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Wie man negative Studienergebnisse kleinredet

„ ‘Alternative Fakten‘ zur Erklärung enttäuschend negativer Studienergebnisse?“ titelte Arzneimittelbrief.[1] Basis des Artikels war eine kleine Studie, die in der Weihnachtsausgabe des BMJ erschienen war.[2] Mit einer guten Prise britischen Humors gewürzt, beleuchtete sie das professionelle Schönreden von wissenschaftlichen Niederlagen.

Schon die Einleitung des BMJ-Artikels hat es in sich: „Der Fortschritt in der medizinischen Wissenschaft wird getrübt durch häufiges auf der Stelle treten, weil die meisten wundervollen Ideen am Ende nicht funktionieren. Um den Eindruck einer Flut von Entdeckungen und Begeisterung aufrechtzuerhalten, heuern Pharma- und Medizinproduktehersteller selektiv ExpertInnen ihres Fachs an, bei denen sie sich in allen Situationen auf eine ermutigende Darstellung verlassen können. Intern nennen die Firmen sie ‚Key Opinion Leader‘. Wir haben festgestellt: Wenn Key Opinion Leader enttäuschende Studienergebnisse in Nachrichtenportalen oder auf Konferenzen kommentieren sollen, scheinen sie merkwürdig unfähig zu erkennen, dass die Behandlung nicht funktioniert.“ Sie (er)finden zahlreiche Gründe, warum das Medikament doch besser sein könnte, als es die Studie ergab.

Da die sechs AutorInnen den Eindruck hatten, dass sich die Ausreden für die schlechten Ergebnisse häufig wiederholten, gingen sie die Sache systematisch an. Sie werteten Kommentare zu neuen Studien aus, die 2013-2017 auf drei großen Kardiolo­g-Innenkongressen in den USA und Europa vorgestellt worden waren. Die ForscherInnen fanden in den vielgelesenen Nachrichtenportalen „Medscape“ und „MedPage Today“ Kommentare zu 127 für den Sponsor unvorteilhaft ausgegangenen Studien.[3] In den allermeisten Fällen wurden die enttäuschenden Ergebnisse in Frage gestellt: In 108 der Berichte fanden sich Rechtfertigungen, warum das negative Ergebnis nicht aussagekräftig sei.

Die beliebteste Ausrede war, dass angeblich zu wenig PatientInnen in die Studie eingeschlossen waren, um ein statistisch signifikantes Ergebnis zu erzielen. Nur in einem von 39 Fällen machte sich der Key Opinion Leader aber die Mühe, die notwendige Anzahl vorzurechnen.

Die Ausrede „es sind weitere Studien notwendig“ (jede fünfte Negativstudie wurde damit kleingeredet) kommentieren die AutorInnen so: „Das legt nahe, dass der Key Opinion Leader die Ergebnisse einfach nicht mochte und wünscht, dass die Würfel erneut geworfen werden.“

Auch beliebt war die Behauptung, dass die PatientInnen zu krank waren (7 mal), um von der Behandlung noch profitieren zu können. Allerdings wurde bei elf Studien das negative Ergebnis mit dem genauen Gegenteil erklärt, dass die Krankheit zu mild oder in einem zu frühen Stadium war. Mal waren die Patientinnen nach dem Urteil der Propagandisten zu jung, mal zu alt, die Compliance war zu gut oder zu schlecht.

Mit typisch englischem Humor verfassten die AutorInnen am Schluss ein Drehbuch für die Key Opinion Leader. Ihr Motto: „Mit Hilfe des Drehbuchs ist keine Intervention zu ineffektiv, als dass sich nicht eine Ausrede dafür finden ließe.“  (JS)

 

Artikel aus dem Pharma-Brief 1/2019, S.5

[1] Der Arzneimittelbrief (2019) 53;  S. 16DB01

[2] Hartley A et al. (2018) Key opinion leaders‘ guide to spinning a disappointing clinical trial result. BMJ; 363, p k5207

[3] Für den primären Endpunkt der Studie konnte kein signifikanter Unterschied zur Vergleichsbehandlung festgestellt werden.