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Menschen auf der ganzen Welt wurden zeitweise dazu aufgefordert, ihr Zuhause nicht zu verlassen. Das bot in vielerlei Hinsicht einen Nährboden für Aggressionen – auch innerhalb der eigenen vier Wände. Dennoch blieb häusliche Gewalt ein Thema, das während der Pandemie eher am Rande Beachtung erfuhr. Wir beleuchten die Situation mit einem Schwerpunkt auf Südafrika und Deutschland.

Weltweit waren Frauen und Mädchen, die mit gewalttätigen Partnern oder Familienmitgliedern unter einem Dach wohnen, während der Pandemie einem hohen Risiko ausgesetzt. Zum einen verlagerte sich das gesamte soziale Leben stark in private Räume. Vorfälle, die sonst zum Beispiel in Schulen bemerkt worden wären, konnten leichter verborgen bleiben.1 Zum anderen verstärkten räumliche Enge und fehlende Rückzugsmöglichkeiten Stress, Spannungen und Konflikte in Haushalten.2,3

Während sich in den polizeilichen Kriminalstatistiken für Deutschland keine besonders auffällige Entwicklung von Fällen häuslicher Gewalt widerspiegelte, berichteten Hilfstelefone und Beratungsstellen von einem merklichen Anstieg der Zahl betroffener Frauen und Mädchen.4,5 Eine Untersuchung aus England stellte mit Beginn des Lockdowns eine erhebliche Zunahme von Suchbegriffen bei Google fest, die mit Hilfe gegen häusliche Gewalt im Zusammenhang standen.6

Amnesty International registrierte in fünf Ländern des südlichen Afrikas eine Zunahme von Gewalt gegen Frauen. Im April 2020 berichtete der südafrikanische Polizeiminister Bheki Cele, dass allein in den ersten neun Tagen des Lockdowns 2.300 Fälle gemeldet wurden – eine extreme Zunahme der Hilferufe.7 Präsident Cyril Ramaphosa erklärte geschlechtsspezifische Gewalt aufgrund des alarmierenden Anstiegs im November 2022 sogar zur wichtigsten Pandemie des Landes.8

Ein weiterer Faktor waren die pandemiebedingten Auswirkungen auf das Arbeitsleben. Frauen reduzierten teilweise ihre Arbeitszeit, um den Ausfall von Kinderbetreuung aufzufangen. Global gesehen arbeiten Frauen häufig in prekären Arbeitsverhältnissen oder im informellen Sektor, daher waren sie häufiger von Arbeitsplatzverlusten und wirtschaftlicher Unsicherheit betroffen.10 Betroffene hatten außerdem wegen des Lockdowns Schwierigkeiten, Frauenhäuser aufzusuchen. Auch die ständige Anwesenheit der Gewalt ausübenden Person trug dazu bei.11

Wer es schaffte, Schutz zu finden, musste sich oft in Selbstisolation begeben, damit sich Covid nicht in der Einrichtung verbreitete. Den Frauen fehlte so die in ihrer emotional schwierigen Lage so wichtige Solidarität und Gemeinschaft. Auch das Personal litt darunter, nicht richtig helfen zu können.12

Reaktionen auf die Krise

Sowohl Südafrika als auch Deutschland haben während der Covid-Pandemie Maßnahmen ergriffen, um häuslicher Gewalt zu begegnen. In Südafrika hat die Regierung ein Gender-Based Violence (GBV) Command Centre und eine Femizid-Hotline eingerichtet, um Überlebenden Unterstützung und Hilfe zu bieten.14

Die ergriffenen Maßnahmen reichten jedoch nicht aus. Es wurde bemängelt, dass es den GBV-Einrichtungen an Personal und Mitteln fehlte, um der gestiegenen Nachfrage zu begegnen. Es wurde außerdem nicht klar kommuniziert, dass das Ausgangsverbot nicht für die Flucht in ein Frauenhaus gilt. Besonders in ländlichen Gebieten Südafrikas fehlen Schutzräume für Frauen.15

