
"Ewigkeitschemikalien" in der Umwelt
18. Juli 2024
PFAS: Bund fürs Leben
PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) haben nach dem Zweiten Weltkrieg weite Verbreitung in der industriellen Produktion gefunden – und zuletzt immer häufiger auch ihren Weg in die Schlagzeilen. Umgangssprachlich sind sie als Ewigkeitschemikalien bekannt. Dennoch ist vielen Verbraucher*innen weiterhin nicht bewusst, dass diese problematischen Stoffe auch in Arzneimitteln zu finden sind.
In der Natur kommen PFAS ursprünglich nicht vor, sie sind industriell hergestellte organische Verbindungen mit vielen praktischen Seiten: „Ihre Eigenschaften – sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch äußerst beständig – sind fast überall erwünscht. In Pizzakartons verhindern sie das Durchweichen der Pappe, in Löschschaum ermöglichen sie das Ersticken der Flammen, in Wärmepumpen zirkulieren sie als Kältemittel, in Implantaten sorgen sie für lange Lebensdauer.“1 Das letzte Beispiel verweist bereits darauf, dass PFAS auch in der globalen Pharmaindustrie präsent sind, nicht nur in Medizinprodukten, sondern auch in Hilfs- und Wirkstoffen von Arzneimitteln. Hervorheben ließe sich etwa das in der Human- sowie Veterinärmedizin angewandte Antibiotikum Ciprofloxacin.
Hier und da und überall
Es verwundert nicht, dass PFAS auch im Zusammenhang mit medizinischer Produktion und Anwendung in die Umwelt gelangen. Dort sind sie tatsächlich nahezu „ewig“ präsent, da sie unter natürlichen Bedingungen nur äußerst schwer und sehr langsam abbaubar sind. Folglich reichern sie sich in der Nahrungskette an, wenn sie etwa von (Nutz-)Pflanzen aufgenommen werden oder sich an Proteine in Organen von Fischen binden und daraufhin in Fressfeinden wie Seehunden hohe Konzentrationen erreichen.2 Proben haben gezeigt, dass die Stoffe mittlerweile sogar in entlegenen Polarregionen auftauchen, unter anderem in Gletschern, Moosen und Vögeln.3
Logischerweise bleibt auch der Mensch nicht verschont, mit vielfältigen Konsequenzen, wie die Toxikologin Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt beschreibt: „PFAS können auf die Fruchtbarkeit wirken, auf die Spermaqualität oder auch auf die Entwicklung des Kindes im Mutterleib. Sie können die Reaktion bei Impfungen herabsetzen. Einige werden als krebserzeugend eingestuft.“ 4Sowohl bei den genauen Auswirkungen auf die Natur als auch die menschliche Gesundheit besteht aber noch dringend weiterer Forschungsbedarf.
Ringen um Verbote
FAS aus der Umwelt wieder zu entfernen, ist extrem aufwendig und teuer. Zudem stellt sich die Frage nach der Beseitigung, beispielsweise bei großen Mengen belasteter Erde. Angesichts dieser Fülle gravierender Probleme intensiviert sich die Suche nach Alternativen. Die Rufe nach besserem Monitoring, klaren Grenzwerten sowie einer deutlich strengeren Regulierung von „Ewigkeitschemikalien“ haben sich spürbar verstärkt.
Gerade im Pharma-Bereich sind mögliche Restriktionen jedoch umkämpft. Anfang 2023 legten Umweltbehörden aus Deutschland, den Niederlanden und drei skandinavischen Ländern einen Vorschlag für ein umfassendes EU-weites Verbot von PFAS vor.5 Vertreter*innen mehrerer großer Branchen protestierten vehement. Auch aus der Pharmaindustrie kam schneidende Kritik und die Warnung vor drastischen Effekten für Produktionsstandorte und Medikamentenverfügbarkeit.6 (MK)
- NABU (2023) Das Gift in unserem Alltag. www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/alltagsprodukte/34250.html [Zugriff 6.6.2024] ↩︎
- BUND (2021) Fluorchemikalien: Langlebig, gefährlich, vermeidbar. www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/chemie_fluorchemikalien_hintergrund.pdf [Zugriff 6.6.2024] ↩︎
- Umweltbundesamt (2020) PFAS. Gekommen, um zu bleiben. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/uba_sp_pfas_web_0.pdf [Zugriff 6.6.2024] ↩︎
- Schenke R (2023) Kampf gegen die Ewigkeitschemikalien. tagesschau.de 30.10. www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/pfas-gesundheit-gift-100.html [Zugriff 6.6.2024] ↩︎
- Deutschlandfunk (2024) Warum Deutschland PFAS verbieten lassen will 18.1. www.deutschlandfunk.de/pfas-chemikalien-verbreitung-verbot-100.html [Zugriff 6.6.2024] ↩︎
- Euractiv (2023) Pharmaindustrie hegt Bedenken über Verbot von Ewigkeits-Chemikalien. 27.7. www.euractiv.de/section/gesundheit/news/pharmaindustrie-hegt-bedenken-ueber-verbot-von-ewigkeits-chemikalien/ [Zugriff 6.6.2024] ↩︎