Deutsche Impfstoffproduktion in Ruanda
Das Pharmaunternehmen Biontech hat die erste Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Ruanda eröffnet. Das Ziel bestehe darin, die Diversifizierung der Impfstoffproduktion auf dem afrikanischen Kontinent zu unterstützen. Die Nachhaltigkeit dieses Vorhabens durch ein milliardenschweres Unternehmen, das sich während der Corona-Pandemie nicht gerade für eine gerechte Impfstoffverteilung eingesetzt hat, bleibt zweifelhaft (wir berichteten).[1]
Das Pharmaunternehmen Biontech expandiert die Impfstoffproduktion nach Ruanda, Senegal und Südafrika. Damit will das Unternehmen nach eigenen Angaben das Ziel der Afrikanischen Union unterstützen, bis zum Jahr 2040 60% des Impfstoffbedarfs des afrikanischen Kontinents selbst zu produzieren.[2] Am 18.12.2023 wurde die erste Produktionsstätte in Kigali eröffnet.[3] Die sogenannten „BioNTainer“ bestehen aus sechs Schiffscontainern, die eine modulare Einheit bilden. Sie wurden als schlüsselfertige Fabrik in die Sonderwirtschaftszone Ruandas eingeflogen. Die Kapazität beträgt 50 Millionen Dosen eines mRNA-Impfstoffs, der nach dem Produktionsverfahren des Covid-Impfstoffes hergestellt wird – perspektivisch sollen dort auch Impfstoffe gegen Malaria und Tuberkulose produziert werden, die sich bei Biontech in der Entwicklung befinden.[4] Zwar hat die Firma die Produktionsanlage in Kigali nach eigenen Angaben selbst finanziert,[5] das gesamte Vorhaben wird aber durch öffentliche Gelder, genauer dem Global Gateway der EU, unterstützt. Der Global Gateway strebt bis 2027 an, mit 1,2 Milliarden Euro die Impfstoffproduktion in fünf afrikanischen Ländern anzukurbeln – 550 Millionen Euro davon werden durch Deutschland aufgebracht.[6], [7]
Mit Blick auf die Covid-19 Pandemie ist es fraglich, wie großzügig und nachhaltig das Vorhaben wirklich ist, denn während der Pandemie hat Biontech nicht gerade zu einer gerechten Impfstoffverteilung beigetragen und weigert sich bis heute vehement Patente freizugeben. Die Bundesregierung verteidigte bei WHO und WTO den Patentschutz und setzte stattdessen auf bilaterale Kooperationen mit der Industrie, nachweislich unter Lobbyeinfluss diverser Firmen. Die Bundesregierung lehnte den Patent-Waiver bei der WTO ab und sorgte für die erhebliche Verzögerung und die Verwässerung des Beschlusses bis zur Unkenntlichkeit (wir berichteten).[8]
Den mRNA-Hub, der während der Pandemie von der WHO in Südafrika gegründet wurde und zum Ziel hat, das Potenzial der mRNA-Plattformtechnologie auch für den Globalen Süden verfügbar zu machen, sabotierte Biontech sogar aktiv. Sie spannte dafür die kENUP Foundation ein, die Lobbyarbeit in Südafrika machte und in einem Gutachten forderte, dass der WHO-Hub seine Aktivitäten einstellen sollte, weil er angeblich geistige Eigentumsrechte verletze.[9], [10]
Umso fragwürdiger war die Anwesenheit deutscher Politiker*innen bei der Firmeneröffnung in Ruanda. Mit der Botschaft „Endlich Zugang zu Arzneimitteln auch für den globalen Süden“ machte die Politik diese prominent. Außenministerin Annalena Baerbock war vor Ort und betonte die Lehren der Covid-19 Pandemie und „wie nachteilig sich unfaire Verhältnisse auswirken können“.[7] Bärbel Kofler, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bezeichnete die Fabrik als „entwicklungspolitischen Meilenstein“.[3]
Was dabei übersehen wird: Geistiges Eigentum sowie die Kontrolle über die Produktion und Preise liegen bei der Firma Biontech. Unklar ist auch der genaue Produktionsbeginn, bekannt ist lediglich, dass 2025 erste Testchargen zur Prozessvalidierung produziert werden sollen.[5] Ob und wann die besagten Impfstoffe gegen Malaria und Tuberkulose zugelassen werden, steht in den Sternen.
