Ersatzprodukte: Profit statt Muttermilch
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Babys mindestens sechs Monate ausschließlich zu stillen. Doch das geschieht nur bei 36% aller Säuglinge weltweit. Das liegt zum Teil an ungünstigen Bedingungen und fehlender Unterstützung für die Mütter. Eine wichtigere Rolle spielt aber das geschickte Marketing von Muttermilchersatzprodukten.
Die Firmen versuchen Mütter mit immer neuen Produkten zu ködern, die angeblich besser für ihre Babys sind. Changing Markets und drei weitere Organisationen[1] untersuchten, welche Produkte die vier größten Hersteller[2] in 14 Ländern quer über den Globus anbieten.[3] Über 400 verschiedene Zubereitungen für Kinder unter 12 Monaten wurden gefunden, Spitzenreiter war Danone mit 173 Produkten, dicht gefolgt von Nestlé mit 165.
Von der Brust weglocken
Die Hersteller machen sich dabei zunutze, dass die Anforderungen an Muttermilchersatz nur Mindeststandards sind. Mit immer neuen Produkten wird der Markt ausgeweitet. Dabei sind die Werbeaussagen meist eher blumig als wissenschaftlich gut belegt. Was bedeutet es, wenn behauptet wird: „dichter an Muttermilch seit je“? Oder wo sind die Beweise, dass Allergien verhindert werden oder die Babys besser schlafen? Die Studie legt nahe, dass eher gezieltes Marketing hinter den Sprüchen steht. Denn auffällig ist, dass je nach Markt das Produkt eines Herstellers zwar den gleichen Markennamen trägt, aber unterschiedliche Inhaltsstoffe enthält. Es ähnelt von der Zusammensetzung her eher den im Land erhältlichen Konkurrenzprodukten als dem der Marke anderenorts.
Und das Kalkül der Hersteller geht auf: 2015 wurden mit Muttermilchersatzprodukten 47 Mrd. US$ umgesetzt, bis 2020 soll der Markt noch einmal um die Hälfte wachsen, vorwiegend in Schwellenländern.[4] Dabei unterscheiden sich die Preise je nach Land erheblich. Eine 800g-Dose Aptamil Profutura von Danone kostet in Großbritannien 17 US$ und in Deutschland 24 US$, in China dagegen kostet die nur wenig größere 900g-Dose 55 US$. China ist schon heute der größte Absatzmarkt, 46% des Weltumsatzes werden dort erzielt.[1] Während in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich das günstigste Muttermilchersatzprodukt 1-3% des monatlichen Einkommens kostet, muss man in China oder Indonesien 15% des Einkommens dafür aufwenden.
All das dient hauptsächlich der Gesundheit der Firmenbilanzen der großen Vier, die den Markt beherrschen.[1] Denn Tatsache bleibt, dass es sich um Ersatzprodukte handelt, die an das Stillen nicht heranreichen. Zudem stellt das International Baby Food Action Network jedes Jahr wieder fest, dass die Firmen massiv gegen den Kodex der WHO zu Muttermilchersatzprodukten verstoßen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass sich durch optimales Stillen jährlich 820.000 Todesfälle bei Kleinkindern verhindern ließen. Eine wichtige Ursache: Wenn die Ersatzprodukte mit unsauberem Wasser angerührt werden, kann das zu Durchfall führen. Babys und Kleinkinder sterben dann häufig am Flüssigkeitsverlust.[5] (JS)
Artikel aus dem Pharma-Brief 8-9/2017, S. 7
Coverbild: Milking it
[1] Globalization Monitor, Sum of Us, European Public Health Alliance
[2] Nestlé, Danone, Abbott, Mead Johnson Nutrition
[3] Changing Markets et al. (2017) Milking it. https://changingmarkets.org/campaigns/milking-it
[4] www.slideshare.net/Euromonitor/market-oveview-identifying-new-trends-and-opportunities-in-the-global-infant-forumla-market [Zugriff 30.10.2017]
[5] WHO (2017) Fact sheet Infant and young child feeding. Updated July 2017 http://who.int/mediacentre/factsheets/fs342/en/