In Deutschland stellte die Regierung zusätzliche finanzielle Mittel für die Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt bereit, darunter drei Millionen Euro für Frauenhäuser und Beratungsdienste.16 Es wurde eine Informationskampagne für das Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“ initiiert.17 Die Mittel reichten aber nicht, um den Bedarf zu decken.18  (CK/DW)

cc Hatto von Hatzfeld, CC0 1.0
cc Hatto von Hatzfeld, CC0 1.0

  1. Donagh, B (2020) From Unnoticed to Invisible: The Impact of COVID-19 on Children and Young People Experiencing Domestic Violence and Abuse. Child Abuse Review; 29, p 387 https://doi.org/10.1002/car.2649 ↩︎
  2. Schlack R et al. (2020) Auswirkungen des COVID-19-Pandemiegeschehens und behördlicher Infektionsschutzmaßnahmen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Journal of Health Monitoring; 5, p 23 https://doi.org/10.25646/7173 ↩︎
  3. Hahlweg K et al. (2020) COVID-19: Psychologische Folgen für Familie, Kinder und Partnerschaft. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie; 49, p 157 https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000592 ↩︎
  4. Bundeskriminalamt (2021) Auswirkungen von COVID-19 auf die Kriminalitätslage in Deutschland 2020 www.bka.de [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  5. Gloor D und Meier H (2022) Schlussbericht „Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt in der SARS-Covid-19-Pandemie: Aus der Krise lernen?“ www.bmfsfj.de/resource/blob/207988/eae186b6ac264849eeb9f63a931aba1a/ergebnisbericht-schutz-und-beratung-bei-haeuslicher-gewalt-in-der-sars-covid-19-pandemie-aus-der-krise-lernen-data.pdf [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  6. Anderberg D et al. (2020) Der Einfluss der Covid-19-Pandemie auf häusliche Gewalt – neue Ansätze zur Quantifizierung mittels Google-Suchdaten. Ifo Schnelldienst; 75, S. 32 www.ifo.de/DocDL/sd-2022-01-anderberg-rainer-siuda-haeusliche-gewalt-covid-19.pdf [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  7. Amnesty International (2021) “Treated like furniture” Gender-based violence and covid-19 response in Southern Africa. https://www.amnesty.org/en/documents/afr03/3418/2021/en/ [Zugriff 30.5.2023] ↩︎
  8. Gcwabe L (2022) Ramaphosa: SA is at war with its women and kids. https://health-e.org.za/2022/11/02/ramaphosa-sa-is-at-war-with-its-women-and-kids/ [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  9. Dekel B and Abrahams N (2021) “I will rather be killed by corona than by him. . .”: Experiences of abused women seeking shelter during South Africa’s COVID-19 lockdown. PLoS ONE; 16, e0259275. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0259275 ↩︎
  10. International Labour Organization (2021) COVID-19 and the world of work. Seventh edition. Updated estimates and analysis. ILO Monitor. www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/@dgreports/@dcomm/documents/briefingnote/wcms_743146.pdf [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  11. Gloor D und Meier H (2022) Schlussbericht „Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt in der SARS-Covid-19-Pandemie: Aus der Krise lernen?“ www.bmfsfj.de/resource/blob/207988/eae186b6ac264849eeb9f63a931aba1a/ergebnisbericht-schutz-und-beratung-bei-haeuslicher-gewalt-in-der-sars-covid-19-pandemie-aus-der-krise-lernen-data.pdf [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  12. Human Rights Watch (2021) South Africa: Broken Promises to Aid Gender-Based Violence Survivors. www.hrw.org/news/2021/11/24/south-africa-broken-promises-aid-gender-based-violence-survivors [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  13. Human Rights Watch (2021) South Africa: Broken Promises to Aid Gender-Based Violence Survivors. www.hrw.org/news/2021/11/24/south-africa-broken-promises-aid-gender-based-violence-survivors [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  14. Department of Social Development South Africa (2020) Minister Zulu to relaunch gender-based violence command centre in Salvokop, Pretoria. www.dsd.gov.za/index.php/latest-news/21-latest-news/318-the-minister-of-social-development-ms-lindiwe-zulu-will-on-friday-27-november-relaunch-the-department-s-gender-based-violence-command-centre-gbvcc-in-salvokop-pretoria [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  15. Human Rights Watch (2021) South Africa: Broken Promises to Aid Gender-Based Violence Survivors. www.hrw.org/news/2021/11/24/south-africa-broken-promises-aid-gender-based-violence-survivors [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  16. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020) Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen besser ausstatten. www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/frauenhaeuser-und-frauenberatungsstellen-besser-ausstatten-161648 [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  17. Pharmazeutische Zeitung (2020) Apotheken unterstützen Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen«. www.pharmazeutische-zeitung.de/apotheken-unterstuetzen-hilfetelefon-gewalt-gegen-frauen-117504/ [Zugriff 18.5.2023] ↩︎
  18. Gloor D und Meier H (2022) Schlussbericht „Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt in der SARS-Covid-19-Pandemie: Aus der Krise lernen?“ www.bmfsfj.de/resource/blob/207988/eae186b6ac264849eeb9f63a931aba1a/ergebnisbericht-schutz-und-beratung-bei-haeuslicher-gewalt-in-der-sars-covid-19-pandemie-aus-der-krise-lernen-data.pdf [Zugriff 18.5.2023] ↩︎ ↩︎

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