US-Behörde will weniger über Arzneimittel preisgeben
Bislang dokumentiert die US-Zulassungsbehörde FDA ihren Entscheidungsprozess über neue Medikamente ausführlich. Damit soll künftig Schluss sein. Unter dem Schlagwort „Modernisierung“ [1] soll es nur noch eine Bewertung „light“ geben.
Umfangreiche Berichte über zulassungsrelevante Analysen der FDA-MitarbeiterInnen sind auf der Website der FDA bisher frei zugänglich. Damit stehen ausführliche Bewertungen der vom Hersteller eingereichten Daten zur Verfügung. Da die Studien zum Zeitpunkt der Zulassung oft noch nicht oder nur sehr selektiv publiziert wurden, bieten die FDA-Unterlagen wichtige Informationen für eine unabhängige Einschätzung des Nutzens von Arzneimitteln.
Zweifelhafte Verschlankung
Im Rahmen des “New Drugs Regulatory Program Mode” der FDA sollen die umfänglichen Dokumente künftig durch eine kurze Zusammenfassung der FDA-Bewertung ersetzt werden. Angestoßen hat die „Modernisierung“ der von Präsident Trump vorgeschlagene und nach einigen Querelen bestätigte FDA-Kommissar Scott Gottlieb. Das neue Konzept orientiert sich an der eher bescheidenen Transparenz der europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Der sogenannte EPAR[2] enthält nur eine stark komprimierte Fassung des internen Bewertungsberichts der Behörde. Das geschieht in großzügiger Auslegung der EU-Verordnung zur Arzneimittelzulassung, die eigentlich nur die Schwärzung von Geschäftsgeheimnissen vorsieht.[3]
Während die EMA – wegen öffentlichen Drucks – seit einigen Jahren die Transparenz erhöht, vor allem durch die zusätzliche Veröffentlichung der Clinical Study Reports, die die EU-Verordnung zu klinischen Studien vorschreibt, schlagen die USA also die entgegengesetzte Richtung ein.
Substanzverlust
Stellungnahmen von WissenschaftlerInnen, Fachjournalen und NGOs warnen eindringlich vor dem Vorhaben der FDA.[4] Während bislang die einzelnen Abteilungen der FDA unterschiedliche Aspekte der Zulassungsunterlagen separat bearbeiten, alle relevanten Daten transparent dargestellt und auch unterschiedliche Meinungen festgehalten werden, soll nicht nur der öffentliche Zugang zu diesen Unterlagen abgeschafft werden. Auch der Bearbeitungsprozess soll „effizienter“ werden, so Gottlieb im Juni 2018.[5] Das heißt, nicht nur nach außen, auch behördenintern soll es eine integrierte Bewertung geben. Auch wenn der FDA-Kommissar betonte, dass der „Fortschritt in unseren eigenen Arbeitsprozessen durch modernere und stringentere wissenschaftliche Ansätze erreicht werden“ soll, sieht das Vorhaben nach einer Verflachung und Gleichschaltung der wissenschaftlichen Debatte aus.
Darüber versprach Gottlieb, dass externe Interessengruppen – darunter auch die Industrie – in Zukunft „stärker in den wissenschaftlichen Austausch“ während des gesamten Zulassungsprozesses einbezogen werden.
In der Eingabe von Peter Doshi und 35 weiteren WissenschaftlerInnen wird auch auf einen weiteren Widerspruch aufmerksam gemacht.[6] Die Abteilung für Medikamentenbewertung der FDA (CDER) hatte 2010 ein Papier verfasst, das ausdrücklich die Protokollierung von dissenten Meinungen der BearbeiterInnen vorschreibt.[7] Vorgesetzte sind verpflichtet, die Gründe für ihre abweichende Entscheidungen zu protokollieren.
Insgesamt riecht die geplante „Modernisierung“ stark nach einem Wohlfühlprogramm für Big Pharma. Der US-Lobbyverband PhRMA begrüßt denn auch die geplanten Regeln.[8] Allerdings ist er strikt dagegen, dass die FDA ihr Pilotprogramm zur Veröffentlichung von Clinical Study Reports fortsetzt. Dabei wird die wenig begründete Sorge vorgeschoben, dass dadurch krankheitsbezogene Daten von einzelnen PatientInnen identifizierbar würden. Ausgerechnet die EU-Datenschutzverordnung wird von PhRMA ins Feld geführt, obwohl – siehe oben – die EMA inzwischen die Clinical Study Reports veröffentlicht.
Die Industrie hat gleich noch eine längere Wunschliste angehängt. Sie möchte, dass auch Daten aus „real world evidence“, also Anwendungsbeobachtungen, Register u.a. sowie Verbesserungen bei Biomarkern in Zulassungsentscheidungen einfließen.
Gottlieb, der den ganzen Änderungsprozess angestoßen hat, verließ die FDA im April diesen Jahres, angeblich um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Seit Juni sitzt er im Direktorium des Pharmamultis Pfizer.[9]
Artikel aus dem Pharma-Brief 6/2019, S.1
Bild FDA Building 51 houses the Center for Drug Evaluation and Research © U.S.-Regierung
[1] Das Programm trägt den Namen “New Drugs Regulatory Program Modernization” www.fda.gov/drugs/regulatory-science-research-and-education/modernizing-fdas-new-drugs-regulatory-program [Zugriff 12.9.2019]
[2] European Public Assessment Report
[3] Der Text der EU-Verordnung 726/2004 lautet: „Die Agentur veröffentlicht – nach Streichung aller vertraulichen Angaben geschäftlicher Art – umgehend den vom Ausschuss für Humanarzneimittel erstellten Bericht über die Beurteilung des Humanarzneimittels und die Gründe für das Gutachten zugunsten der Erteilung einer Genehmigung“
[4] Beschreibung der Einladung zu Kommentaren zum Clinical Data Summary Report Pilot program und alle Eingaben: www.regulations.gov/document?D=FDA-2019-N-2012-0001 [Zugriff 12.9.2019]
[5] Gottlieb S (2018) Statement from FDA Commissioner Scott Gottlieb, M.D., on proposed modernization of FDA’s drug review office. 4 June www.fda.gov/news-events/press-announcements/statement-fda-commissioner-scott-gottlieb-md-proposed-modernization-fdas-drug-review-office [Zugriff 12.9.2019]
[6] www.regulations.gov/document?D=FDA-2019-N-2012-0010 [Zugriff 12.9.2019]
[7] FDA (2010) Equal Voice: Discipline and Organizational Component Collaboration in Scientific and/or Regulatory Decisions. 16 Sept. www.fda.gov/media/79353/download
[8] www.regulations.gov/document?D=FDA-2019-N-2012-0022 [Zugriff 12.9.2019]
[9] Feinstein C (2019) Ex-FDA chief Scott Gottlieb just joined the board of $240 billion drugmaker Pfizer. Business Insider, 28 June www.businessinsider.de/scott-gottlieb-goes-from-fda-commissioner-to-pfizer-board-member-2019-6?r=US&IR=T [Zugriff 12.9.2019]