Ayoade Alakija, die während Pandemie Sonderbeauftragte der WHO für den “Access to COVID-19 Tools Accelerator” war, kritisiert die „BioNTainer“ als “cut-and-paste model” und betont, dass durch das Vorhaben BioNTechs die Unabhängigkeit afrikanischer Länder keineswegs gefördert werde. Sie sagte, dass in der Vergangenheit Afrika bereits über eine lokale Impfstoffproduktion verfügte, Korruption und Ineffizienz hätten zur Abhängigkeit vom Globalen Norden geführt. Wichtig sei für Afrika gute Regierungsführung und selbst aktive Geopolitik zu betreiben. Afrika brauche eine Pharmaproduktion, die alle Herstellungsstufen umfasst. „Wir brauchen keine Beschönigungen: Diskutiert werden sollte nicht die Infantilisierung Afrikas, sondern seine Dekolonisierung.“[2] (EF)
Artikel aus dem Pharma-Brief 2-3/2024, S. 1
Bild Ruanda © Wysiati/istock
[1] Pharma-Brief (2022) WTO Patent-Waiver: Außer Spesen nichts gewesen. Nr. 5-6, S. 3
[2] Shankar Balakrishnan V (2023) BioNTech Highlights African Vaccine Partnerships – But is Challenged to Ensure Real Tech Transfer. Health Policy Watch, 18 Nov https://healthpolicy-watch.news/biontech-highlights-african-partnerships [Zugriff: 4.3.2024]
[3] BMZ (2023) Erste kommerzielle mRNA-Impfstoffproduktion Afrikas geht in Ruanda an den Start. Pressemitteilung 18.12. www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/erste-kommerzielle-mrna-impfstoffproduktion-afrikas-startet-195992
[4] Ärzteblatt (2023) Erste Biontech-Container für Impfstoffproduktion in Ruanda. 13.3. www.aerzteblatt.de/nachrichten/141656/Erste-Biontech-Container-fuer-Impfstoffproduktion-in-Ruanda [Zugriff: 4.3.2024]
[5] Biontech (2023) BioNTech erreicht Meilenstein in der Errichtung einer Produktionsstätte für mRNA-basierte Impfstoffe in Ruanda. Pressemitteilung 18.12.23 https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/biontech-erreicht-meilenstein-der-errichtung-einer-0 [Zugriff: 4.3.2024]
[6] Ärzteblatt (2023) Baerbock sichert Afrika Unterstützung im Kampf gegen Krankheiten zu. 18.12. www.aerzteblatt.de/nachrichten/148112/Baerbock-sichert-Afrika-Unterstuetzung-im-Kampf-gegen-Krankheiten-zu [Zugriff: 4.3.2024]
[7] Auswärtiges Amt (2023) Rede von Außenministerin Baerbock bei der Eröffnung der BioNTech-Produktionsstätte in Ruanda. Rede vom 20.12. www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2636600
[8] BUKO Pharma-Kampagne (2024) Covid-19 Entwicklungen Teil 2 https://bukopharma.de/de/covid-19/750-rueckblick-und-zukunft-covid-teil2
[9] Davies M (2022) Covid-19: WHO efforts to bring vaccine manufacturing to Africa are undermined by the drug industry, documents show. BMJ; 376, p o304, https://doi.org/10.1136/bmj.o304
[10] Pharma-Brief (2022) Tödliches Spiel auf Zeit. Nr. 2, S. 4