Die stille Epidemie
425 Millionen Menschen leiden weltweit unter Diabetes - die meisten davon in Ländern geringen oder mittleren Einkommens. Doch gerade dort haben die PatientInnen wenig Hoffnung auf eine gute Versorgung: Insulin ist in den meisten armen Ländern schlecht verfügbar und die Erkrankung treibt Betroffene und deren Familien häufig in die Armut. Mit einem Online-Kurs macht die Pharma-Kampagne auf diese Probleme aufmerksam.
Komplexe Ursachen
So fragmentiert die Datenlage besonders für ärmere Länder noch ist, zeigt sich ein deutlicher Trend: Laut Schätzungen des „Atlas“ der International Diabetes Foundation (IDF) leben von den 425 Millionen Betroffenen 79% in Ländern geringen oder mittleren Einkommens. Generell haben Bevölkerungswachstum und steigende Lebenserwartung Einfluss auf die hohen Zahlen. Doch das erklärt nur zum Teil, warum sich die globale Prävalenz zwischen 1980 und 2014 laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) fast verdoppelt hat (von 4,7% auf 8,5%).
Die Ursachen für diese Dynamik sind komplex, denn die Entstehung von Typ 2 Diabetes, der häufigsten Form der Erkrankung, hängt von vielen Faktoren ab. Neben genetischen Voraussetzungen hat u.a. Tabakkonsum großen Einfluss. Eine zentrale Rolle spielen zudem Übergewicht und Adipositas. Ursächlich dafür ist wiederum der starke Wandel des Lebensstils aufgrund massiver wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche in vielen Gesellschaften des globalen Südens. Geringere körperliche Aktivität und veränderte Ernährungsmuster ̵ oft eine Folge beschleunigter Urbanisierung ̵ treffen auf wenig vorbereitete und schlecht ausgestattete Versorgungssysteme, die bereits bei der Behandlung der vorherrschenden Infektionskrankheiten an ihre Grenzen stoßen.
Engpässe bei Diagnose und Behandlung
In armen Ländern stellen Diagnose und Therapie von Diabetes ein großes Problem dar. Insulin - ein unerlässliches Präparat für Millionen PatientInnen weltweit ̵ ist nur in knapp einem Viertel der Länder mit niedrigem Einkommen generell verfügbar. Fehlende Behandlung schädigt wiederum Herz, Blutgefäße, Nieren, Augen und Nerven und führt häufig zu Invalidität. Amputationen der unteren Extremitäten sind bei DiabetikerInnen z.B. 10-20 mal so häufig wie bei Gesunden. Aber Diabetes ist auch verantwortlich für jährlich rund 1,5 Millionen Todesfälle. Zusätzlich begünstigt ein hoher Blutzucker Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Der Markt für Insulin wird von lediglich drei Anbietern dominiert (Eli Lilly, Novo Nordisk und Sanofi). Auch diese Marktkonzentration begünstigt hohe Preise und sorgt für Engpässe. Eine Studie von Health Action International 2017 belegte, dass Insulin in vielen Ländern für PatientInnen schwer zu finanzieren ist. Zudem ist erstaunlicherweise der Preis von älteren Präparaten nicht spürbar gefallen wie es in der Regel der Fall ist: "Der globale Einkaufspreis (…) scheint über die Zeit hinweg unverändert geblieben zu sein - ganz anders als bei anderen NCD-Medikamenten oder HIV-Therapien.” Aber auch an schlichten Blutzucker-Teststreifen oder Injektionszubehör mangelt es in vielen ressourcenschwachen Regionen. Zudem ist die Fallfindung miserabel: Die IDF schätzt, dass die Hälfte aller Erkrankten zwischen 20 und 79 Jahren nie eine entsprechende Diagnose erhalten hat. Und auch die Prävention kommt zu kurz. Dabei ließen sich dafür oftmals bestehende Versorgungsstrukturen nutzen.
Wirksame Konzepte sind gefragt
Um der zunehmenden Verbreitung von Diabetes und anderer nicht übertragbarer Krankheiten (NCDs) Rechnung zu tragen, berief die WHO im Februar eine unabhängige Kommission ein. Die Independent Global High-Level Commission on NCDs soll Strategien und Maßnahmen entwickeln, die geeignet sind, um NCDs wirksam einzudämmen und die Sterberaten zu senken. Gelingt das nicht, werden letztlich auch die nachhaltigen Entwicklungsziele scheitern, deren Umsetzung sich die Vereinten Nationen bis 2030 vorgenommen haben. Diesen Realitäten müssen auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe deutscher NROs verstärkt Rechnung tragen.
Aktionen
Ein Online-Kurs der BUKO Pharma-Kampagne bereitet MitarbeiterInnen der Entwicklungszusammenarbeit auf diese Herausforderungen vor. Den E-Learning-Kurs „Diabetes – die stille Epidemie“ finden Sie hier. Ziel ist es, MitarbeiterInnen in Gesundheitsprojekten für die Probleme zu sensibilisieren und damit die Versorgung der PatientInnen, aber auch die Prävention zu verbessern.
Neben medizinischen und epidemiologischen Fragestellungen sowie praktischen Handlungsempfehlungen beinhalten die Materialien auch eine klinisch-pharmakologische Bewertung gebräuchlicher bzw. häufig eingesetzter Antidiabetika.