Vier-Länderstudie deckt Schwachpunkte auf
Die Versorgung von DiabetikerInnen vom Typ 1 ist in vielen Ländern äußerst dürftig.[1] Dabei mangelt es nicht nur am überlebensnotwendigen Insulin, auch Teststreifen und Messgeräte stellen oft unüberwindbare Hürden für den Zugang dar.
Eine internationale Gruppe von ForscherInnen nahm jetzt die Lage in Kirgisistan, Mali, Peru und Tansania unter die Lupe.[2] Dabei wurden viele Aspekte untersucht, die eine optimale Behandlung behindern können. Formell ist in allen vier Ländern die Behandlung von Typ 1-Diabetes offizieller Teil der Versorgung. Kirgisistan hat dabei eine einheitliche Pflichtversicherung, die anderen Länder verfügen über verschiedene Versorgungssysteme, deren Leistungen sich unterscheiden. Aber in keinem Land ist die Behandlung kostenlos. Dabei stellen die notwendigen Teststreifen sogar noch eine größere Bürde dar als die Zahlungen für Insulin.
Die jährlichen Gesamtkosten[3] schwanken je nach Land und Versicherungsstatus zwischen 325 und 1.277 US$ pro PatientIn. Aussagekräftiger ist die Zahl der monatlichen Arbeitsstunden, die öffentliche Angestellte der niedrigsten Lohngruppe für ihre Behandlung aufbringen müssen. Da sieht es in Mali mit 24,5 bis 29,9 Arbeitstagen am schlechtesten aus, in Peru sind es 4,0 bis 11,3.
Insgesamt war die Versorgungslage schlecht, denn in vielen Gesundheitsstationen waren notwendige Komponenten der Behandlung (Insulin, Spritzen, Messgeräte oder Teststreifen) nicht vorrätig.
Was am meisten kostet
Lediglich in Kirgisistan ist das Insulin immer umsonst, sonst fallen je nach Land und Versicherungsstatus Zuzahlungen von 120 bis zu 441 US$ an. Für Teststreifen, die für eine optimale Einstellung unentbehrlich sind, müssen mindestens 222 US$ (in Peru) aufgewendet werden. Die höchsten Kosten fallen in Tansania mit maximal 666 US$ an. Dagegen muten die Kosten für die Testgeräte von 11 bis 33 US$ geradezu gering an. Die in größeren Abständen notwendigen Tests für den Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) sind lediglich für einen Teil der PatientInnen in Tansania umsonst, andernorts schlagen sie mit mindestens 37,60 US$ und maximal 84 US$ zu Buche (Mali und Peru). Es ergibt sich also ein sehr unterschiedliches Bild von Land zu Land. In der Summe bleiben aber immer hohe Kosten für die Betroffenen übrig – so sie sich die Behandlung überhaupt (regelmäßig) leisten können. In manchen Ländern ist die Lage für Kinder etwas besser.
Viele weitere Hürden
Ein weiteres Problem für die Betroffenen ist es, überhaupt eine geeignete Behandlung zu finden – dafür sind die Chancen in Städten besser als auf dem Lande. Dabei ist die Lage in Mali und Tansania etwas besser, wo durch Insulin-Spendenprogramme (und in Mali zusätzlich durch eine Diabetes-NGO) spezifische Fortbildungen für Gesundheitspersonal angeboten werden. Aber auch hier geht es eher um die Behandlung des häufigeren Typ 2 -Diabetes als um Typ 1. Die wichtige Schulung der Betroffenen bleibt ebenfalls häufig auf der Strecke. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Insulin-Spendenprogramme nur erfolgreich waren, wenn die PatientInnen auch lernen konnten, wie sie am besten mit der Erkrankung umgehen können. Sonst besteht sogar die Gefahr, dass sich die Sterblichkeit erhöht, statt sich zu reduzieren. (JS)
Artikel aus dem Pharma-Brief 5-6/2022, S. 3
Bild © Adam Jones
[1] Pharma-Brief (2013) Die doppelte Bürde: Nicht-übertragbare Krankheiten als globales Problem. Spezial Nr. 1
[2] Abdraimova A et al. (2022) Management of type 1 diabetes in low-and middle-income countries: Comparative health system assessments in Kyrgyzstan, Mali, Peru and Tanzania. Diabet Med; 00, p e14891 https://doi.org/10.1111/dme.14891
[3] Für Insulin, Spritzen, Testgerät, Streifen, Behandlungsgebühren, HbA1c-Tests und Transportkosten.