Sonderbericht der WHO zur COP24
Lebensräume, Atemluft, Trinkwasser und Ernährung sind durch steigende Meeresspiegel, Extremwetter-Ereignisse, Hitzewellen und Dürren in Gefahr. Unterlassener Klimaschutz kommt uns teuer zu stehen. Mit ihrem Bericht zur Weltklimakonferenz COP24 in Kattowitz legt die WHO dazu aktuelle Berechnungen vor.[1]
Kostspieligen Maßnahmen zum Klimaschutz stehe ein gesundheitlicher Nutzen von doppeltem Wert gegenüber, resümiert die WHO in ihrem bei der Weltklimakonferenz vorgestellten Bericht. Auf 38 Seiten präsentiert ein 80-köpfiges internationales ExpertInnenteam seine Einschätzungen und Berechnungen.
Eine der Kernaussagen: In den 15 Ländern mit den höchsten Treibhausgas-Emissionen betragen die daraus resultierenden Gesundheitskosten mehr als 4 % ihres Bruttoinlandsproduktes. Maßnahmen zur Umsetzung des Pariser Abkommens kosten dagegen etwa ein Prozent des weltweiten BIP.[2] Klimaschutz mache sich daher überall auf der Welt bezahlt. Die zu erwartenden positiven Gesundheitseffekte von entschiedenem Handeln wären gerade in Indien und China besonders groß.
Der Bericht präsentiert den aktuellen Wissensstand zu den komplexen Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Gesundheit und bietet Schlüsselinformationen für politische EntscheidungsträgerInnen: Wie ziehen Länder den größten gesundheitlichen Nutzen aus ihren Klimaschutzmaßnahmen und wie können die schlimmsten krankmachenden Folgen des Klimawandels vermieden werden? Der Bericht gibt außerdem einen Überblick über gesundheitspolitische Initiativen und Maßnahmen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zur Umsetzung der Paris-Konvention.
Jetzt Handeln!
Würde das Paris-Abkommen in Kattowitz konsequent umgesetzt, könnte es „die stärkste Gesundheits-Vereinbarung dieses Jahrhunderts sein“, sagte WHO-Direktor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. Der Klimawandel bedrohe schon heute die Grundlagen einer gesunden Existenz: Saubere Luft, Trinkwasser, Nahrung und eine sichere Unterkunft. Er drohe Jahrzehnte des Fortschrittes in der globalen Gesundheit zunichte zu machen. „Wir können es uns nicht leisten, das Handeln noch länger hinauszuzögern.“ Gerade für die Inselstaaten im Pazifik sei ein schnelles Handeln von essenzieller Bedeutung. Die Ergebnisse der COP24 entscheiden über Gesundheit und Existenz der InselbewohnerInnen.
Wetterextreme und Dürren rufen Hungersnöte hervor, Trinkwassermangel verursacht Krankheiten, führt zu mangelnder Hygiene und beeinträchtigt in erheblichem Maß die Mutter-Kind-Gesundheit. Hitzewellen lassen die Sterberaten bei Herz- und Atemwegs-Erkrankungen ansteigen und fördern Asthma-Anfälle. Denn die Konzentration von Schadstoffen, Pollen und Allergenen in der Luft ist bei Hitze deutlich erhöht.
Luftverschmutzung tötet
Die Folgen einer verfehlten Klimapolitik wären verheerend. Eine eher konservative Schätzung geht ab 2030 von jährlich 250.000 zusätzlichen Todesfällen durch den Klimawandel aus: 38.000 Sterbefälle weltweit durch Hitze, 48.000 durch Diarrhö, 60.000 durch Malaria und 95.000 durch Unterernährung bei Kindern.
Eine Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele – die in vielen Bereichen eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation bedeuten würde – könnte ab 2050 jedes Jahr eine Million Menschenleben retten – und zwar allein durch eine Reduzierung der Luftverschmutzung, die jedes Jahr für sieben Millionen vorzeitige Todesfälle sorgt. 90 % der globalen Stadtbevölkerung atmet derzeit Luft ein, deren Schadstoffbelastung die WHO als bedenklich einstuft.
Die Krankheitsbürde durch CO2-Emissionen sei inzwischen dermaßen hoch, dass ein Wechsel zu nachhaltigeren Energien, Transport- und Lebensmitteltechnologien sich ganz von allein auszahle. „Die wahren Kosten des Klimawandels sehen wir in unseren Krankenhäusern und fühlen wir in unseren Lungen“, formuliert es Dr. Maria Neira, Leiterin der WHO-Abteilung für umweltbedingte und soziale Determinanten von Gesundheit. Klimaschutz sei darum kein Kostenfaktor, sondern eine Chance.
