Covid-19: Radiobeitrag über gerechte Impfstoffverteilung
Zu Weihnachten kommt der Retter der Welt – Jesus Christus. Das galt zumindest solange, bis Corona kam. Jetzt hofft die ganze Welt auf einen neuen Erlöser, einen Impfstoff gegen Covid-19. Aber hat auch die ganze Welt eine Chance, den erlösenden Pieks mit der Spritze zu bekommen? Wie der Impfstoff gerecht verteilt wird, ist Thema im Gespräch mit Jörg Schaaber von der BUKO Pharma-Kampagne.
zum Beitrag des KiP-Radios vom 20. Dezember 2020
Nutzen von Covid-19 Impfungen
Wissensstand noch unbefriedigend
Mehrere Impfstoffe gegen Covid-19 stehen kurz vor der Zulassung oder haben schon eine Notfallzulassung erhalten. Aber was wissen wir überhaupt über Nutzen und Risiken?
Die Medien berichten über eine hohe Wirksamkeit der Impfstoffe von 90% und mehr.[1],[2] Die Meldungen suggerieren, dass damit die Verhinderung schwerer Erkrankungen und die Unterbrechung der Übertragung von Covid-19 gemeint sind. Das ist ein Missverständnis, vermutlich ausgelöst dadurch, dass die kursierenden Zahlen im Wesentlichen auf kurzen Pressemitteilungen der Hersteller beruhten, nicht aber auf unabhängig begutachteten wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die Impfstoffe.
Was gemessen wird
Nach erheblichem Druck von WissenschaftlerInnen haben vier Impfstoffhersteller[3] ihre Studienprotokolle öffentlich gemacht. Deshalb kann man genau sehen, was tatsächlich geprüft wird. Peter Doshi, Mitherausgeber des British Medical Journal (BMJ) hat die Protokolle durchgesehen. Seine Schlussfolgerung: „Keine der Impfstudien ist so angelegt, dass sie eine signifikante Verringerung der Krankenhauseinweisungen, der Aufnahmen in die Intensivstation oder der Todesfälle entdecken kann.“[4] Als ausreichendes Kriterium für den Erfolg der Impfung gilt eine Reduktion des Auftretens von Symptomen wie Husten und Fieber, verbunden mit einem Labornachweis von Covid-19. Die Schwere der Erkrankung spielt
Interview zum Corona-Impfstoff
„Nicht auf die Gutwilligkeit der Industrie setzen“
Das Ringen zwischen Pharmaindustrie und Industriestaaten, den Ländern des Südens und der Weltgesundheitsorganisation ist in vollem Gange. Anne Jung von medico international sprach darüber mit Jörg Schaaber von der BUKO Pharma-Kampagne.
Anne Jung: Es ist sicherlich nicht zu hoch gegriffen, wenn man sagt, dass die Entwicklung eines Impfstoffes sowie die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Covid-19 ein Weltinteresse darstellen. Und dass der Zugang zu wirksamen und sicheren Impfstoffen ein ganz wichtiger Beitrag zum Menschenrecht auf den bestmöglichen Zugang zu Gesundheit sein wird. Wenn Milliarden von Steuergeldern weltweit auch an die Pharmaindustrie gegeben werden, mit dem Auftrag einen Impfstoff zu entwickeln, was passiert dann, wenn ein Impfstoff da ist? Wem gehört er, wie wird er verteilt? Und wer bekommt ihn zuerst?
Ja, das ist die entscheidende Frage. Vielleicht sollte man damit einsteigen, dass die Fakten eine andere Sprache sprechen als der Schönsprech von Big Pharma und Politik, dass alle etwas bekommen würden. Die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam hat ermittelt, dass sich die Industrieländer bereits über die Hälfte aller Impfdosen die jetzt potenziell auf den Markt kommen, gesichert haben. Also das heißt, 13 Prozent der Weltbevölkerung haben sich schon den Zugriff auf über die Hälfte aller potenziell in den nächsten Jahren verfügbaren Impfdosen gesichert. Daran sieht man schon, dass das Bild vom Zugang für alle nicht stimmt. Als Erste haben die USA damit angefangen, sich Optionen auf Impfdosen zu sichern. Die Europäische Union hat dann mit kräftiger Beteiligung von Deutschland nachgezogen.
Nutzloses Covid-19 Medikament an EU vertickt
Gileads Remdesivir-Deal im Zwielicht
Der US-Pharmakonzern Gilead hat mit der EU einen milliardenschweren Vertrag über Remdesivir geschlossen. Dabei wusste die Firma zu diesem Zeitpunkt schon, dass eine große Studie mit dem Medikament negativ ausgegangen war.
