Warum vorschnelle Zulassungen ein Problem sind
Neue Arzneimittel kommen immer öfter auf dünner wissenschaftlicher Basis auf den Markt. Der Fall des Krebsmedikaments Olaratumab macht schlaglichtartig die Probleme deutlich. Nach Abschluss einer zweiten Studie verfügte die europäische Zulassungsbehörde EMA, dass keine weiteren PatientInnen mit dem Medikament behandelt werden dürfen.[1]
Olaratumab wurde im November 2016 zugelassen und sollte gegen seltene bösartige Tumore helfen, sogenannte Weichteilsarkome. Die Pharmazeutische Zeitung bescheinigte der EMA ein „rekordverdächtiges Tempo“ und war voll des Lobes. Es wurde ein Experte zitiert, der die laut Studie um ein Jahr verlängerte Lebensdauer als „absolut sensationell“ bezeichnete.[2] Der Haken an der Sache: statt einer Phase III Studie, die üblicherweise für die Zulassung verlangt wird, hatte der Hersteller nur eine kleine Phase Ib/II Studie mit etwas über 100 Teilnehmern durchgeführt. Diese frühen Studien dienen eigentlich nur der Prüfung der Verträglichkeit und der Dosisfindung.
Ganz sicher war sich deshalb die europäische Arzneimittelbehörde EMA auch nicht und ließ Olaratumab nur unter der Bedingung zu, dass der Hersteller eine weitere größere Studie durchführt. Erste Ergebnisse der Phase III-Studie mit über 400 ProbandInnen sickerten jetzt durch: Es gibt keinerlei Überlebensvorteil durch das neue Medikament. Und auch die Vorteile bei der oft als Hilfskonstruktion eingeführten Messgröße „progressionsfreies Überleben“ – ein fragwürdiges Surrogat für patientenrelevante Vorteile – brachen in sich zusammen. In der Phase III-Studie fand sich kein Unterschied zur Vergleichstherapie.
Die Behörde verfügte, dass Olaratumab bis zur endgültigen Auswertung der Studie keinen neuen PatientInnen verordnet werden darf.[1] Die Jahrestherapiekosten betragen in Deutschland 186.448,86 €. Das Präparat muss zusammen mit der bislang üblichen Therapie Doxorubicin (Preis 3.200,56 € jährlich) gegeben werden.[3] Laut EMA wurden in Europa bislang tausend Erkrankte behandelt. Für die PatientInnen mehr Nebenwirkungen, für den Hersteller ein gutes Geschäft. Lilly erzielte mit dem Präparat bis Ende 2018 über eine halbe Milliarde US$ Umsatz.[4],[5]
Der Fall erinnert an das Brustkrebsmedikament Palbociclib, das auf Basis von noch laufenden Studien zugelassen worden war. Der Hersteller hatte auf Basis des längeren progressionsfreien Überlebens hohe Erwartungen geschürt. Die versprochene Lebensverlängerung wurde anschließend in zwei Studien nicht bestätigt.[6]
Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.4
[1] EMA (2019) No new patients should start treatment with Lartruvo. Press release 23.1.
[2] Mende (2016) Pharmazeutische Zeitung Nr. 47 www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-472016/rekordverdaechtiges-tempo
[3] G-BA (2017) Nutzenbewertung von Olaratumab. Beschluss vom 18.5. www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/268
[4] Lilly (2018) Q4_2017 workbook
[5] Lilly (2019) IR workbook Q4 2018
[6] Pharma-Brief (2018) Brustkrebs: Leere Versprechen. Nr. 6, S. 4