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Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid-Pandemie haben Frauen und Kinder besonders stark getroffen. Bereits zuvor bestehende Lücken in der Prävention und Ungleichheiten im Zugang zur Versorgung führten während der Krise zu einem erheblichen Zuwachs geschlechtsspezifischer Benachteiligungen. Es gilt aber nicht nur, den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, sondern es ist auch unabdingbar, die Voraussetzungen für eine gute Gesundheit zu schaffen. Nur so kann die Resilienz gegen kommende Epidemien und Krisen nachhaltig erhöht werden.

Bessere Versorgung

Bereits vor der Covid-Pandemie stellten Frauen die Mehrheit des weltweiten Gesundheitspersonals, aber auch in der informellen Pflege.1 Sie trugen während der Krise die größte Last. Dennoch werden die gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen, aber auch Kindern, nicht ausreichend berücksichtigt. Vielerorts brach die allgemeine Gesundheitsversorgung zusammen, mit gravierenden negativen Folgen für Patient*innen. Frauen waren  ganz besonders bei Diensten rund um die Geburt, dem Zugang zu Verhütungsmitteln und dem sicheren Schwangerschaftsabbruch betroffen. Kinder bekamen beispielsweise Standardimpfungen nicht mehr.

Eine wichtige Lektion aus der Pandemie: Die allgemeine Krankenversorgung muss bestmöglich aufrechterhalten werden. Dazu bedarf es ausreichend ausgestatteter Einrichtungen. Starke, resiliente Gesundheitssysteme, die für alle zugänglich sind, fehlen aber in vielen Ländern. Ein mögliches Gegenmittel: Die wohlhabenderen Staaten könnten in eine zu schaffende globale Bürgerversicherung einzahlen und so zum Abbau der weltweit bestehenden ungerechten Verhältnisse beitragen.2 Beim Aufbau von Universal Health Coverage ist besonders darauf zu achten, dass Hürden für marginalisierte Gruppen abgebaut werden. Sie tragen – nicht zuletzt durch die alltägliche Diskriminierung – oft eine überproportional große Krankheitslast. Auch sie sollten aktiv an Gestaltung und Bereitstellung von Gesundheitsdiensten beteiligt werden. Nicht zuletzt gilt für die gesundheitliche Versorgung weltweit, dass Frauen eine Gleichbehandlung, aber wo nötig, eine geschlechtsspezifische Behandlung erhalten müssen.

Voraussetzungen für eine gute Gesundheit schaffen

Armut macht krank. Soziale Gerechtigkeit ist also eine zentrale Voraussetzung für Gesundheit. Der Bekämpfung von Unterernährung kommt zum Beispiel eine entscheidende Rolle zu, denn unterernährte Menschen sind viel anfälliger für Krankheiten. Der Globale Norden muss als Hauptverursacher des Klimawandels eine nachhaltige Landwirtschaft und lokale Nahrungsmittelproduktion unterstützen. Eine Erhöhung der Agrarproduktivität und die Förderung der Kleinlandwirtschaft könnte insbesondere auch Frauen helfen.3

Der Aufbau sozialer Sicherungssysteme in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen hilft nicht nur die Krankenversorgung insbesondere armer Menschen zu verbessern, sondern auch eine ausreichende und abwechslungsreiche Ernährung sicherzustellen. Dem Konsum ungesunder Lebensmittel kann mit zielgerichteten Steuern entgegengewirkt werden.

Soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern müssen als wichtiger Faktor für geschlechtsspezifische Gewalt abgebaut werden. Das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung für Frauen muss weltweit durchgesetzt werden. Zur Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt können zum Beispiel Bildungs- und Sensibilisierungskampagnen zu gewaltschürenden Geschlechternormen aufklären.4

Vernachlässigte Forschung

Weiterhin mangelt es an Forschung, die die gesundheitlichen Bedürfnisse insbesondere von Frauen und Kindern im Globalen Süden adressiert. Evidenz und zielgruppenspezifisches Wissen zu Krankheitslasten sind aber unabdingbare Voraussetzung, sowohl um Ursachen besser zu verstehen, als auch um in Krisen die notwendige Versorgung sicherzustellen. Weltweit werden tiefere Kenntnisse über Bereitstellung, Zugang und die Nutzung von Gesundheitsdiensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit durch marginalisierte Gruppen benötigt.

