Bundesregierung weicht bei Transparenzfragen aus
Hohe Medikamentenpreise betreffen verstärkt auch den globalen Norden, so ist Bewegung in die weltweite Debatte um Lösungen gekommen. Ein Aspekt dabei ist verstärkte Transparenz bei Kosten und Preisen. Welche Rolle die Bundesregierung einnehmen möchte, bleibt jedoch unklar. Eine Chance läge im konstruktiven Dialog mit der Zivilgesellschaft.
Eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der LINKEN vom 14. August setzte sich noch einmal mit den massiven Konflikten um die Transparenzresolution während der Weltgesundheitsversammlung (WHA) in diesem Frühjahr auseinander. Die Bundesregierung wurde zu ihrer damaligen „Dissoziierung“ von der durch Italien eingebrachten Transparenzresolution (wir berichteten[1]) befragt. Die Antwort vom Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums verdeutlicht vor allem, dass ein nachhaltiger Austausch zur deutschen Position bei dem Thema weiterhin dringend vonnöten ist.
Lieber gar nicht, als zu wenig
Wie so oft bei entsprechenden Anfragen bleibt die Rückmeldung in vielen Punkten äußerst vage. Bekräftigt wird zunächst die Kritik am Vorgehen der Italiener, so wäre ein vorangehendes Einbeziehen des Exekutivrates bei der Resolution „angemessen“ gewesen. Auch hätte dies mehr Vorbereitungszeit gegeben.[2] Das hätte allerdings bedeutet, dass das Thema nicht mehr auf die Agenda der diesjährigen WHA gekommen wäre. Diese Strategie hatte die Bundesregierung in Genf verfolgt. Sie wurde aber von den meisten Mitgliedsstaaten nicht geteilt, für die der dringende Handlungsbedarf im Vordergrund stand.
Inhaltlich wird zunächst allgemein festgestellt: „Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Resolution, den Zugang zu Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten weltweit zu verbessern.“ Stante pede folgt jedoch die Einschränkung: „Allerdings handelt es sich um ein komplexes Thema. […] Eine ausschließliche Betrachtung von Einzelkomponenten wie z.B. der Preistransparenz wird den Herausforderungen nicht gerecht.“[3]
Entlang dieser Argumentationslinie werden die weiteren Fragen abgehandelt. So sei eine Offenlegung von Daten zu Verkaufszahlen, Kosten klinischer Studien oder Umfang öffentlicher Subventionen „nicht belastbar“ oder könne „zu falschen Rückschlüssen führen“. Der Tenor: lieber gar keine Transparenz, als unvollständige. Zudem wird ein weiteres Mal auf den bundesdeutschen Kontext verwiesen: „Zu der Forderung nach einer Veröffentlichung von Arzneimittelpreisen hat die Bundesregierung erläutert, dass Rabatte, die kassenindividuell mit pharmazeutischen Unternehmen vereinbart werden, als Vertragsbestandteile dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis unterliegen.“ Das trifft zwar auf Rabattverträge für Generika zu, ist aber auch hierzulande wegen der Korruptionsanfälligkeit solcher Vereinbarungen keineswegs unumstritten. Für die viel wichtigere Nutzenbewertung neuer meist hochpreisiger Arzneimittel sind die ausgehandelten Rabatte bekannt. Man kann sie zum Beispiel im Arzneiverordnungs-Report nachlesen.[3]
Inkonsequente Schlüsse
Paradoxerweise stellt die Antwort des Ministeriums zu Recht fest, maßgeblich für PatientInnen sei, „[…] welchen therapeutischen Zusatznutzen ein neues Arzneimittel im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie bietet. Die in Entwicklung und Produktion eingeflossenen Kosten treffen darüber keine Aussage. So sollte beispielsweise ein neues Arzneimittel nicht deshalb einen höheren Preis erzielen, weil es mit hohem finanziellen Aufwand entwickelt wurde.“[3] Dass allerdings die Pharmaindustrie eben jene vermeintlich exorbitanten Forschungskosten für Präparate, die aufgrund mangelnder Transparenz nur schwer überprüfbar sind, seit jeher als ein Hauptargument für hohe Arzneimittelpreise ins Feld führt, wird einfach ausgeblendet.
