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Wettstreit der Interessen

Die Forschungslücke bei Antibiotika ist groß. Neue Wirkstoffe müssen günstig sein und sollen möglichst wenig angewendet werden, das macht sie für die Industrie wenig interessant. Wie man dennoch die Forschung und Entwicklung voranbringen kann, sollte das Projekt DRIVE-AB klären. VertreterInnen der öffentlichen Forschung, der Industrie und NGOs wollten gemeinsam die Machbarkeit verschiedener Modelle prüfen. Die Abschlusskonferenz zeigte, wie stark die Präferenzen von den unterschiedlichen Interessen geprägt sind.

Das Ziel von DRIVE AB war ambitioniert: Wie kann man die Innovation stimulieren und dabei gleichzeitig den nachhaltigen Gebrauch und die globale Verfügbarkeit neuer Antibiotika sicherstellen? Das Projekt mit einer Laufzeit von 3 Jahren verfügte über ein Budget von 9,1 Mio. €, davon 2/3 von der Europäischen Kommission und 1/3 von Pharmaunternehmen in Form von Arbeitsleistung („in kind contribution“).[1] Dass hier sehr unterschiedliche Positionen aufeinander prallen, überrascht nicht. Kurz vor Ende des Projekts, als die politischen Empfehlungen formuliert werden sollten, ist mit ReAct ein wichtiger zivilgesell­schaftlicher Projektpartner ausgestiegen. Anlass war ein Manuskript mit vorläufigen Empfehlungen von DRIVE AB, dass bei Lancet Infectious Diseases zur Veröffentlichung eingereicht worden war. Es enthielt Positionen, über die es innerhalb des Projekts sehr unterschiedliche Meinungen gab. Das war im Artikel aber nicht zu erkennen. So entstand der falsche Eindruck, die Beteiligten hätten einen Konsens erzielt.[2]

Von Seiten DRIVE AB wurde betont, dass man Konsens erzielen möchte, aber im Abschlussbericht auch Minderheitenmeinungen veröffentlicht würden.[3] Der Bericht liegt noch nicht vor, trotzdem war der Dissens auf der Abschlusskonferenz in Brüssel (5.-6.9.2017) deutlich zu erkennen.

Push oder Pull?

35 Modelle für Forschungsanreize wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen geprüft. Schlussendlich werden vier davon empfohlen. Zwei so genannte Push Mechanismen sollen die Forschung anschieben: Für die direkte Forschungsförderung seien laut Berechnung der WissenschaftlerInnen jährlich mindestens 550 Mio. US$ nötig. Das Geld solle vor allem in die Grundlagenforschung fließen, um die Pipeline mit neuen Wirkstoffen zu füllen. Weiterhin müsse es eine Koordination der verschiedenen Projekte mit einem aktiven Portfolio-Management geben, um die Forschung möglichst zielgerichtet und effizient zu gestalten.

Als Pull Mechanismen bezeichnet man Maßnahmen, die Unternehmen eine Belohnung in Aussicht stellen, wenn sie ein Produkt entwickeln. Auch hier werden zwei Modelle empfohlen. Ein „market entry reward“ ist ein Geldbetrag, der ab der Markteinführung bis zum Ende des Patentschutzes gezahlt wird. Die Simulationsberechnungen von DRIVE AB beruhen auf einem market entry reward in Höhe von 1 bis 1,5 Mrd. US$, wobei die Pharmaindustrie bemüht war, diesen Betrag weit höher anzusetzen. Das letzte Modell „long term continuity model“ zielt auf solche Antibiotika ab, die schon länger auf dem Markt sind, aber nicht mehr ausreichend produziert werden. Ein finanzieller Anreiz soll Firmen zur Produktion bewegen.

Ziehen alle an einem Strang?

