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HIV/Aids bleibt eine komplexe Herausforderung

Im Kampf gegen HIV/Aids sind Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung immer noch hohe Hürden. Dies zeigte sich jüngst in Singapur, wo vertrauliche Behandlungsdaten von HIV-positiven PatientInnen an die Öffentlichkeit gelangten.

Datenlecks – seit Monaten beschäftigen sie die deutsche Öffentlichkeit, sei es zu Bundestagsmitgliedern (Bundestags-Leak), Bankengeschäften (Panama Papers) oder Spitzensport (Football Leaks). Wenig Beachtung fand hierzulande allerdings ein Vorfall, der massive Folgen für tausende Betroffene hat.BishanatNight Singapore 20091130 CC Eustaquio Santimano

Ende Januar gab das Gesundheitsministerium von Singapur bekannt, dass persönliche Daten von 5.400 Einheimischen und 8.800 AusländerInnen, die als HIV-positiv getestet wurden, geleakt wurden.[1] Der Datensatz umfasste neben der Diagnose Namen, Adressen, Telefon- und Passnummern sowie teils auch Informationen zu Kontaktpersonen.

Misstrauen und Kriminalisierung

Singapur ist ein konservativ geprägtes Land. Die meisten Menschen mit HIV teilen ihre Diagnose dort nur mit sehr Wenigen. So überrascht es nicht, dass die Menschen, die von dem Leak betroffen waren, in Medienberichten ihre Ängste schilderten, berufliche oder private Probleme zu erleiden.[2] Gleichzeitig fanden sich in der lokalen Presse auch Stimmen, die von starken Ressentiments gegenüber den PatientInnen zeugten.[3] In Singapur ist Sex zwischen Männern durch ein Gesetz aus Kolonialzeiten noch immer verboten. Schätzungsweise die Hälfte der jährlich neu Betroffenen hat sich auf diesem Weg angesteckt.[4] AktivistInnen verweisen darauf, dass dies auch eine direkte Folge der Kriminalisierung ist und versuchen, die alte Regelung vor Gericht zu kippen.

Noch bis 2015 verbot der reiche Stadtstaat HIV-positiven Ausländern komplett die Einreise. Mittlerweile sind Aufenthalte unter drei Monaten möglich. Mutmaßlicher Verursacher des Datenlecks war ein US-Amerikaner, der sich laut Aussage der Behörden illegal in Singapur aufhielt. Der Mann habe in Singapur arbeiten wollen, sei aber schon bei seiner Einreise HIV-positiv gewesen und falle daher per Gesetz unter ein Arbeitsverbot. Laut offiziellen Stellen begann er Blutproben zu fälschen, um einreisen und vor Ort bleiben zu können, ehe ihn die Behörden unter anderem wegen Betruges verurteilten und 2018 abschoben.[5] Über Motive für die Veröffentlichung wurden bislang keine Angaben gemacht. Sein singapurischer Partner, der Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums war und Zugang zu den Daten hatte, steht in den kommenden Monaten vor Gericht.

Kein Einzelfall

Singapur ist kein Einzelfall, wenn es um diskriminierende Einreisebestimmungen für Menschen mit HIV geht. Dies zeigen Nachforschungen der Global Database on HIV-Specific Travel and Residence Restrictions und von UNAIDS. Die für Aids zuständige UN-Organisation arbeitet momentan an einem neuen Bericht zu dieser Form der Diskriminierung von HIV-Positiven. Das letzte Datenblatt konstatierte: „Stand Juni 2015 hielten noch 36 Länder, Territorien und Gebiete Einschränkungen der Reisefreiheit aufrecht.“ [6]

Der beschriebene Fall wirft allerdings auch ein grelles Schlaglicht auf ein gravierendes Problem der HIV/Aids-Prävention. Die toxische Verbindung von Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung erschwert die weltweite Aids-Bekämpfung weiterhin massiv. Peter Wiessner, Mitautor der Global Database, stellt zu den Ereignissen in Singapur fest: „Die Basis von Diskriminierung bilden Irrglaube und Angst. Beim Thema HIV geht es dabei um Drogennutzung, Männern die Sex mit Männern haben und all jene Realitäten, die Länder nicht wahrhaben wollen. Xenophobie spielt ebenfalls eine Rolle.“ [7]

Gefährliche Trias

Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung sind trotz aller Erfolge im globalen Kampf gegen HIV/Aids ein hohes Hindernis. Augenfällig ist dies gerade in Regionen, wo die Zahl der Neuinfektionen steigt, beispielsweise in Teilen Osteuropas, Zentralasien und dem Mittleren Osten. Das durch UNAIDS herausgegebene Global Aids Update 2018 trug auch vor diesem Hintergrund den bezeichnenden Titel „Miles to go“. [8]

Diskriminierung beeinträchtigt zudem die Wirksamkeit von NRO-Arbeit im globalen Süden. Hierbei geht es nicht nur um Gesundheitsprojekte im engeren Sinne, sondern auch um Fragen rund um Menschenrechte und Soziales. HIV/Aids ist ein Querschnittsthema und muss als solches begriffen werden. Entsprechend sind Aspekte wie Stigma, Diskriminierung und Kriminalisierung bei der Arbeit zu Gesundheit als Menschenrecht, ebenso wie bei Maßnahmen zur Förderung von Mädchen und Frauen oder Programmen gegen andere Infektionskrankheiten zu berücksichtigen. Nur so lassen sich die noch existierenden sozialen Hindernisse bei der Bekämpfung der Seuche überwinden. (MK)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.3
Bild © Eustaquio Santimano

[1] Reuters (2019) U.S. citizen leaks data on 14,200 people in Singapore with HIV. www.reuters.com/article/us-singapore-health/u-s-citizen-leaks-data-on-14200-people-in-singapore-with-hiv-idUSKCN1PM17T [Zugriff 12.02.2019]

[2] Deutsche Welle (2019) Entsetzen in Singapur über geleakte HIV-Daten. www.dw.com/de/entsetzen-in-singapur-%C3%BCber-geleakte-hiv-daten/a-47280174  [Zugriff 13.02.2019]

[3] Medical Xpress (2019) Fury at HIV data leak in conservative Singapore. https://medicalxpress.com/news/2019-02-fury-hiv-leak-singapore.html  [Zugriff 12.02.2019]

[4] Ives M (2019) Data breaches dent Singapore´s image as a tech innovator. New York Times 29 Jan www.nytimes.com/2019/01/29/world/asia/singapore-data-breach-hiv.html  [Zugriff 12.02.2019]

[5] Washington Post (2019) An American hid his HIV status to survive in Singapore. Exposed, he allegedly punished thousands living with the virus. www.washingtonpost.com/nation/2019/02/01/an-american-hid-his-hiv-status-survive-singapore-exposed-he-punished-thousands-living-with-virus-authorities-say/?utm_term=.81f8301664a7  [Zugriff 12.02.2019]

[6] UNAIDS (2015) Lifting HIV-related restrictions on entry, stay and residence https://open.unaids.org/sites/default/files/documents/FINAL_TR_A3_press.pdf  [Zugriff 12.02.2019]

[7] South China Morning Post (2019) VISA restrictions for HIV-positive immigrants still in place in dozens of countries. www.scmp.com/lifestyle/travel-leisure/article/2185009/visa-restrictions-hiv-positive-immigrants-still-place [Zugriff 12.02.2019]

[8] UNAIDS (2018) Global AIDS Update 2018. Miles to go – Closing Gaps. Breaking Barriers. Righting Injustices. www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/miles-to-go_en.pdf [Zugriff 12.02.2019]