2001 erschien „Der ewige Gärtner“ von John le Carré. Was hat das mit der Pharma-Kampagne zu tun?
Es fing mit einem Anruf an. „Ich recherchiere im Auftrag eines Krimi-Autors“, ließ uns eine Dame in unverkennbar Schweizer Dialekt wissen. Sie bräuchte Information zur Pharmakritik und der Pharma-Kampagne selbst. Erst beim zweiten Telefongespräch fiel der Name. Ob der Autor uns besuchen könne?
Keine Woche später, Anfang April 2000, saß David Cornwell – so hieß John le Carré im wirklichen Leben – im Büro der Pharma-Kampagne im Welthaus Bielefeld. Ein perfekter Gentleman, höflich, zurückhaltend, aber warmherzig. Ein aufmerksamer Zuhörer, der viele Fragen zu den Geschäftspraktiken der Pharmaindustrie in den ärmeren Ländern der Welt hatte und was wir dagegen tun. Erst mitten im Gespräch gestand er uns, dass er die Pharma-Kampagne schon fest in die Handlung des Buches, das er gerade schreibe, eingeplant habe. Ob wir damit einverstanden sein? Wir würden das Manuskript auch vorher zu sehen bekommen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen auf der Sparrenburg und anschließendem Spaziergang auf der Promenade, bat er darum, ins Hotel gebracht zu werden. Er hätte jetzt so viel von uns gehört, jetzt müsse er erstmal aufschreiben. David hatte sich keine Notizen gemacht, um so erstaunter waren wir, im „Ewigen Gärtner“ dann sehr viele Details des Gesagten und Erlebten wiederzufinden.
Einer Einladung zum Abendessen bei uns zu Hause kam er gerne nach. Als Gastgeschenk brachte er nicht nur eine große Blume, sondern auch sein neuestes Buch mit einer persönlichen Widmung mit. Nachdem er den Kindern auf Deutsch (!) vorgelesen hatte, verbrachten wir noch einen vergnügten Abend mit Anekdoten seiner Recherchereisen zu dem aktuellen und anderen Büchern sowie den Verfilmungen. Alle Orte, die in seinen Werken vorkommen, hat er, soweit das möglich ist, besucht. Das macht sicher auch einen Teil der Lebendigkeit seiner Erzählungen aus, weil sich selbst Erlebtes darin widerspiegelt.
Im Nachwort des „Ewigen Gärtner“ lobte er die Arbeit der Pharma-Kampagne und rief zu Spenden auf. Damit machte er gleich selber ernst: David wurde vielfach gefragt, Artikel zu seinem Buch zu verfassen. Die Honorare spendete er alle an uns.
Auch politisch unterstützte er uns. Als multinationale Pharmafirmen 2001 durch eine Klage verhinderten, dass Menschen mit HIV mit preiswerten Medikamenten versorgt werden, spielte die University of Minnesota, die das Patent für ein Aids-Medikament hielt, eine Schlüsselrolle. Studierende der Uni baten uns um Unterstützung. David schrieb auf unsere Bitte an den Präsidenten der Universität. Ein Satz daraus: “Does the university really teach that profit and greed are more important than human life?” Einer von vielen Bausteinen, der letztlich zum Rückzug der Klage der Pharmamultis führte.
Sieben Jahre später, 2007, besuchte ich mit meiner Familie David in Cornwall. Wir wurden von ihm und seiner Frau Jane fürstlich empfangen und bewirtet. Zuletzt tauschten wir 2016 Neujahrsgrüße aus. Am 12.12.2020 starb David Cornwell im Alter von 89 Jahren.
Jörg Schaaber
Zum Weiterlesen:
John le Carré Der ewige Gärtner. Ullstein Verlag
Pharma-Brief (2005) Kinofilm mit Pharmakritik. Der ewige Gärtner von John le Carré. Nr. 9-10, S. 1