Wenig Daten zu Antibiotika-Resistenzen weltweit
Im Oktober 2015 führte die WHO ein standardisiertes System zur internationalen Überwachung antimikrobieller Resistenzen ein. Das Global Antimicrobial Resistance Surveillance System (GLASS) soll verlässliche Daten zur weltweiten Resistenzproblematik liefern und damit nationale, regionale und globale Aktionspläne unterstützen. Aber wie gut funktioniert die Datenerhebung und wie verlässlich sind die gewonnenen Informationen? Welche Probleme gibt es bei der Implementierung von GLASS in einem armen Land wie Nigeria. Und wo gibt es noch Baustellen in Deutschland? Dr. Gerhard Schwarzkopf Steinhauser – Experte im Bereich Mikrobiologie und Infektionsschutz stand uns dazu Rede und Antwort.
Seit 2016 können Daten zu antimikrobiellen Resistenzen in die GLASS Datenbank eingespeist werden. 72 Länder nehmen inzwischen an dem Programm teil. Wissen wir nun mehr über die globale Resistenzlage?
Etliche Länder haben GLASS zwar ratifiziert und sich damit verpflichtet, nach einem vorgegebenen Schema Daten zu liefern. Die Datengrundlage ist aber ziemlich lückenhaft, entspricht nicht den Qualitätsanforderungen und ist in keinster Weise repräsentativ.
Wo hakt es bei der Datenerhebung?
Entscheidend ist, dass die Resistenztestung nach bestimmten Qualitätsstandards erfolgt – GLASS empfiehlt dazu die europäische Methode EUCAST oder das amerikanische CLSI System. Die Resistenztestung muss somit auf streng definierten Medien und mit ganz bestimmten labortechnischen Methoden erfolgen. Wissen und Technik sind aber in vielen Krankenhäusern nicht vorhanden – das gilt ganz besonders für arme Länder. Nigeria z.B. hat GLASS ratifiziert und ist dabei, in Kooperation mit dem RKI die Datenerhebungen zu beginnen. Dafür müssen aber zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden. Selbst wenn die nötige Technik verfügbar ist, gibt es derzeit noch erhebliche Lücken beim Wissensstand des Personals in den mikrobiologischen Labors.
Sie halten die erhobenen Daten außerdem für wenig repräsentativ …
In Nigeria müssen Patienten die Diagnostik selbst bezahlen, deshalb wird nicht in ausreichender Menge diagnostiziert. Wenn z.B. bei jedem komplizierten Harnwegsinfekt eine mikrobiologische Testung gemacht werden würde, dann wäre die Datenlage repräsentativ. Wenn die Testung vom Geldbeutel der Patienten abhängt, gilt das nicht.
Ein Problem ist auch in vielen Ländern die Trennung des Gesundheitssystems in einen öffentlichen und einen privaten Sektor. Die GLASS Datenbank unterscheidet nicht zwischen den Daten aus öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen. Sie gibt auch nicht vor, welche oder wie viele Einrichtungen Daten liefern sollen. Festgeschrieben ist nur, dass die Auswahl repräsentativ sein soll. Das ist ein Manko. Wenn man Daten erhebt, muss man wissen, wo die herkommen – schließlich ist bei armen Bevölkerungsteilen eine andere Epidemiologie zu erwarten als bei reichen Bevölkerungsgruppen. Schon aufgrund der Lebensweise, des Zugangs zu Trinkwasser und der Ernährungsgewohnheiten sind möglicherweise die Erreger bei bakteriellen Infektionen höchst unterschiedlich.
Und wie steht es nun in Deutschland und Europa?
Es gibt Länder, wo die Datenerfassung streng geregelt ist – etwa in den Niederlanden oder in den skandinavischen Ländern inklusive Dänemark. In Deutschland gibt es dagegen gewaltige Schwächen. Zwar ist die Erhebung von Daten zum Antibiotika-Verbrauch und zur Resistenzlage im Infektionsschutzgesetz gesetzlich vorgeschrieben. Aber die Übermittlung dieser Daten an die nationale Datenbank zur Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) des RKI ist freiwillig. Die ARS-Daten sind daher derzeit nicht repräsentativ. Eine Verpflichtung zur Datenübermittlung ist wiederum Ländersache. Bayern will beispielsweise eine eigene Datenbank einrichten, was nicht zielführend ist.
Was wäre die Lösung für all diese Probleme?
Zweierlei: Eine vernünftige Diagnostik und eine Verpflichtung zur Übermittlung sämtlicher Daten. Für arme Länder heißt das auch, einen nationalen Gesundheitsservice zu etablieren, der eine gute Versorgung für alle garantiert. Denn nur ein guter Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und zu Diagnostika ermöglicht eine gute Kenntnis des Gesundheitszustands und der Resistenzlage innerhalb der Bevölkerung. Bisher wissen wir nicht, wie gravierend die Resistenzraten tatsächlich sind. Dazu müssten wir die Realität besser kennen.
Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2019, S.14
Bild Dr. Schwarzkopf Steinhauser © Jörg Schaaber
[1] Global Health Protection Programme des Bundesministeriums für Gesundheit: NiCaDe https://ghpp.de/de/projekte/nicade [Zugriff 24.7.2019]
[2] Nigeria Centre for Disease Control (2019) NCDC and RKI Launch New Project to Strengthen Health Security in Nigeria, 13 June https://ncdc.gov.ng/news/181/ncdc-and-rki-launch-new-project-to-strengthen-health-security-in-nigeria [Zugriff 23.7.19]