Am Ende der Stellungnahme steht schließlich die Feststellung, die Bundesregierung verfolge einen „holistischen Ansatz zur weltweiten Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten“, wie er auch in der WHO Access Road Map 2019-2023 vorgesehen sei. In eben jener taucht Transparenz allerdings äußert prominent auf, etwa mit der Empfehlung zur Förderung von Transparenz bei Forschungs- und Entwicklungskosten sowie zur globalen und regionalen Zusammenarbeit für erhöhte Preistransparenz.[4]
Wie hältst Du´s mit der Transparenz?
Die Bundesregierung unterstützt nach eigenem Bekunden einen verbesserten Zugang zu Arzneimitteln, sieht jedoch Transparenz als nur einen Faktor von vielen und hadert mit dessen Komplexität. Bei dieser Gemengelage stellt sich die Frage, was das konkret für das zukünftige Engagement bedeutet.
Wie groß das Bedürfnis nach der Klärung der deutschen Perspektive ist, zeigte zuletzt eine Initiative aus der Zivilgesellschaft. In einem Offenen Brief vom 2. September an Bundesgesundheitsminister Spahn, lanciert vom Aktionsbündnis gegen AIDS und unterzeichnet von elf Nichtregierungsorganisationen, darunter auch der Pharma-Kampagne, wird ein inhaltlicher Dialog angeregt. So heißt es: „Aus unserer Sicht ist […] bislang offen geblieben, wie die Bundesregierung prinzipiell zum Inhalt der Transparenz-Resolution steht und inwiefern sie abweichende Positionen vertritt. […] Ein früher und offener Dialog hierzu kann für die weitere Arbeit zu den gesundheitsrelevanten SDGs wichtige und positive Impulse setzen.“ [5]
Auch angesichts des zerschlagenen Porzellans auf der letzten WHA bedarf es nun gemeinsamer Anstrengungen, denn klar ist: Die Gretchenfrage, wie es die Bundesregierung mit der Preistransparenz bei Medikamenten, Impfstoffen und Gesundheitsprodukten wirklich hält, wird sich in den kommenden Jahren wieder und wieder stellen.
Ein umfassender Zugang zu Gesundheitsversorgung weltweit ist ohne bezahlbare Produkte undenkbar. Ohne verbesserte Transparenz wird der Kampf gegen Preistreiberei aber nicht erfolgreich sein können. Untätig zu bleiben ist angesichts der krassen globalen Versorgungslücken keine Option.
Im Bereich Globale Gesundheit richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf das UN High-Level Meeting zu Universal Health Coverage (UHC), das am 23. September – nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe – stattfand. Bereits in der Vorbereitung des Treffens sorgte das Thema Transparenz abermals für Zündstoff.[6] (MK)
Artikel aus dem Pharma-Brief 6/2019, S.3
Bild © Jörg Schaaber
[1] Pharma Brief (2019) WHA: Deutschland auf Distanz zu Transparenz-Beschluss. Nr. 3, S. 1
[2] BMG (2019) Antwort auf Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald und weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. betreffend „Deutschland in den Verhandlungen zur Transparenzresolution“, BT-Drs 19/12382. https://sylvia-gabelmann.de/wp-content/uploads/2019/09/2019-08-28-AW-PSt-Dr.-Gebhart_KA-19_12382.pdf [Zugriff 12.09.2019]
[3] Schwabe et al. (2018) Arzneiverordnung-Report 2018. Heidelberg/Berlin: Springer
[4] WHO (2019) Draft Road Map for Access to medicines, Vaccines and other health products, 2019–2023. https://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA72/A72_17-en.pdf [Zugriff 12.09.2019]
[5] Aktionsbündnis gegen Aids u.a. (2019) Deutschlands Prioritäten bei Zugang und Transparenz im Bereich Globale Gesundheit. www.aids-kampagne.de/sites/default/files/brief_an_bundesgesundheitsministrer_spahn_-_transparenz_resolution_-_19-02-09.pdf [Zugriff 11.09.2019]
[6] Branigan D (2019) Drug R&D, Sexual & Reproductive Health Scrutinised In Draft UHC Declaration. Health Policy Watch, 19 July www.healthpolicy-watch.org/drug-rd-sexual-reproductive-health-scrutinised-in-draft-uhc-declaration [Zugriff 23.07.2019]