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Covid-19 offenbart Schwachpunkte der Versorgung

Covid-19 hat Peru schwer getroffen. Nirgendwo sonst ist die Sterberate so hoch:[1] Bis Mitte Juli wurden in dem südamerikanischen Land fast 200.000 Todesfälle verzeichnet – bei rund 33 Millionen EinwohnerInnen.[2] Es fehlt an ÄrztInnen, Intensivbetten und Sauerstoff. Andere Erkrankungen wie Malaria, die vor allem in der Amazonasregion endemisch ist, scheinen im Schatten der Pandemie zu verschwinden.

„Kein Ereignis in der peruanischen Geschichte hat den schlechten Zustand des Gesundheitssystems so drastisch vor Augen geführt wie die Covid-19-Pandemie.“, sagt Fabiola Torres, peruanische Gesundheitsaktivistin und Gründerin der Organisation Salud con Lupa, und fordert zugleich einen tiefgreifenden Wandel des maroden Systems.[3] Ihr Land bekämpfe derzeit ein Virus des 21. Jahrhunderts mit einem Gesundheitssystem aus dem letzten Jahrhundert.

Vor allem die starke Privatisierung und Fragmentierung des Gesundheitswesens habe zu Parallelstrukturen und fehlender Koordination geführt. So sind lediglich 29% der Peruaner­Innen fest angestellt und über die staatliche EsSalud versichert, die eigene Krankenhäuser im ganzen Land unterhält. 4,1% haben eine private Krankenversicherung und auch für die Polizei und das Militär gibt es eigene Versorgungseinrichtungen. Das Gros der Bevölkerung arbeitet im informellen Sektor und ist entweder gar nicht krankenversichert (14%) oder auf die überfüllten und schlecht ausgestatteten Krankenhäuser des Gesundheitsministeriums angewiesen (51,1%).

Unterfinanziert und marode

Seit Jahren werde die PriOperation TAYTA in SAN JUAN DE LURIGANCHOmärversorgung vernachlässigt, moniert Torres. Der Haushalt der staatlichen Basisversicherung für arme Bevölkerungsgruppen, SIS (Seguro Integral de Salud), sei mager und zwischen 2015 und 2020 nicht erhöht worden, obwohl die Zahl der Versicherten deutlich zugenommen hat. Chronische Unterfinanzierung und auch Korruption seien wesentliche Merkmale des maroden Systems.

Im ganzen Land gab es zu Beginn der Pandemie nur neun Anlagen zur Sauerstoff-Herstellung, kaum Labortechnik und nur 276 Intensiv-Betten. Heute gibt es zwar immerhin 2.500 Intensiv-Betten, es wären aber 5.000 nötig.

Zahlreiche schwerstkranke Covid-PatientInnen, die über den SIS versichert waren, erhielten kein Intensiv-Bett in den öffentlichen Krankenhäusern, sondern wurden an Privatkliniken weiterverwiesen. Dort mussten sie hohe Summen bezahlen. Bis Juni 2020 war es übliche Praxis, von den Covid-PatientInnen vor der stationären Aufnahme eine Garantiezahlung von umgerechnet 10.000 Euro zu kassieren. Erst nachdem die Regierung den Privatkliniken mit Enteignung drohte, wurde eine Aufnahme-Pauschale vereinbart.[4]

Die Einrichtungen zur Erstversorgung von PatientInnen waren schon 2019 überwiegend miserabel ausgestattet und es fehlten laut einer Untersuchung des Ministeriums 24.000 Pflegekräfte. Die Situation hat sich durch die Pandemie noch einmal deutlich zugespitzt. Die meisten Basis-Gesundheitseinrichtungen blieben für mindestens fünf Monate geschlossen. Denn auch in den Kliniken ist das Personal knapp und wurde aus vielen anderen Bereichen abgezogen.

Budget für Malaria und HIV gekürzt

Um Mittel zur Pandemiebekämpfung locker zu machen, hat die Regierung etliche Kürzungen in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung und -prävention vorgenommen: Das Budget für staatliche Maßnahmen zur Kontrolle von Malaria und anderen vektorübertragenen Erkrankungen wurde zum Beispiel um rund 37% gekürzt. Bei Tuberkulose und HIV beliefen sich die Kürzungen auf 28%, bei der Krebsvorsorge und -bekämpfung auf 25%.

Eine Studie von Torres, Alava, Soto-Calle u.a. untersuchte die Malaria-Situation in der peruanischen Amazonas Region während der ersten Corona Welle 2020.[5] Ihr Fazit: Von Februar bis Juni – also in der Saison, in der üblicherweise die meisten Erkrankungen auftreten – wurden dem Gesundheitsministerium kaum Malaria-Fälle gemeldet. Die Daten vermitteln den Eindruck, Malaria komme in der Gegend kaum mehr vor. Dies sei jedoch höchst unwahrscheinlich, so die AutorInnen. Denn insbesondere im Loreto-Distrikt sind vektorübertragene Erkrankungen wie Malaria und Dengue-Fieber endemisch und betreffen vor allem die indigene Bevölkerung. Gerade dort sei die Gesundheitsversorgung in der ersten Jahreshälfte aber nahezu komplett eingestellt worden.globale folgen der pandemie

Gesundheitsposten ebenso wie Krankenhäuser behandelten in diesem Zeitraum ausschließlich Covid-19 PatientInnen. Viele kranke Menschen blieben aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 zu Hause. Universitäten und Forschungseinrichtungen stellten ihre Forschungsprojekte und Feldarbeit ein und schlossen ihre Labore – schlechte Voraussetzungen also für die Entdeckung und Behandlung von Malaria-Fällen. Zum Erliegen kamen in der Region nicht zuletzt die Maßnahmen des zuvor recht erfolgreichen staatlichen Malaria Zero-Programms, das Test und Behandlungsstrategien sowie kostenlosen Zugang zu Medikamenten, aber auch Moskitobekämpfung beinhaltet. Es sei naheliegend, dass Covid-19 die bis 2019 erreichten Verbesserungen zunichtemachen werde, Erkrankungszahlen wieder hochtreibe und die Sterblichkeit steigen lasse, so die AutorInnen.

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 6/2021, S.6
Bilder © Ministerio de Defensa del Perú

[1] Nickoleit K (2021) Global vernetzte Gesundheit. Deutschlandfunk, 19. Juli www.deutschlandfunk.de/corona-pandemie-global-vernetzte-gesundheit.740.de.html?dram:article_id=500139  [Zugriff 19.7.2021]; Deutsche Welle (2021) Peru hat jetzt höchste Corona-Sterblichkeitsrate weltweit. 1. Juni [Zugriff 19.7.2021]

[2] Corona in Zahlen www.corona-in-zahlen.de/weltweit/peru/  [Zugriff 19.7.2021]

[3] Fabiola Torres: Das peruanische Gesundheitssystem in der Pandemie. Vortrag vom 23.4.2021 bei einem Online-Seminar der Informationsstelle Peru. www.infostelle-peru.de/web/materialien-aus-dem-peru-seminar/  [Zugriff 19.7.2021]

[4] Willer H und Wojczenko K (2020) Coronavirus in Südamerika: Was läuft in Kolumbien besser als in Peru? 6. August www.riffreporter.de/de/international/coronavirus-kolumbien-peru  [Zugriff 20.7.2021]

[5] Torres K, Alava F, Soto-Calle V et al. (2020) Malaria Situation in the Peruvian Amazon during the Covid-19 Pandemic. Am J Trop Med Hyg; 103, p 1773