Interessenkonflikte bei US-Arzneimittelzulassung
(8.8.2018) Die US-FDA lädt regelmäßig ExpertInnen ein, die ihre Ansichten über anstehende Zulassungen äußern. Das US-Magazin Science deckte auf, dass es ein System der nachträglichen Belohnung gibt. Nicht nur ExpertInnen profitieren davon, ebenso MitarbeiterInnen der FDA.
Auch wenn das Votum des Advisory Committee für die Behörde nicht bindend ist, folgt sie meist der Ansicht der Fachleute. Wer an einem solchen Treffen der FDA teilnimmt, muss eine Erklärung zu Interessenkonflikten ausfüllen. Wenn die FDA sie als relevant ansieht, werden sie bekanntgegeben. Ist jedoch noch kein Geld geflossen, kann auch nichts offengelegt werden. Doch auffällig häufig erhalten ExpertInnen aus Advisory Committees später erhebliche Summen von Pharmafirmen. Science wertete über 20 Advisory Committees der FDA aus. Insgesamt hatten dabei 107 ÄrztInnen abgestimmt, die keine Interessenkonflikte angegeben hatten. 66 erhielten später Pharmagelder, 40 davon über 10.000 US$, sieben sogar mehr als eine Million US$.
Auch die MitarbeiterInnen der FDA, die die Zulassungsanträge inhaltlich bearbeiten, sogenannte Reviewers, laufen Gefahr, bei ihrer Arbeit künftige Jobs im Auge zu haben. Die Redakteure von Science deckten auf, dass von 16 Reviewers, die die FDA verließen, 11 entweder direkt bei einer Pharmafirma anfingen oder als Berater für die Industrie tätig wurden.4 Leitende MitarbeiterInnen der Behörde dürfen nach dem Wechsel in die Industrie ein bis zwei Jahre die Firma nicht bei der FDA vertreten. Das gilt aber nicht für gewöhnliche Reviewer.
2009 gab es gleich zwei FDA Advisory Committees zu Quetiapin (Seroquel® von AstraZeneca). Dabei ging es um die Frage, ob Quetiapin künftig auch gegen Schizophrenie und bipolare Störungen eingesetzt werden dürfe. Bereits damals war bekannt, dass der Wirkstoff, wenn er mit anderen Medikamenten kombiniert wird, plötzlichen Herzstillstand auslösen kann. Trotzdem stimmten die beratenden ÄrztInnen mit großer Mehrheit beiden Zulassungserweiterungen zu.
Auch ein FDA-Mitarbeiter fiel bei einem der Meetings zu Quetiapin 2009 auf: Thomas Laughren, damals Direktor der Abteilung Psychopharmaka bei der FDA, kanzelte den Wissenschaftler Wayne Ray, der seine Untersuchung zum plötzlichen Herzstillstand vorgestellt hatte, regelrecht ab. Laughren hielt dagegen die Auswertung der Studien von AstraZeneca für glaubwürdig, in denen kein Risiko erkennbar war. Kurz nach den Anhörungen verließ Laughren die FDA und gründete eine Beratungsfirma, die auch AstraZeneca bei Zulassungen half.
Karen Birmingham, Pressesprecherin von AstraZeneca, sieht die Rolle von ehemaligen Behördenmitarbeitern dennoch positiv. Sie „bringen die Perspektive von erfahrenen Regulierern ein“ und würden damit den heutigen MitarbeiterInnen der Zulassungsbehörde helfen, „herausfordernde Entscheidungen über die Zulassung innovativer Arzneimittel, die Behandlungslücken schließen, zu treffen.“ Vinay Prasad, der die erste Untersuchung zum Drehtüreffekt bei der FDA durchgeführt hat, sieht das etwas anders. Schwache Regeln zu Interessenkonflikten bei der FDA und künftige Beschäftigungsaussichten, brächten die Bewertungen der Behörde in eine Schieflage.
Quellen:
http://www.sciencemag.org/news/2018/07/hidden-conflicts-pharma-payments-fda-advisers-after-drug-approvals-spark-ethical
http://www.sciencemag.org/news/2018/07/fda-s-revolving-door-companies-often-hire-agency-staffers-who-managed-their-successful
Arzneimittel-Zulassung
Die Zulassung von Arzneimitteln ist die wichtigste Schranke zum Schutz der VerbraucherInnen. Aber die gegenwärtigen Kriterien zur Freigabe für den Markt sind sehr niedrig. Es wird nur geprüft, ob das Mittel nicht zu gefährlich erscheint und ob es überhaupt eine Wirkung zeigt. Dabei muss es nicht einmal gleich gut sein wie bereits erhältliche Medikamente. Die Zulassung eines neuen Arzneimittels basiert häufig auf Verbesserungen von Laborwerten wie etwa einer Senkung des Blutzuckers oder Röntgenmessungen der Tumorgröße (sogenannte Surrogate). Daraus wird auf einen für PatientInnen relevanten Nutzen geschlossen. Doch diese Rechnung geht meist nicht auf. Noch Jahre später ist der Nutzen oft unklar – oder es stellt sich heraus, dass das neue Medikament nicht besser ist als ältere Wirkstoffe. Seit einigen Jahren gibt es den Trend, die Zulassungs-Kriterien noch weiter aufzuweichen.
Wir engagieren uns für eine Arzneimittel-Zulassung, die sich am Nutzen für VerbraucherInnen orientiert. Davon profitieren letztlich auch die PatientInnen in armen Ländern. Denn die Zulassungsbehörden armer Staaten orientieren sich häufig an den Arzneimittelstandards in Europa und den USA. Ihnen fehlen oft schlicht die Ressourcen für eine eigene wissenschaftliche Bewertung. Deshalb ist eine kritische Beobachtung der Zulassungspolitik in reichen Ländern so wichtig.