Am 16. Oktober 2020 verkündete die WHO, dass Remdesivir gegen Covid-19 praktisch nutzlos ist. Das hat eine Zwischenauswertung der großen von der WHO geleiteten Solidarity-Studie ergeben.[1] WHO Generaldirektor Dr. Tedros Ghebreyesus: „Remdesivir und Interferon tragen kaum etwas oder gar nichts dazu bei, den Tod durch Covid-19 zu verhindern oder den Krankenhausaufenthalt zu verkürzen.“[2] Die Untersuchungsarme mit diesen Medikamenten wurden gestoppt. Bereits im Sommer waren zwei Wirkstoffe wegen Unwirksamkeit aus der Studie geflogen.[3] Die WHO-Studie wird mit anderen Arzneimitteln fortgesetzt.
Claudia Jenkes zur beschleunigten Zulassung von Covid-19-Impfstoffen
In einem Artikel des NDR zur Zulassung von Corona-Impfstoffen bezieht auch Claudia Jenkes von der BUKO Pharma-Kampagne Stellung:
WHO-Patentpool für Covid-19-Produkte: Gesundheitsorganisationen fordern Bundeskanzlerin zur Unterstützung auf
(Bielefeld/Frankfurt 28.5.2020) Am kommenden Freitag wird die WHO gemeinsam mit Costa Rica einen „Call to Action“ vorstellen, der zur Schaffung einer weltweiten „Technologie-Plattform“ für Covid-19-Produkte aufruft. Die World Health Assembly hatte in ihrer Resolution vom 19.5.2020 bereits an die Internationale Gemeinschaft appelliert, die Einrichtung eines solchen Patentpools anzugehen. Mit der Plattform sollen nun Daten und Wissen zu Covid-19-Behandlungsmöglichkeiten, Impfstoffen und Medikamenten gesammelt und die geistigen Eigentumsrechte gebündelt werden, um die Produkte dann als „globales öffentliches Gut“ verfügbar zu machen. Regierungen, Institutionen und Unternehmen werden aufgerufen, die Initiative unter Federführung der WHO zu unterstützen. Schon im Vorfeld wurde die Unterstützung mehrerer lateinamerikanischer Staaten bekannt, auch mehrere europäische Länder haben sich dem Vorstoß angeschlossen oder erwägen das. Leider gibt es deutliche Signale aus Genf, dass Deutschland die Initiative nicht unterstützt und sogar andere Länder entmutigt, sich zu beteiligen.
Wer bleibt außen vor? Zugang zu Covid-19-Produkten noch nicht gesichert
Gegenwärtig gibt es weder eine Impfung noch eine spezifische Behandlung für Covid-19. Einige bereits existierende Medikamente werden auf ihre Wirksamkeit getestet, vor allem in die Impfstoffforschung fließt jetzt viel öffentliches Geld. Doch wie gut werden die Ergebnisse verfügbar sein? Bei der Weltgesundheitsversammlung wurden am 19.5.2020 große Versprechen gemacht, doch wichtige Fragen bleiben offen.
Während sich zu Beginn der Epidemie die Aufmerksamkeit auf fehlende Masken für Gesundheitspersonal und den Mangel an zuverlässigen Tests konzentrierte, richten sich nun Hoffnungen auf einen Impfstoff. Bis zum Covid-19 Ausbruch gab es kaum kommerzielle Forschungsprojekte zu Corona, obwohl mit SARS (2002) und MERS (2012) schon zwei Corona-Virenstämme zirkulierten, die schwere Verläufe auslösten.[1] Dabei steckten z.B. die US-National Institutes of Health seit 2003 fast 700 Millionen US$ in die Corona-Forschung, davon flossen rund 100 Mio. direkt an Firmen.
Die Ärmsten trifft es am härtesten - Corona als globale soziale Katastrophe
Wie viele Menschen an der Corona-Pandemie sterben werden, ist derzeit noch unklar. Doch die gesellschaftlichen Folgen reichen weit über die unmittelbar durch Covid-19 verursachten Todesfälle hinaus. Eine kritische Überprüfung von Nutzen und Schaden von Eindämmungsmaßnahmen ist ebenso nötig wie ein globaler sozialer Ausgleich.
COVID-19: Zugang zu medizinischer Innovation und Gesundheitsversorgung für alle!
Die BUKO Pharma-Kampagne fordert anlässlich der Corona-Pandemie gemeinsam mit über 250 internationalen Organisationen und UnterstützerInnen eine internationale Kooperation zur Förderung medizinischer Entwicklung sowie eine umfassende und gerechte weltweite Gesundheitsversorgung. Die gegenwärtige Krise ist ein globaler Weckruf, endlich das unfaire, intransparente und wenig effektive Forschungssystem zu verändern.