Es gibt große Forschungslücken zu Krankheiten, die im Globalen Süden eine wichtige Rolle spielen, denn viele Fragestellungen sind für die gewinnorientierte Forschung nicht interessant. Weiterhin fehlen gut wirksame Impfstoffe gegen Tuberkulose (TB), Erkenntnisse zur Malariaprävention, Schwangere sind auf die Entwicklung verträglicher Medikamente z.B. gegen resistente TB angewiesen. Auch Forschung zur besseren Gesundheitsversorgung bei nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs in prekären Kontexten ist Mangelware.

Es ist also eine Stärkung der gemeinwohlorientierten Forschung notwendig. Dabei müssen auch endlich die wissenschaftlichen Fähigkeiten im Globalen Süden intensiver genutzt und finanziell gestärkt werden. Ein Lichtblick für die Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen – nicht nur gegen Covid – in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen stellt der jüngst von der WHO gegründete mRNA-Hub in Südafrika dar. Er bedarf einer nachhaltigen Unterstützung durch die Weltgemeinschaft.

Vorbereitung auf Krisen

Eine Pandemie macht nicht vor Grenzen Halt. Informationen, Schutzkleidung und Impfstoffe sollten bedarfsgerecht global verteilt werden, wurden jedoch während Covid vom Globalen Norden gehortet. Internationale Regeln, wie sie im ersten Entwurf zum Pandemic Treaty von der WHO vorgeschlagen wurden, könnten dieser Spiegelung der kolonialen Vergangenheit eine gerechtere Ressourcenverteilung in zukünftigen Pandemien entgegensetzen.5 Dabei ist es essenziell, dass Gesundheit Vorrang vor dem Patentschutz auf Gesundheitsgüter erhält. Es besteht die Sorge, dass im derzeit laufenden Treaty-Prozess wichtige Teile entkernt werden.

Während einer Pandemie muss der Zugang zu allgemeinen Gesundheitsdiensten sowie Medikamenten gewährleistet werden. Es ist besonders wichtig, dass Dienste für Frauen aufrecht erhalten werden. Dazu zählt nicht nur die Schwangerenfürsorge, sondern auch die Früherkennung beispielsweise für Gebärmutterhalskrebs und professionelle Dienste für Schwangerschaftsabbrüche. Die Vernachlässigung der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Infektionskrankheiten wie Malaria, TB oder HIV kann jahrzehntelange Fortschritte zunichtemachen. Aber auch die Versorgung von nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs oder Diabetes darf nicht aus den Augen verloren werden.

Eine Lektion für zukünftige Pandemien ist die Notwendigkeit abzuwägen, ob Lockdowns für verschiedene Gruppen wie z.B. Schulkinder angemessen sind oder die daraus resultierenden Nachteile für ihre körperliche und psychische Gesundheit überwiegen. Notfallpläne sollten nicht nur Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, sondern beispielsweise auch solche zur Ernährungssicherheit, Vorbeugung und Erkennung von häuslicher Gewalt enthalten.

Entschiedene politische Schritte sind notwendig, um das Menschenrecht auf Gesundheit und die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen wie Geschlechtergerechtigkeit, Ende von Armut und Hunger sowie Gesundheitsversorgung für alle zu erreichen.6 Es gilt, aus Covid-19 zu lernen, um grundlegende Schwächen bei der Prävention und Behandlung von Krankheiten zu erkennen – auch, um nicht bei einer nächsten Pandemie Fehler zu wiederholen.  (SJ/JS)


  1. United Nations (2015) Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development. https://sdgs.un.org/ [Zugriff 7.6.2023] ↩︎
  2. Gebauer T (2019) Globale Bürgerversicherung – Gesundheit für Alle. medico international https://www.medico.de/blog/gesundheit-fuer-alle-17602 [Zugriff 7.6.2023] ↩︎
  3. United Nations (2015) Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development. [Zugriff 7.6.2023] ↩︎
  4. Di Napoli I et al. (2019) Ending Intimate Partner Violence (IPV) and Locating Men at Stake: An Ecological Approach. International Journal of Environmental Research and Public Health; 16, p 1652 https://doi.org/10.3390/ijerph16091652 ↩︎
  5. WHO (2023) Zero draft of the WHO CA+ for the consideration of the Intergovernmental Negotiating Body at its fourth meeting. https://apps.who.int/gb/inb/pdf_files/inb4/A_INB4_3-en.pdf [Zugriff 7.6.2023] ↩︎
  6. United Nations (2015) Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development. [Zugriff 7.6.2023] ↩︎

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