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Gefahr für die Verlässlichkeit von Studienergebnissen

Mehr als eine Milliarde Dollar floss von der Pharmaindustrie an US-amerikanische Ärzt*innen, die als Peer-Reviewer fungieren. Interessenkonflikte dieser Gutachter*innen für Artikel renommierter wissenschaftlicher Zeitschriften sind wahrscheinlich.1

Eine Studie untersuchte finanzielle Zuwendungen an Peer-Reviewer der medizinischen Fachzeitschriften BMJ, JAMA, Lancet und NEJM. Hierfür wurden die Reviewer-Listen der vier Zeitschriften aus dem Jahr 2022 mit den Daten der US-amerikanischen Open Payments Datenbank über die vergangenen drei Jahre verglichen. Das Ergebnis: Über die Hälfte der knapp 2.000 Peer-Reviewer dieser Zeitschriften erhielten allgemeine Zahlungen und/oder Forschungsgelder von der Pharmaindustrie. Dabei sind diese Werte noch eine Unterschätzung, da Industriezahlungen an die Reviewer, die aus anderen Ländern stammten, nicht systematisch erfasst werden konnten.

Höhe der Zuwendungen

Insgesamt zahlte die Pharmaindustrie 1,07 Milliarden US-Dollar an die Reviewer der Zeitschriften. 30 Prozent erhielten Zuwendungen für ihre Tätigkeit als Studienarzt oder -ärztin oder ging an ihre Institution, für die sie forschten. Mehr als die Hälfte der Reviewer erhielten „allgemeine Zahlungen“ für Beratungs- oder Vortragshonorare, Reisen oder Essen über insgesamt 64,2 Millionen US-Dollar, durchschnittlich 7.614 US-Dollar pro Kopf.

Auch wenn die Zahlungen oft nicht in einem direkten Zusammenhang mit den Peer-Reviews stehen, zeigt die Erfahrung, dass Interessenkonflikte das Urteil von Ärzt*innen trüben können.2 Wenn Studienautor*innen Vorschläge zur Begutachtung machen dürfen, schlagen sie Reviewer*innen vor, die freundlicher über ihre Forschung urteilen.3

Fehlende Transparenz

Laut den Regularien des Internationalen Komitees der Herausgeber medizinischer Zeitschriften (ICMJE)4 müssen Peer-Reviewer nach Interessenkonflikten gefragt werden. Besteht die Möglichkeit einer Befangenheit gegenüber einem Manuskript, sollen sich die Gutachterinnen von der Bearbeitung zurückziehen. Ein Problem ist aber, dass die Interessenkonflikte zwar abgefragt, aber nicht öffentlich kommuniziert werden.

Verheerende Folgen möglich

Die Peer-Reviewer der genannten Zeitschriften tragen Verantwortung, denn ihre Arbeit beeinflusst wichtige Entscheidungsprozesse: Empfehlungen, die in Leitlinien ausgesprochen werden, basieren auf genau diesen Publikationen, für die sie mitverantwortlich sind.

Während die Autor*innen Interessenkonflikte offenlegen müssen, geschieht das bei Peer-Reviewern in der Regel nicht. Dabei tragen diese oftmals mehr zu dem Inhalt des Artikels bei als die mitarbeitenden Ko-Autor*innen – und das ganz ohne Kennzeichnung.5 Eigentlich soll das Prinzip des Peer-Reviews die Qualität der Veröffentlichung von Studienergebnissen verbessern, haben am Review Mitarbeitende Interessenkonflikte, passiert aber schnell mal das Gegenteil.

Klar ist, dass kommerzielle Interessenkonflikte eine Gefahr für die Verlässlichkeit von Studienergebnissen sind. Industriezahlungen an Peer-Reviewer müssen dringend beforscht und transparent gemacht werden. (EF)


  1. Nguyen D-D et al. (2024) Payments by Drug and Medical Device Manufacturers to US Peer Reviewers of Major Medical Journals. JAMA; 332, p 1480 https://doi:10.1001/jama.2024.17681 ↩︎
  2. Pharma-Brief (2020) Viele Facetten der Beeinflussung – Interessenkonflikte in der Medizin. Nr. 8-9, S. 3 ↩︎
  3. Resnik D. B. et al. (2018) Conflict of Interest in Journal Peer Review; 46, p 112 https://doi.org/10.1177/0192623318754792 ↩︎
  4. ICMJE (2025) Recommendations for the Conduct, Reporting, Editing, and Publication of Scholarly Work in Medical Journals https://www.icmje.org/icmje-recommendations.pdf [Zugriff 5.3.2025] ↩︎
  5. Erren TC and Shaw M (2013) Peer reviewers can meet journals’ criteria for authorship. BMJ; 346, p f166 https://doi.org/10.1136/bmj.f166 ↩︎

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