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Der von Howard Waitzkin herausgegebene Band “Health Care under the Knife” ist eine harte Abrechnung mit einem profitorientierten Gesundheitswesen aus dezidiert linker Sicht.

Der Herausgeber Howard Waitzkin ist emeritierter Soziologieprofessor an der University of New Mexico und Professor für innere Medizin an der University of Illinois. Das Buch hat deshalb einen starken Fokus auf die Situation in den USA. Das gilt vor allem für die Kapitel, die sich mit dem Versorgungsalltag und den Strukturen im Gesundheitswesen, einschließlich des Zugangs zur Versorgung auseinandersetzen.

Die Analyse des medizinisch-industriellen Komplexes in den USA von Rob Burlage und Matthew Anderson mag auf den ersten Blick radikal erscheinen. Aber die präsentierten Fakten zur Macht und Gewinnorientierung von Gesundheitsversorgungs-Konzernen, ihrer engen Verflechtung mit dem Finanzsektor und akademischen Institutionen ist schon erschreckend. Wobei auch die Grenzen zwischen Universitäten und Pharmaindustrie verschwimmen. So wurde Dr. Laurie H. Glimcher von der Harvard University 2011 Dekanin der Weill Cornell Medical School. Sie hatte aber Verbindungen zu gleich zwei Firmen: Merck und Bristol-Myers. Bei letzterer war sie im Vorstand und bezog dafür 2010 eine Entlohnung in Höhe von 244.500 US$ plus Aktienoptionen im Wert von 1,4 Mio. US$.

Viele US-Amerikaner sind nicht krankenversichert und der staatliche Schutz für Menschen in Notlagen ist beschränkt. Trotzdem kommt in einem Beitrag von Waitzkin und Ida Hellander auch Obamacare - die Gesundheitsreform unter der letzten US-Regierung - nicht gut weg. Zwar hätten dadurch rund 40 Millionen BürgerInnen einen Krankenversicherungsschutz bekommen, aber die Zuzahlungen seien hoch. Außerdem profitierten die privat organisierten Versicherungen enorm.

Die AutorInnen schlagen stattdessen eine einheitliche Absicherung vor, die stark dem deutschen Modell ähnelt: Alle Menschen sind versichert und müssen nichts zuzahlen, im Krankheitsfall gibt es die gleichen Leistungen für alle.

International ausgerichtet sind andere Beiträge im Buch, so das Kapitel zur Pharmaindustrie im modernen Kapitalismus von Joel Lexchin. Es fasst die Misere, die aus der Fixierung auf Aktionäre und deren Interessen entsteht, konzise zusammen. Etwas zu knapp geraten ist der Abschnitt über die „Gesundheitskomponente des Imperialismus“. Zwar werden wichtige Akteure benannt, die negative Folgen für globale Gesundheit haben. Aber die Analysen zur Rolle der Weltbank, der Welthandelsorganisation und auch der Weltgesundheitsorganisation, die zunehmend unter dem Druck steht, vertikale Interventionen gegen einzelne Krankheiten zu propagieren, statt sich der Förderung einer umfassenden Gesundheitsversorgung zu widmen, bleiben eher oberflächlich.

Erhellend ist dagegen der Beitrag von Anne-Emanuelle Birn und Judith Richter zur Rolle des „Philanthro-Kapitalismus“ (Stichwort Gates-Stiftung), dessen Vorabdruck wir schon früher besprochen haben (Pharma-Brief 5-6/2017, S. 7).

Der Fokus auf die USA in Teilen des Buches muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn hier wird besonders deutlich, welche Folgen eine Kommerzialisierung der Gesundheit hat. Das mag auch als Warnung vor ähnlichen Trends in Deutschland und anderen europäischen Ländern dienen, die auf eine Entsolidarisierung hinauslaufen und auf eine Versorgung, in der PatientInnen immer weniger im Mittelpunkt stehen.  (JS)

Artikel aus dem Pharma-Brief 4-5/2018, S. 7
Bild: Cover von Waitzkin H (Hrsg.) (2018) Health Care under the Knife. Movib Beyond Capitalism for Our Health. New York: Monthly Review Press. 336 Seiten, e-book 18 US$, paperback 27 US$