„Antibiotikaresistenz ist perfekt für ein Public Private Partnership“, so Pierre Meulin von der Innovative Medicines Initiative (IMI) in seiner Eröffnungsrede.[4] Doch schon bei der Diskussion um die Kostenmodelle war nicht zu übersehen, wie schwierig es ist, die Forderung nach günstigen Medikamenten mit Gewinninteressen zusammen zu bringen. David Findley von GlaxoSmithKline verdeutlichte die kommerzielle Position: „Return on investment ist wichtig, sonst gibt es kein Investment und die Modelle funktionieren nicht“. Doch welcher Gewinn für die Investoren ist gerechtfertigt? DRIVE AB versuchte diese Frage über einen Umweg zu beantworten. Modellrechnungen sollten klären, wie man den Wert eines neuen Antibiotikums bestimmen könne. Doch die vorgestellten Berechnungen verdeutlichten vor allem, dass man hier zu Ergebnissen in relativ beliebiger Höhe kommen kann, je nachdem was man in die Simulation einbezieht – ein wenig zielführender Ansatz.

Kleine und mittlere Unternehmen

Nicht nur die großen Pharmaunternehmen spielen in dieser Diskussion eine Rolle. Es sind gerade kleinere Unternehmen, die derzeit beginnen, die Antibiotikapipeline wieder zu füllen. Sie sind auf Investoren angewiesen – häufig Risikokapital – weshalb sich auch hier die Frage stellt, welchen „return on investment“ man potenziellen Investoren bieten kann.

Hier will das Projekt CARB-X andere Wege gehen. Kleine und mittlere Unternehmen können Geld für ihre Antibiotikaprojekte beantragen. Die US-Regierung und der Wellcome Trust stellen für die kommenden fünf Jahre 450 Mio. US$ bereit. Dabei handelt es sich um kein gewöhnliches Programm zur Investitionsförderung, denn das Geld ist an eine Bedingung gekoppelt: Wer gefördert werden will, muss einen Plan erarbeiten, wie er sein Produkt später verfügbar und nachhaltig nutzbar machen will.

Non-profit Ansatz

Dass man auch ohne Profitwartungen investieren kann, zeigt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie hat mit dem Projekt GARD-P eine Produktentwicklungspartnerschaft angestoßen, die nicht gewinnorientiert ist (siehe Pharma-Brief Spezial 1/2017). Das Konzept hat sich bereits bei den vernachlässigten Krankheiten bewährt: Die Entwicklung neuer Wirkstoffe wird vorwiegend mit öffentlichen Geldern finanziert. Wenn das Produkt auf den Markt kommt, sind die Entwicklungskosten bereits abgegolten und das Produkt kann preiswert verkauft werden – unterm Strich also die günstigste Lösung. Die Bundesregierung hat zugesagt, GARD-P in den kommenden fünf Jahren mit mindestens 51 Mio. € zu unterstützen.[5]

Das Projekt DRIVE AB verdeutlicht, dass Pharmaunternehmen durchaus bereit sind, wieder aktiver in die Antibiotikaforschung einzusteigen – aller­dings nur, wenn sie mit öffentlichen Geldern unterstützt wird und die Gewinnaussichten gut sind. Dass die Bundesregierung sich mit der Förderung von GARD-P für einen non-profit-Weg entschieden hat, ist zu begrüßen.  (CW)

Artikel aus dem Pharma-Brief 7/2017, S. 1

 

[1] http://drive-ab.eu/wp-content/uploads/2014/09/IMI-Key-Facts.pdf

[2] ReAct (2017) ReAct withdraws from IMI project DRIVE-AB. Mitteilung 20. Juli www.reactgroup.org/news-and-views/news-and-opinions/year-2017/react-withdraws-from-imi-project-drive-ab/

[3] DRIVE AB (2017) Statement on ReAct’s Departure from the DRIVE-AB Consortium http://drive-ab.eu/news/statement-on-reacts-departure-from-the-drive-ab-consortium/

[4] IMI ist selbst ein solches „Partnership“ zwischen Industrie und EU-Kommission und Förderer von DRIVE AB. Mehr zu IMI: Pharma-Brief (2014) Neue Sterne am Horizont. Nr. 5, S. 2

[5] BMBF (2017) Wichtiger Schritt im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen. Pressemitteilung 4. Sep. www.bmbf.de/de/wichtiger-schritt-im-kampf-gegen-antibiotika-resistenzen-4733.html