80 Milliarden US$ Strafen zahlen.1 Dabei ging es vor allem um illegales Marketing zur Absatzsteigerung, Sicherheitsprobleme und die Verhinderung von Wettbewerb. Was wie eine atemberaubende Summe klingt, relativiert sich schnell, wenn man auf die ökonomischen Eckdaten schaut: Die 15 größten in den USA börsennotierten Firmen erzielten 2022 zusammen einen Umsatz von über 700 Mrd. US$ und Gewinne in Höhe von 146 Mrd., das bedeutet im Schnitt eine Gewinnrate von über 20%.
Spitzenreiter ist nicht zuletzt dank Covid-19-Impfstoff und -Medikament Pfizer mit 31,4 Mrd. US$ Gewinn bei einem Umsatz von 100,3 Mrd. US$. Das entspricht einer Profitrate von gut 31%. Zum Vergleich: Der Autokonzern Volkswagen erzielte im selben Jahr bei einem Umsatz von 279 Mrd. € einen Gewinn von 22,5 Mrd. bzw. 8%.2
Für Forschung kein Geld mehr?
Eine weitere Perspektive bietet Public Citizen angesichts der Debatte um den “Inflation Reduction Act” in den USA.3 Er erlaubt dem staatlichen Versicherungsprogramm für Rentner*innen erstmals, die Preise für die zehn für Medicare kostspieligsten Medikamente zu verhandeln – in anderen Ländern lange eine Selbstverständlichkeit. Dennoch kritisiert Big Pharma das heftig und behauptet, damit würde künftig Geld für Forschung fehlen. Public Citizen hat dagegen ausgerechnet, dass auch bei geringeren Preisen noch viel Luft bleibt. Denn die elf Firmen, die diese zehn Medikamente herstellen, gaben 2022 10 Mrd. US$ weniger für Forschung aus als für „selbstbereichernde Aktivitäten“.4 Dazu zählen Dividenden in Höhe von 67,7 Mrd. US$, Aktienrückkäufe zur Steigerung der Aktienkurse (39,4 Mrd.) und 562 Mio. für die 72 Top-Manager*innen. Diese profitieren direkt von steigenden Kursen, denn sie erhalten als Teil ihrer Vergütung Aktien.
Die USA sind der profitträchtigste Markt der Welt, aber auch in Deutschland sind die Margen beträchtlich: 2020 verursachten 21 Firmen 53% der Medikamentenkosten der gesetzlichen Krankenversicherung, sie erzielten einen durchschnittlichen Gewinn von 25,7%.5
Der Pharmamarkt funktioniert mit einer toxischen Kombination von hohen Preisen, Umsatzsteigerung durch Irreführung und erfolgreicher Lobbyarbeit, die eine ausreichende Regulierung von Produkten und Preisen verhindert.6 Dabei sind Strafen offensichtlich nicht hinreichend abschreckend und sogar schon eingepreist. (JS)
- Consumer Shield (2024) The Pharmaceutical Industry: Balancing Profits, Penalties, and Public Safety. 22 April www.consumershield.com/articles/the-pharmaceutical-industry-balancing-profits-penalties-and-public-safety [Zugriff 2.6.2024] ↩︎
- Arzneimittelbrief (2024) Big Pharma: Hohe Gewinne und zunehmende Regelverletzungen. 58, S. 16DB01 ↩︎
- Ravinthiran J (2024) Profits over patients. Public Citizen www.citizen.org/article/profits-over-patients [Zugriff 2.6.2024] ↩︎
- Self enriching activities ↩︎
- Telschow C et al. (2021) In: H. Schröder et al. (Hrsg.), Arzneimittel-Kompass 2021, https://doi.org/10.1007/978-3-662-63929-0_16 ↩︎
- Pharma-Brief (2024) Wer hat, dem wird gegeben. Nr. 4, S. 1 ↩︎