Interview mit Amit Khurana, Indien
Wir sprachen mit Amit Khurana, er ist Direktor des Programms für Lebensmittelsicherheit und Gifte am Centre for Science and Environment (CSE). Die am Gemeinwohl orientierte Organisation in Neu Delhi betreibt selbst Forschung, mischt sich aber auch in politische Debatten ein.
Was genau macht CSE zum Thema Antibiotika?
Zusammen mit meinem Team dränge ich auf eine Politik, die antimikrobielle Resistenzen (AMR) einzudämmen hilft, mit Fokus auf Tiere und Umwelt. Außer in Indien selbst, helfen wir auch Sambia, den nationalen AMR Aktionsplan umzusetzen und teilen die Erkenntnisse mit anderen afrikanischen Ländern. Wir teilen auch unsere Gedanken über notwendige weltweite Pläne, die die Interessen der Länder des globalen Südens berücksichtigt.
Was sind die Umweltauswirkungen von Antibiotika?
Die Umwelt kann Resistenzen verstärken: Antibiotischer Wirkstoffe, die in die Umwelt gelangen, resistente Bakterien, oder Gene, die Resistenzen übertragen können. Sowohl punktuelle als auch diffuse Quellen können dazu beitragen, dass Resistenzen auf den Menschen übertragen werden, direkt oder durch die Nahrungskette.
So können zum Beispiel Abfälle von Landwirtschafts- und Tiermastbetrieben, von Fabriken, die Antibiotika herstellen oder von Futtermittelfabriken, die Antibiotika beimischen, Abwässer aus Gesundheitseinrichtungen, in die Umwelt wie zum Beispiel in das Oberflächenwasser oder ins Grundwasser gelangen und zur Verbreitung von Resistenzen beitragen.
Wenn wir des Weiteren berücksichtigen, dass Fäkalien eine Menge vom Körper nicht verstoffwechselte Antibiotika und Bakterien enthalten, tragen Kläranlagen, die nicht dafür ausgerüstet sind, möglicherweise zur Antibiotikaresistenz beitragen.
Welches sind die Konsequenzen für die menschliche und die Tiergesundheit?
Antibiotika werden wirkungslos. Optionen für die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten verringern sich. Sogar gewöhnliche Infektionen werden problematisch oder gar unbehandelbar. Es ist davon auszugehen, dass all dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sehr hohen wirtschaftlichen Belastungen für Familien und Staaten führen wird. Sogar Tiergesundheit und die Produktion können darunter leiden und so Lebensmittelsicherheit und Existenzgrundlagen beeinträchtigen. Länder mit niedrigen oder mittleren Einkommen und mit begrenztem Fokus auf die Abfallentsorgung, besonders diejenigen, die mehr Medikamente und Fleisch produzieren, werden wahrscheinlich in größerem Maße zum Ansteigen der AMR über die Umwelt beitragen. Diese Länder werden auch stärker betroffen sein, da sie weniger darauf vorbereitet sind, das Problem AMR anzugehen, insbesondere was die Bedeutung des Tier- und Umweltbereichs betrifft.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?
Eine der größten Herausforderungen ist der geringe Stellenwert und Unterstützung, die allgemein das Thema Umwelt politisch bekommt; und im Fall von AMR erhält sie verglichen mit den gravierenden Problemen, die sie bei Mensch und Tier auslöst, nur eine minimale Aufmerksamkeit. Überdies sind die Abfall- und Umweltaspekte von AMR bereichsübergreifend, und es bedarf eines größeren Verständnisses und Knowhows in verschiedensten Sektoren, um sie erfolgreich anzugehen. Dann ist da noch die Herausforderung verschiedener Determinanten, für die die meisten Umweltbehörden nicht gewappnet sind. Meist lag ihr Fokus historisch bedingt auf Pestiziden, Schwermetallen usw. Das spiegelt sich auch darin wider, dass es vielerorts bis heute keine Grenzwerte für Antibiotika in Abfällen gibt.
Was muss getan werden?
Die AMR Agenda muss wirklich eine Agenda für „One-Health“ (siehe Kasten) werden. Die Umweltdimension muss beachtet werden und braucht Unterstützung von allen AkteurInnen, besonders von denen auf höchster Ebene. Sie sollte Teil des Mainstreams in den weltweiten Kampf gegen Antibiotikaresistenz werden. Auf der politischen Ebene sollte AMR und Umwelt in den Mittelpunkt gestellt werden, insbesondere wenn es sich um die Quellen von Abfall und anderer AMR-Verschmutzung handelt.
Zum Beispiel sollte Antibiotikaabfall in Pharmafabriken wie gefährliche Chemikalien behandelt werden. Das Gebot der Stunde ist es, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, auch wenn es noch viele Jahre brauchen wird, bis wir die Bedeutung von Resistenzen in der Umwelt umfassend verstehen.
Was hat das CSE in Indien bisher getan?
Das CSE hat eine führende Rolle darin gespielt, das notwendige Augenmerk auf die Tier- und Umweltaspekte von AMR in Indien zu richten; das spiegelt sich wider im Aktionsplan des Landes und mehrerer Bundesstaaten, mit denen das CSE zusammengearbeitet hat. Es arbeitet auch darauf hin, dass die notwendige Strategien entwickelt werden, damit diese Pläne auch umgesetzt werden können. Auch teilen wir die Erkenntnisse, die wir in Indien gewonnen haben, mit anderen Entwicklungsländern z.B. in Afrika.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um das Bewusstsein in Bezug auf Antibiotika und Antibiotikaresistenz in der Umwelt in der indischen Öffentlichkeit und unter Politikern?
Das Bewusstsein in der Bevölkerung und unter den Politikern ist nicht so hoch wie es wünschenswert wäre. Jedoch ist es in den vergangenen Jahren unter den Wissenschaftlern gewachsen. Aber es muss noch viel mehr getan werden, da Lebensmittel, Viehhaltung, Umwelt und Gesundheit auf der Ebene der Bundesstaaten verwaltet werden. Das Bewusstsein und die Antworten sind von Ort zu Ort unterschiedlich. Die indische Zentralregierung arbeitet an einigen Aspekten von AMR in der Umwelt. Einer davon ist die Entwicklung von Standards für Antibiotika in Pharmaabwässern. Das zuständige Ministerium für Umwelt, Wald und Klimawandel hat kürzlich den Entwurf für solche Standards herausgebracht. Wir haben eine aktive Rolle dabei gespielt, und wenn er verabschiedet wird, wäre es vielleicht der erste solche Standard weltweit.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
AMR wird erfolgreich als ein wirkliches „One-Health“-Thema angegangen. Sein negativer Einfluss auf das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele wird auf ein Minimum reduziert, Antibiotika werden „gerettet“ und weiterhin wirksam sein.
Das Interview führte Hannah Eger, Übersetzung: Margit Urhahn.
Artikel aus Pharma-Brief 2/2020, S. 4
* RKI (2020) www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/One-Health/One_Health-Konzept.html [Zugriff 4.3.2020]