BUND fordert Konsequenzen
Die Naturschutzorganisation BUND hat in Flüssen und Seen in NRW nach resistenten Keimen gesucht – und wurde fündig. Paul Kröfges, Gewässerexperte des BUND NRW, berichtet.
Nachdem der NDR Anfang 2018 antibiotikaresistente Bakterien (ARB) in mehreren Gewässern Niedersachsens nachgewiesen hatte, stellte sich die Frage nach der Situation in anderen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen wiegelte das zuständige Umweltministerium ab und verwies auf ein länger laufendes Forschungsprojekt (HyReKA),[1] dessen Ergebnisse man abwarten wolle.
Daraufhin beauftragte der BUND NRW im April und Juli 2018 die Medizinische Fakultät der Ruhr Universität Bochum mit der Untersuchung von 13 Gewässerproben aus NRW nach einem anerkannten Verfahren.[2] Es handelte sich dabei um 5 Proben aus landwirtschaftlich geprägten Gewässerstrecken im Kreis Borken, einer Probe aus einem Badesee bei Viersen und weiteren 7 Proben aus Gewässern in NRW, die unterschiedliche Einflüsse aus Kläranlagen aufweisen.[3]
Untersuchungen 2018
In den landwirtschaftlich beeinflussten Proben wurden bis zu 7 Resistenzen gegenüber 14 getesteten Antibiotika festgestellt. Dies sind deutliche Hinweise auf den Einsatz von Antibiotika in der dort praktizierten Tierhaltung und der Resistenzverbreitung über die Ausbringung belasteter Gülle.
In der Probe aus einem Badesee bei Viersen wurden Colibakterien mit medizinisch relevanter Multiresistenz gegen 3 Reserveantibiotika nachgewiesen (3 MRGN). Als Ursachen kommen sowohl Einträge durch Zuflüsse von landwirtschaftlichen Flächen als auch durch Badende in Frage.
Problematisch sind auch die Ergebnisse aus Nette, Sieg und Agger. So wurden in einem Abschnitt der Nette, vor der Kläranlage Viersen-Dülken, hohe Anteile an multiresistenten Colibakterien gefunden (3 MRGN). Ursache dafür könnte der Überlauf von Mischwasser aus dem überlasteten Kanalnetz [4] oder auch eine nahegelegene große Schweinemastanlage sein.
Auffallend war die Belastung hinter Kläranlagen mit angeschlossenen Krankenhäusern. So lagen hinter der Kläranlage Rosbach (ohne Klinik) in der Sieg nur relativ geringe Belastungen vor. Dagegen wurden weiter flussabwärts, etwa 2 km hinter der Kläranlage Eitorf, die Abwässer eines Krankenhauses aufnimmt, resistente Bakterien der Kategorie 3 MRGN festgestellt. Zwischen dem Ablauf der Kläranlage und der Probenentnahmestelle liegt ein Campingplatz mit großem Badebetrieb bei sommerlichen Temperaturen.
Als noch problematischer erwies sich die Situation an der Agger, einem Nebengewässer der Sieg. Dort wurden hinter der Kläranlage Engelskirchen, an die 2 größere Kliniken angeschlossen sind, in einer Probe vom 10. Juli 2018 sogar 4 MRGN (E-Coli) Bakterien nachgewiesen.
Hier ist die Situation des Gewässers besonders problematisch, da die Einleitung der Kläranlage in das alte Aggerbett bei Ehreshoven erfolgt. Das Flüsschen hat eine Mindestwasserführung von nur 500 Litern Wasser pro Sekunde, während der weitaus größere Wasseranteil nebenan kanalisiert in die Turbinen der Aggerkraftwerke geleitet wird. Der Rest im ehemaligen natürlichen Flussbett muss mit dem keim- und spurenstoffbelasteten Abwasserstrom fertig werden. Unter diesen Bedingungen können sich unterhalb des Kläranlagenablaufes antibiotikaresistente Bakterien vermehren, u.U. sogar regelrecht gezüchtet werden, so die Befürchtung des BUND.
Untersuchungen 2019
Da der zuständige Wasserverband keine aktuellen Messwerte von Arzneimitteln, insbesondere Antibiotika, vorlegen konnte, wurde der BUND erneut aktiv. Er ließ im März und April 2019 zwei Proben aus dem Ablauf der Kläranlage Engelskirchen auf 42 Komponenten aus diesem Spektrum untersuchen.
Die Ergebnisse belegen nach Einschätzung des BUND eine deutliche Belastung der Agger mit Rückständen von Antibiotika, Blutdrucksenkern, Epilepsie-, Herz- und Kreislaufmitteln verschiedenster Art durch die Kläranlage Engelskirchen.
Konsequenzen und Forderungen
Der BUND forderte bereits 2018 die Behörden auf, mit einem Untersuchungsprogramm, die Eintragspfade von Arzneiwirkstoffen und antibiotikaresistenten Bakterien in die Agger aufzuklären, vor allem den Einfluss der an die Kläranlage angeschlossenen Kliniken. Ziel sollten sinnvolle und wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Belastung sein. Obwohl nicht als Badegewässer ausgewiesen, wird auch die Agger zur Naherholung, zum Angeln und auch zur gelegentlichen Erfrischung an heißen Sommertagen genutzt – und gerade dann ist die Gefahr von Infektionen oder der Übertragung solcher Keime auf andere Menschen hoch. Die vom Umweltministerium angekündigten NRW-weiten Untersuchungen hält der BUND für wichtig, aber nicht ausreichend. Diese geben nur einen groben Überblick über die landesweite Problematik und können im konkreten Fall nur bedingt weiterhelfen.
In der Zwischenzeit fand ein Gespräch des BUND mit der Leitung des für die Unterhaltung der Agger und die Kläranlage Engelskirchen zuständigen Aggerverbandes statt. Hierbei wurden die BUND-Ergebnisse durch frühere, vom Verband veranlasste, Untersuchungen bestätigt. Allerdings hatte der Verband nicht nach Antibiotika gesucht.
Auch die Problematik der Resistenzbildung im Gewässern nimmt der Verband ernst, will aber kein „kostspieliges“ Sondermessprogramm auflegen, sondern aktiv das aktuell anlaufende Messprogramm des Landes unterstützen. Hierbei werden nach Aussagen des Landes die BUND Messstellen einbezogen. Aggerverband und BUND haben sich darauf verständigt, auf Basis dieser Ergebnisse dann über Konsequenzen und weitere Maßnahmen zu beraten. (Paul Kröfges)
Artikel aus dem Pharma-Brief 3/2019, S.6
Bild © BUND NRW
[2] Dabei werden nach Vorgaben der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch Institut bis zu 19 Antibiotika, variiert je nach festgestellter Bakterienart, getestet
[3] Alle Ergebnisse: www.bund-nrw.de/presse/detail/news/bund-weist-multiresistente-keime-in-gewaessern-nach
[4] Abwasserkanäle, in denen Schmutzwasser und Regenwasser gemeinsam ins Klärwerk fließen