Ein Plus für die Gesundheit
Investitionen in den Klimaschutz seien immer auch ein Plus für die Gesundheit. Denn dieselben Faktoren, die das Weltklima destabilisieren, sind auch verantwortlich für schlechte Gesundheit. Haupttreiber des Klimawandels ist die Verbrennung fossiler Energieträger – sie ist auch eine der Hauptursachen für Luftverschmutzung.
Fleischproduktion ist verantwortlich für 15% der CO2-Emissionen. Eine Reduktion der Fleischproduktion sowie des Fleischanteils in der täglichen Nahrung könnte das Risiko für Herz-Kreiskauf-Erkrankungen und Krebs deutlich senken.
Städte als Schlüsselakteure
Gerade Städte sieht die WHO in der Verantwortung, was den Klimaschutz angeht, sieht sie aber auch als besonders große Nutznießer effektiver Klimapolitik: [3] Denn die Weichen für viele der notwendigen Maßnahmen im Bereich Verkehr und Energieversorgung werden gerade auf lokaler Ebene gestellt. Zugleich profitiert gerade die städtische Bevölkerung überproportional von umweltfreundlichen Verkehrs- und Energiekonzepten. Eine Fußgänger- und Fahrrad-freundliche Verkehrspolitik fördert körperliche Aktivität und bedeutet eine bessere Gesundheit. Ein sicherer öffentlicher Nahverkehr senkt die Zahl der Verkehrsopfer und Unfälle.
Fehlende Investitionen lassen die Verletzlichsten zurück
Nicht nur beim Klimaschutz, auch bei der Klimaanpassung sieht die WHO gewaltige Lücken. Was zu tun ist, um die Gesundheit vor dem Klimawandel zu schützen, sei zwar bekannt – von krisenfesten, nachhaltigen Gesundheitseinrichtungen bis hin zu verbesserten Warnsystemen für Extremwetter-Ereignisse und Krankheitsepidemien. „Aber fehlende Investitionen lassen die Verletzlichsten zurück”, so Dr. Joy St John, aus der WHO-Abteilung für umweltbedingte und soziale Determinanten von Gesundheit.[2]
Der WHO-Bericht fordert alle Partnerstaaten der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) auf, eine Analyse von Gesundheitskosten und -nutzen in ihre Klimaschutz-Strategien einzubeziehen. Er empfiehlt fiskale Anreize wie eine Kohlesteuer oder Energie-Subventionen, um der Wirtschaft Anreize für eine Reduzierung von Treibhausgasen und Luftschadstoffen zu bieten. Nicht zuletzt sollten die Staaten in eine effektive Klimaanpassung im Gesundheitssystem investieren und ihre Infrastruktur auf zukünftige Herausforderungen besser vorbereiten.
Klimaschutz stärkt Entwicklung
Die Klimaschutz-Agenda sei nicht nur eng verzahnt mit der Agenda 2030 der nachhaltigen Entwicklungsziele, sondern letztendlich auch mit der internationalen Charta der Menschenrechte. Die WHO sieht alle Staaten in der Verantwortung, das Menschenrecht auf Gesundheit zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen. Das erfordere eben auch, Menschen vor den vorhersehbaren und krankmachenden Auswirkungen des Klimawandels zu bewahren. (CJ)
Schulmaterial zum Klimawandel
Im Fokus dieser kostenlosen Unterrichtseinheit für Berufsschulen stehen Atemwegs-Erkrankungen in Indien und Deutschland. Die Broschüre mit Unterrichtskonzept und Arbeitsbättern bereitet die Schülerinnen und Schüler auf zukünftige berufliche Herausforderungen vor und sensibilisiert sie für die komplexen Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel. Sie können das Material kostenlos herunterladen.
Artikel aus dem Pharma-Brief 10/2018, S. 1
Bild © Karolina Sobel Akcja Demokracja COP24
[1] WHO (2018) COP24 Special report: Health & Climate Change. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/276405/9789241514972-eng.pdf?ua=1 [Zugriff 12.12.18]
[2] WHO (2018) Health benefits far outweigh the costs of meeting climate change goals. Press release 5. Dec www.who.int/news-room/detail/05-12-2018-health-benefits-far-outweigh-the-costs-of-meeting-climate-change-goals [Zugriff 12.12.18]
[3] WHO (2018) Health and Climate Change. Newsroom. Facts in pictures. www.who.int/news-room/facts-in-pictures/detail/health-and-climate-change [Zugriff 12.12.18]