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Nachruf auf Zafrullah Chowdhury

Am 11.4.2023 starb Dr. Zafrullah Chowdhury im Alter von 81 Jahren. Er hat wie kein anderer die Gesundheitspolitik in Bangladesch und weit darüber hinaus geprägt. Während des Befreiungskrieges, der zur Gründung des Staates führte, baute er 1971 ein Krankenhaus auf und im Jahr darauf gründete er das Volksgesundheitszentrum „Gonoshastaya Kendra“, das sich u.a. der Ausbildung von Gemeindegesundheitsarbeiter*innen widmete und so die Basisgesundheitsversorgung vor Ort stärkte.

Ich begegnete Zafrullah das erste Mal vor 40 Jahren auf einer Konferenz von WEMOS in Amsterdam. Dort kritisierte er die Vermarktung von Anabolika als Wachstumsförderer bei Kindern durch westliche Firmen. Werbeslogan: „Hilft das Normalgewicht und ‑größe zu erreichen“.[1] Das ist nicht nur riskant, sondern stoppt das Wachstum der Kinder auch vorzeitig, sie bleiben zu klein. Zafrullah setzte das Ganze in einen Public Health-Kontext: Was Kinder zum Gedeihen brauchen, ist genug Essen, aber keine gefährlichen Medikamente.

Die BUKO Pharma-Kampagne war von der Nationalen Medikamentenpolitik des Landes (1982) beeindruckt, die von Zafrullah inspiriert war und die er vehement verteidigte. Deshalb entschieden wir uns, ihn zu unserer Konferenz „Weniger Medikamente – bessere Therapie. Von der Dritten Welt lernen“ (1987) einzuladen. Aber Zafrullahs Einsatz für eine rationale Medikamentenpolitik gefiel Big Pharma nicht. Die deutsche Botschaft in Dhaka verweigerte ihm das Visum. Begründung: Er sei der deutschen Pharmaindustrie feindlich gesonnen. Es bedurfte der Intervention einer grünen Bundestagsabgeordneten, um diese Ablehnung zu kippen. Zafrullah erreichte unsere Konferenz in Bielefeld gerade noch rechtzeitig. Eine wichtige Botschaft, die er uns dort mitgab: Es reicht nicht, eine Liste unentbehrlicher Medikamente aufzustellen, man muss gleichzeitig auch die irrationalen Medikamente loswerden – Bangladesch war zu dieser Zeit ziemlich erfolgreich dabei. Denn ein Medikament kann noch so schlecht sein, durch aggressives Marketing fänden sich immer Ärzt*innen, die es verschrieben.

Im Jahr 2000 gab es in Gonoshastaya Kendra ein ganz besonderes Ereignis: Die erste People’s Health Assembly mit über 1.500 Teilnehmer*innen aus 93 Ländern fand dort statt.[2] Zafrullah war es wichtig, dass die Teilnehmenden nicht nur reden, sondern auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Land sehen: Armut, soziale Bewegungen, vorbildliche Projekte und Nischen enormen Reichtums – die sozialen Determinanten von Gesundheit. Das Treffen war die Geburtsstunde des People’s Health Movement, die Pharma-Kampagne war dabei.[3]

Über die Jahre bin ich Zafrullah immer wieder begegnet (zuletzt leider nur noch virtuell). Ich werde ihn immer als einen Menschen in Erinnerung behalten, dem Empowerment als Weg zu besserer Gesundheit enorm wichtig war. Möge er in Frieden ruhen.

Jörg Schaaber

Artikel aus dem Pharma-Brief 3/2023, S. 6
Bild: Zafrullah Chowdhury auf der Konferenz Weniger Medikamente – bessere Therapie der Pharma-Kampagne 1987 in Bielefeld

 

[1] New Internationalist (1983) Hunger and the wonder drug.1 Nov. https://newint.org/features/1983/11/01/hunger [Zugriff 12.5.2023]

[2] Pharma-Brief (2001) Weltgesundheitsversammlung von unten. Nr. 2-3, S. 4

[3] Pharma-Brief (2001) Die Gesundheitscharta der Menschen. Spezial Nr. 1